Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Poech als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Daniel M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 15. Oktober 1997, GZ 4 Vr 502/96-34, sowie über die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich mit dem Urteil gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniel M***** (A) der Verbrechen
(1) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und (2) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie (B) der Vergehen (1) des militärischen Diebstahls nach § 127 StGB, § 31 Abs 2 MilStG und (2) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Nach dem hier von der Anfechtung betroffenen Teil des Schuldspruchs hat er (A) zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 1994 in Wien
(1) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem zum Tatzeitpunkt strafunmündigen Christian R***** als Mittäter (§ 12 StGB) die am 6.März 1984 geborene Sabine K***** gegen ein Gitter drängte, von hinten einen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte, wobei R***** dem Mädchen ein Messer anhielt, sodann beide Genannten Sabine K***** zu einer einige Meter entfernten Holzhütte zerrten und sie neuerlich zu einem Geschlechtsverkehr zwangen, indem sie sie in der Hütte gewaltsam festhielten;
(2) durch die zu Punkt A 1 geschilderte Tathandlung mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen.
Nur gegen den Schuldspruch zu Punkt A 1 und 2 des Urteilssatzes richtet sich die auf die Z 4, 5, 5 a und 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als nicht berechtigt erweist.
In der Verfahrensrüge (Z 4) reklamiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 15.Oktober 1997 gestellten Beweisantrages auf "entsprechende Erhebungen durch die Polizei, insbesondere eine maßstabgetreue Skizze der einzelnen Örtlichkeiten sowie Durchführung einer Hörprobe, wenn möglich, noch Erhebungen über das nunmehr nicht mehr bestehende Holzhäuschen (örtliche Gegebenheiten und Ausmaß) zum Beweis dafür, daß unter Voraussetzung der Wahrheit der Schilderung der Zeugin Sabine K*****, die sich gewehrt hat und geschrien hat, dies von den umliegenden Bauten aus zu beobachten gewesen sein müßte" (S 257).
Durch die Nichterledigung des Antrages auf Anfertigung einer maßstabgerechten Skizze des fraglichen Hofes, in dem sich die "Tatorte" befinden (nur dieser Punkt wird in der Verfahrensrüge releviert), wurden - entgegen der Beschwerdeansicht -, wie das Schöffengericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis in der Hauptverhandlung (S 257, ergänzt durch Ausführungen im Urteil US 15) im Ergebnis zutreffend darlegt, Verteidigungsinteressen des Angeklagten nicht verletzt:
Denn zum einen mangelt es dem Beweisantrag, der inhaltlich auf die Schaffung einer der Schilderung der Zeugin Sabine K***** zum Teil widersprechenden Beweisgrundlage (daß sie geschrien hat) abzielt, an Substantiierung, vermag er doch nicht darzulegen, inwiefern durch die Anfertigung einer maßstabgetreuen Skizze des Hofes, in dem die Tatorte gelegen sind, bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten war (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19, 19 b, 19 bb, c). Zum anderen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 15.Oktober 1997, abschließend zu den Entfernungen zwischen Gitter und Holzhaus am Tatort befragt, diese mit vier bis fünf Schritten angegeben und die vorher von ihm deponierte Strecke von ca 150 m als diejenige von der "großen Wiese" aus gesehen bezeichnet (S 256, 257). Daß aber die Zeugin K***** zum Gitter der "großen Wiese" gebracht worden sei, wurde weder von den Zeugen noch vom Angeklagten behauptet. Im übrigen handelt es sich inhaltlich um einen - unzulässigen - Erkundungsbeweis, wie sich schon aus der Formulierung "Erhebungen durch die Polizei ... müßte dies von den umliegenden Bauten zu beobachten gewesen sein ..." erkennen läßt.
In der (undifferenziert) ausgeführten Mängel- und Tatsachenrüge (5 und 5 a) versucht der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die äußerst schwankenden Zeitangaben aller Beteiligter, das Alter der Zeugen zum Tatzeitpunkt (um die zehn Jahre), die Schilderung der Tatvorgänge durch die Zeugin K***** in deren Vernehmung in Art eines Frage- und Antwortspiels, unter Vornahme von (urteilsfremden) Spekulationen, aus welchen Gründen das Einsetzen der Menstruation der Zeugin im zeitlichen Zusammenhang mit den Tathandlungen gestanden sein könnte, die Glaubwürdigkeit der Zeugin K***** in Frage zu stellen, vermag aber damit keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes darzutun. Vielmehr bekämpft er mit seinem gesamten Vorbringen - was schon aus der Formulierung "bei Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo" deutlich erhellt, womit im Rahmen des angerufenen Nichtigkeitsgrundes unzulässig eine Beweiswürdigungsmaxime ins Spiel gebracht wird (Mayerhofer aaO § 258 E 48) - nach Art und Zielsetzung einer in den Verfahrensgesetzen gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung ausschließlich die zu seinem Nachteil ausgefallene sachgerechte und plausible Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese sind sehr wohl auf die Abweichungen in der Schilderung der äußeren Umstände in der Begegnung der Zeugin mit dem Täter, die verschiedenen Altersangaben und insbesondere die Unterschiedlichkeiten in den Depositionen der Zeugin K***** selbst eingegangen und haben mit ausführlicher Begründung dargelegt, warum die Angaben der Zeugin im "Kernbereich" als glaubwürdig anzusehen waren.
Aber auch aus dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5 a) stellt das - zur Mängelrüge inhaltsgleiche - Vorbringen, das Erstgericht habe Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt, keine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen dar. Denn die - eingangs bereits unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 abgehandelten Einwände - können auch nicht durch die Behauptung, die von den Tatrichtern als glaubhaft ange- sehenen Beweisergebnisse könnten wegen geringfügiger Abweichungen von anderen Verfahrensergebnissen nicht zur Tatsachenfeststellung herangezogen werden, den zur Weckung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheits- findung gebotenen Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen ersetzen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 4 a). Die Beschwerde vermag somit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesent- lichen Fragen aufkommen lassen.
Soweit unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 und 5 a (inhaltlich: Z 4) auch die Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten insofern reklamiert wird, als durch das Abspielen der Ton- bzw Bildaufnahme über die Vernehmung der Zeugin K***** nach § 162 a StPO dem erkennenden Senat (gemeint wohl: und der Verteidigung) die Möglichkeit der Fragestellung an die Zeugin in der Verhandlung genommen worden sei, mangelt es an der Legitimation zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes, da nach der Vorführung der Videokassette über die Einvernahme der Zeugin Sabine K***** in der Hauptverhandlung kein Antrag der Verteidigung auf Vernehmung der Zeugin gestellt worden ist (S 231).
Dem Einwand, das Urteil stütze sich "erkennbar" auf die "genaue Formulierung" der auf dem Videoband wiedergegebenen Zeugenangaben, das Protokoll über diese Aufnahme (ON 22) hingegen sei keine "wörtliche Niederschrift" der Zeugenaussage; zur Verfassung des Rechtsmittels stehe der Verteidigung "diese Formulierung aber nicht zur Verfügung - siehe zB S 12 oben des Urteils -" mangelt es an Präzisierung, welche Urteilsfeststellungen davon betroffen sein sollen, sodaß die Beschwerde insofern nicht prozeßord- nungsgemäß ausgeführt ist. Das weitere Beschwerdevorbringen, "die beiden angeblichen Tathandlungen stünden in einem so engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang, daß sie als Einheit zu betrachten wären", erweist sich - soweit inhaltlich als Rechtsrüge aufzufassen - als ebenfalls nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil es sich nicht an dem - von zeitmäßig deutlich voneinander getrennten Tathandlungen ausgehenden - Gesamturteilssachverhalt (US 7) orientiert.
Letztlich versagt auch der unter dem Aspekt der Anklageüberschreitung (Z 8) vorgebrachte Einwand, bei der zweiten Tat in der Holzhütte werde von zwei Vergewaltigungsakten ausgegangen, da das Urteil in seiner Begründung anführe, der Angeklagte und R***** hätten die Tathandlung (Vergewaltigung in der Hütte) so vorgenommen, daß "jeweils der eine das Kind mit seinem Glied vaginal penetrierte und der andere die Beine des Mädchens festhielt". Auch hier verkennt die Beschwerde den Gesamtkontext des Urteils, aus dem sich eindeutig ergibt, daß die Tatrichter nicht feststellen konnten, welcher der beiden in der Holzhütte Anwesenden das Mädchen an den Beinen festhielt und welcher der beiden den gewaltsamen Beischlaf durchführte, auf Grund rechtlicher Erwägungen aber diese Tathandlungen für gleichwertig erachtete (US 16), wobei die Formulierung "jeweils der eine" lediglich (sprachlich unscharf) den Umstand bezeichnet, daß nicht festgestellt werden konnte, welcher der beiden welche Tathandlungen als Mittäter setzte. Im übrigen ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß dieser Nichtigkeitsgrund ein Abweichen des Urteils von der Anklage in dem im Urteilssatz enthaltenen Schuldspruch voraussetzt, nicht aber die Erörterung eines weiteren Faktums in den Urteilsgründen (Mayerhofer aaO § 281 Z 8 E 2 a und 2 b).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Über die Berufung des Angeklagten und dessen (implizierte) Beschwerde sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390 a StPO.
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