6Ob156/97b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Kellner, Dr.Schinko, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****verein *****, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Eva H*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Jänner 1997, GZ 41 R 793/96p-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26.September 1996, GZ 41 C 260/91z-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.436,48 S (darin 406,08 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
1942 mietete der Ehegatte der Erblasserin Theresia H***** die nun aufgekündigte Wohnung in einem Haus der klagenden Partei. Er benützte sie gemeinsam mit der Erblasserin und den gemeinsamen Kindern. Nach seinem Tod lebte die Erblasserin zunächst allein im Mietobjekt; zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nahm sie ihren Sohn als Mitbewohner auf. Im Oktober 1986 - damals benützte der Sohn der Erblasserin die Wohnung nur mehr zu Aufbewahrungszwecken - zog die Beklagte, die Enkelin der Erblasserin, in die Wohnung ein. Sie plante, jedenfalls während der Dauer ihres Studiums, dort gemeinsam mit ihrer Großmutter zu wohnen. Vereinbarungen zwischen den beiden über die Dauer der Wohngemeinschaft gab es nicht. Im Mai 1987 erlitt die Erblasserin, die bis dahin in der aufgekündigten Wohnung mit der Beklagten einen gemeinsamen Haushalt geführt hatte, einen Schlaganfall, der einen Krankenhausaufenthalt notwendig machte. Es war zunächst vorgesehen, daß sie wieder in die Mietwohnung zurückkehren sollte; im Juli 1987 stellte sich aber heraus, daß sie ständiger Pflege bedurfte, weshalb sie in ein Pflegeheim aufgenommen wurde, in dem sie im November 1987 starb. Der Vater der Beklagten teilte im Jahre 1988 der Hausverwaltung mit, diese habe als Enkelkind der Verstorbenen ein Eintrittsrecht gemäß § 14 MRG. Die Hausverwaltung bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen für den behaupteten Eintritt, war aber unpräjudiziell bereit, den Eintritt unter bestimmten Bedingungen anzuerkennen; sie behielt sich für den Fall mangelnden Einverständnisses die Aufkündigung vor. Nachdem die Beklagte einen Antrag auf Überprüfung des gesetzlich zulässigen Mietzinses an die Schlichtungsstelle gerichtet hatte, teilte ihr die Hausverwaltung im Oktober 1988 mit, die Voraussetzungen des § 14 MRG seien nicht gegeben, sodaß die gerichtliche Kündigung eingebracht werde. Die Beklagte wohnt zur Zeit in der aufgekündigten Wohnung; sie verfügt über keine andere Wohnmöglichkeit.
Die klagende Partei kündigte der ursprünglich beklagten Verlassenschaft zu 48 C 700/88 des Erstgerichts die Mietrechte an der Wohnung aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf. Das Prozeßgericht erklärte mit Urteil vom 31.7.1989 die Aufkündigung für rechtswirksam; der von der Enkelin als Nebenintervenientin erhobenen Berufung wurde vom Gericht zweiter Instanz mit Urteil vom 31.1.1990 nicht Folge gegeben. Der Oberste Gerichtshof hob jedoch infolge deren Revision die Aufkündigung mit Urteil vom 12.9.1990 (1 Ob 608/90) auf und wies das Räumungsbegehren ab.
Am 17.2.1989 begehrte die hier ursprünglich Zweitbeklagte und seit der Einantwortung einzige Beklagte zu 48 C 126/89 des Erstgerichts der klagenden Partei gegenüber die Feststellung, daß sie Hauptmieterin der Wohnung sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil vom 31.7.1989 ab; der von der hier Beklagten dagegen erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz mit Urteil vom 31.1.1990 nicht Folge. Die Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 5.9.1990 (2 Ob 569/90) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Am 3.12.1990 brachte die klagende Partei zu 48 C 710/90 des Erstgerichts eine Wiederaufnahmsklage mit dem Begehren ein, das Urteil des Obersten Gerichshofs vom 12.9.1990 (1 Ob 608/90) zu beseitigen und die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären. Diese Wiederaufnahmsklage wurde vom Höchstgericht mit Beschluß vom 30.10.1991 (1 Ob 581/91) zurückgewiesen.
Unter Verweisung auf die rechtskräftige Beendigung des Feststellungsprozesses (48 C 126/89 des Erstgerichts) erhob die klagende Partei am 7.11.1990 zu 48 C 660/90 des Erstgerichts gegen die Enkelin eine Räumungsklage, die mit Urteil vom 19.2.1991 abgewiesen wurde; der dagegen erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Die außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 6.2.1992 (8 Ob 1503/92) gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurück.
Mit der am 24.4.1991 beim Erstgericht eingelangten, hier zu beurteilenden Klage begehrte die klagende Partei von der Verlassenschaft nach Theresia H***** als Erstbeklagter und von Eva H***** als Zweitbeklagter die Zahlung eines Benützungsentgeltes für die streitgegenständliche Wohnung; für den Fall, daß die Verlassenschaft noch Mieterin sein sollte, wurde der Anspruch gegenüber der Erstbeklagten auch auf den "Titel des Hauptmietzinses" gestützt. Nachdem der Nachlaß nach Theresia H***** der Zweitbeklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.2.1993 eingeantwortet und die Einantwortung im April 1993 in Rechtskraft erwachsen war, setzte die klagende Partei das Verfahren, in dem zuvor Ruhen eingetreten war, nur gegen die erstbeklagte Partei fort und dehnte das Klagebegehren auf Zahlung rückständiger Mietzinse/Benützungsentgelte auf 207.181,80 S und weiters auf ein Räumungsbegehren aus, weil zufolge der Bindungswirkung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12.9.1990, 1 Ob 608/90, feststehe, daß die Erstbeklagte nicht mehr Mieterin sei, gegenüber der Zweitbeklagten stehe zufolge des negativen Feststellungsurteiles fest, daß sie nicht in das Mietverhältnis eingetreten sei. Die Räumungsverpflichtung bestehe aufgrund titelloser Benützung. Hilfsweise wurde der Räumungsanspruch auch auf die dargelegten Mietzins- bzw Benützungsentgeltrückstände gestützt.
Das Erstgericht, das eine (nicht bekämpfte) Berichtigung der Parteibezeichnung der Erstbeklagten wegen Einantwortung an die Zweitbeklagte vornahm, wies sowohl das Zahlungs- als auch das Räumungsbegehren ab. Es führte aus, die Beklagte sei jedenfalls im Jahr 1993 durch Einantwortung gemäß § 1116a ABGB zur Hauptmieterin geworden, sodaß das auf titellose Benützung gegründete Räumungsbegehren unberechtigt sei. Mietzinsrückstände im Sinne des zweiten Falles des § 1118 ABGB lägen nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abweisung des Räumungsbegehrens gerichteten Berufung der klagenden Partei keine Folge. Eine titellose Benützung könne schon deshalb nicht vorliegen, weil ein inhaltsgleiches Räumungsbegehren gegenüber der Beklagten im Verfahren 48 C 660/90y des Erstgerichtes rechtskräftig abgewiesen worden sei. Es sei zwischen denselben Parteien bereits entschieden, daß gegen die Beklagte als Erbin der früheren Wohnungsmieterin (§ 1116a ABGB) nicht mit einer auf titellose Innehabung gestützten Räumungsklage vorgegangen werden könne. Ein nach § 1118 ABGB zweiter Fall erhobenes Räumungsbegehren erfordere einen qualifizierten Zinsrückstand, dessen Fehlen stehe durch die in Rechtskraft erwachsene Abweisung des gesamten Zahlungsbegehrens fest.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Rechtsfragen im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes gelöst seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
Die vorliegende, auf titellose Benützung gestützte Räumungsklage richtete sich gegen die Verlassenschaft und nach der Einantwortung gegen Mag.Eva H***** als deren Gesamtrechtsnachfolgerin. Die Räumungsklage ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht deshalb abzuweisen, weil zwischen denselben Parteien im Verfahren 48 C 660/90 des Erstgerichtes bereits rechtskräftig entschieden sei, daß gegen die Beklagte als Erbin der früheren Wohnungsmieterin Theresia H***** nicht mit einer auf titellose Innehabung gestützten Räumungsklage neuerlich vorgegangen werden könne. Jenes Räumungsverfahren war zu einem Zeitpunkt, als der Nachlaß noch nicht eingeantwortet war, gegen die Enkelin der Erblasserin persönlich gerichtet, während sie im vorliegenden Verfahren als Gesamtrechtsnachfolgerin nach der verstorbenen Mieterin zur Räumung verpflichtet werden soll. Mit der Einantwortung tritt der Erbe in die einzelnen Rechte und Verbindlichkeiten der Verlassenschaft ein. Der Erbe stellt in Rücksicht auf die Erbschaft den Erblasser vor und wird mit diesem "in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten" (§ 547 ABGB). Diese Gesamtrechtsnachfolge unterstellt auch die Rechtsnachfolge in alle Prozeßrechtsverhältnisse des Erblassers und wird auch von der Rechtskraft der gegen diesen erflossenen gerichtlichen Entscheidungen sowie sonstigen prozessualen Bindungen erfaßt. Erfolgsvoraussetzung einer auf titellose Benützung gestützten Räumungsklage ist aber, daß das mit der Erblasserin bis zu deren Tod unzweifelhaft bestandene Mietverhältnis gestützt auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG rechtskräftig aufgekündigt ist. Trotz zahlreicher, von der klagenden Partei eingeleiteter Aufkündigungsverfahren liegt eine solche rechtskräftige Aufkündigung aber nicht vor. Ganz im Gegenteil wurde der durch die materielle Rechtskraft der einander inhaltlich widerstreitenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 608/90 (in der im Aufkündigungsstreit gegen die Verlassenschaft das Eintrittsrecht von Mag.Eva H***** bejaht wurde) und 2 Ob 569/90 (die in dem von der Enkelin angestrengten Feststellungsprozeß ein solches Eintrittsrecht verneinte) ausgelöste Widerspruch über deren Bindungswirkungen in der Entscheidung vom 27.1.1998, 1 Ob 218/97h, endgültig gelöst und die zunächst gegen die Verlassenschaft gerichtete und nach der Einantwortung des Nachlasses gegen die Enkelin als Gesamtrechtsnachfolgerin fortgesetzte, auf § 30 Abs 2 Z 5 gestützte Aufkündigung nunmehr endgültig als rechtsunwirksam aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen.
Mangels rechtswirksamer Aufkündigung der gegenständlichen Wohnung erweist sich daher die Revision im Ergebnis als nicht berechtigt.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.