12Os12/98 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Ratz und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Leinfellner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann W***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 18. September 1997, GZ 23 Vr 48/97-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Johann W***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.Dezember 1996 in Vandans außer den Fällen des § 201 StGB Sandra K***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt hatte, indem er sie am Ärmel festhielt, gegen den Autositz drückte, sodaß sie sich kaum noch bewegen konnte, und ihr anschließend zwischen die Beine griff und sie an den Brüsten betastete.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen brachte der leicht bis mittelstark alkoholisierte Angeklagte Sandra K***** nach einem Lokalbesuch mit seinem PKW nach Hause, hinderte sie aber vor dem Wohnhaus am Aussteigen. Er hielt sie mit aller Kraft vorerst am Ärmel und dann an einer Hand, drückte sie derart gegen den Sitz, daß sie sich kaum noch bewegen konnte und berührte sie während eines Zeitraumes von fünf bis zehn Minuten über der Kleidung am Geschlechtsteil und an den Brüsten. Der Angeklagte wollte unter Einsetzung der beschriebenen Gewalt Sandra K*****, die sich nicht losreißen konnte, zur Duldung von geschlechtlichen Handlungen nötigen; es kam ihm auf ein "intensives Abgreifen" der bezeichneten Körperpartien an.
Der allein aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist seine festgestellte Handlungsweise als im Sinne des § 202 Abs 1 StGB tatbestandsmäßiger Einsatz von Gewalt zu beurteilen. Gewalt ist die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes; einer besonderen Intensität der Kraftanwendung bedarf es nicht (Leukauf/Steininger StGB3 § 105 RN 4, § 201 RN 19). Die zur Tatbestandserfüllung erforderliche Erheblichkeitsschwelle ist der Rechtsrüge zuwider beim konstatierten Krafteinsatz des 25-jährigen Angeklagten gegen die im beengten Raum eines PKWs in ihren Abwehrmöglichkeiten behinderte und dabei wegen der in die frühen Morgenstunden fallenden Tatzeit weitestgehend auf sich gestellte tatbetroffene junge Frau eindeutig überschritten. Von "normalen Zudringlichkeiten" mit nur unerheblicher körperlicher Einwirkung kann fallbezogen keine Rede sein.
Die Feststellungen zum Vorhaben des Angeklagten, durch Krafteinsatz den Widerstand des Opfers gegen die Berührungen geschlechtsspezifischer Körperregionen auszuschalten, reichen zur Beurteilung seines Vorsatzes aus. Dem Urteilssachverhalt ist unzweifelhaft zu entnehmen, daß der Angeklagte ein durch sein Vorgehen bedingtes Unterbleiben von Gegenwehr für naheliegend hielt und gezielt anstrebte. Der behauptete Feststellungsmangel zur inneren Tatseite liegt daher nicht vor.
Soweit der Beschwerdeführer die in Rede stehende Tatbestandsverwirklichung mit dem Vorbringen bestreitet, kurze Berührungen seien nicht als geschlechtliche Handlungen zu bewerten, verfehlt er den von der Prozeßordnung bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes geforderten Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem angewendeten Strafgesetz. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen hat er - wie dargelegt - das Opfer nicht bloß flüchtig berührt, sondern während einer Zeitspanne von zumindest fünf Minuten intensiv am Geschlechtsteil und an den Brüsten betastet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 202 Abs 1 StGB eine unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, wobei es keinen Umstand als erschwerend wertete, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten.
Der die Verhängung einer gleichfalls bedingt nachgesehenen, schuldangemessenen Geldstrafe anstrebenden Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Daß der vom Erstgericht attestierten "Unbescholtenheit" vorliegend die Bedeutung eines bisher ordentlichen Lebenswandels zukommt, fällt im konkreten Fall ebensowenig entscheidend ins Gewicht wie die weiters als mildernd reklamierte Alkoholisierung im Tatzeitpunkt, die den bereits einmal in einen ähnlichen Vorfall verwickelt gewesenen (AS 23) Angeklagten nicht davon abhielt, in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug zu lenken (§ 35 StGB).
Die während einer längeren Zeitspanne fortgesetzten Übergriffe gegen die intimsten Sexualsphären einer dem Angeklagten (bloß) flüchtig bekannten jungen Frau verdeutlichen sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiver Sicht Straferfordernisse, die der angestrebten Umwandlung (§ 37 Abs 1 StGB) der der Höhe nach angemessenen, zutreffend bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in eine (schon mangels Zustimmung nach § 295 Abs 2 zweiter Satz StPO) diesfalls - wie beantragt - bedingt nachzusehende, und solcherart vorweg nicht hinreichend prohibitive Geldstrafe entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.