JudikaturOGH

15Os185/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Jänner 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kubiczek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rene Paul W***** und einen anderen Verurteilten wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB und anderen strafbaren Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Vollzugsgericht vom 24. März 1997, GZ 21 BE 256/95-12, und gegen den Vorgang, daß dieses Gericht vom Landesgericht Feldkirch gemäß § 494 a Abs 7 StPO nicht unverzüglich von seinem am 14.Jänner 1997 verkündeten Widerrufsbeschluß im Verfahren AZ 18 Vr 745/96, Hv 85/96, verständigt wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, und des Verteidigers Mag.Pruckner, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das Gesetz wurde verletzt:

1. im Verfahren zum AZ 18 Vr 745/96, Hv 85/96 des Landesgerichtes Feldkirch dadurch, daß es der Vorsitzende unterlassen hat, von dem am 14. Jänner 1997 verkündeten Beschluß auf Widerruf der bedingten Entlassung (ON 47) unverzüglich das Landesgericht Krems an der Donau zum AZ 21 BE 256/95 zu verständigen, in der Bestimmung des § 494 a Abs 7 StPO;

2. im Verfahren zum AZ 21 BE 256/95 des Landesgerichtes Krems an der Donau durch den Beschluß vom 24.März 1997 auf Endgültigerklärung der bedingten Nachsicht des Strafrestes (ON 12) in der Bestimmung des § 48 Abs 3 StGB iVm §§ 494 a Abs 4, 498 StPO;

II. der unter I.2. bezeichnete Beschluß wird aufgehoben, und es wird der ihm zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau vom 17.März 1997 zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3.September 1987, AZ 20 Vr 1715/86, wurde Rene Paul W***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 8.August 1995 beschloß das Landesgericht Krems an der Donau (als Vollzugsgericht), dem Verurteilten gemäß § 3 (Abs 1 Z 1) Amnestie 1995 den Strafrest von drei Monaten und 25 Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachzusehen und ihn (iSd §§ 3 Abs 3, 9 Abs 2 zweiter Fall Amnestie 1995) am 1.September 1995 bedingt zu entlassen (21 BE 256/95-7).

In einem gegen W***** am 4.August 1996, mithin innerhalb der Probezeit anhängig gewordenen Verfahren (§ 56 StGB), wurde er mit dem am 24.April 1997 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Jänner 1997, GZ 18 Vr 745/96-47, wegen mehrerer, während der Probezeit begangener Straftaten, nämlich des (zwischen Anfang 1996 und August 1996 verübten) Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB sowie der Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG (Tatzeit von Oktober 1995 bis Juli 1996), der (am 14.Juli 1996 begangenen) schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB und nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffenG (Tatzeit ab Juli 1996 über einige Wochen hindurch), zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich widerrief das Schöffengericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten seinerzeit vom Landesgericht Krems an der Donau gewährte bedingte Entlassung (US 10).

Der Vorsitzende unterließ jedoch die nach § 494 a Abs 7 StPO gebotene unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes Krems an der Donau zum AZ 21 BE 256/95, verfügte diese vielmehr erst nach Rechtskraft des Urteils und des Widerrufsbeschlusses am 16.Mai 1997 (vgl Punkt 19 der Endverfügung ON 65 im Akt 18 Vr 745/96 des Landesgerichtes Feldkirch iVm ON 1 des Aktes 18 Ns 43/97 dieses Gerichtes und ON 13 des Aktes 21 BE 256/95 des Landesgerichtes Krems an der Donau), sodaß das Vollzugsgericht in Unkenntnis dieser Widerrufsentscheidung - dem Antrag der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau vom 17.März 1997 folgend - mit Beschluß vom 24.März 1997, GZ 21 BE 256/95-12 (rechtskräftig seit 28.März 1997), die von ihm angeordnete bedingte Entlassung für endgültig erklärte.

Die Vorgangsweise des Landesgerichtes Feldkirch und der bezeichnete Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau stehen - wie der Generalprokurator in seiner dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Einerseits hat der Vorsitzende des Landesgerichtes Feldkirch dadurch, daß er zwischen Verkündung des Widerrufsbeschlusses und Benachrichtigung des Vollzugsgerichtes mehr als vier Monate verstreichen ließ, die unverzügliche Verständigung im Sinne des § 494 a Abs 7 StPO unterlassen, derzufolge die Verständigung sogleich nach der Entscheidung - ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft - zu erfolgen hat. Denn nur dadurch wird sichergestellt, daß das ohne Eingreifen der Regelung des § 494 a StPO zuständige Gericht von einer seiner Vorentscheidung betreffenden Verfügung eines anderen Gerichtes Kenntnis erlangt und demnach seine Entscheidungskompetenz nicht mehr in Anspruch nehmen darf. Dieser Widerrufsbeschluß war nämlich bereits ab seiner Verkündung insoweit bindend, als kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung dieses Beschlusses über den Entscheidungsgegenstand neuerlich absprechen durfte (§ 498 StPO; SSt 56/18, 14 Os 128/92, 15 Os 90, 91/95 uam). Diese Verständigung war vorliegend um so mehr geboten, als die einjährige (durch § 56 StGB allerdings erstreckte) Widerrufsfrist an sich bereits abgelaufen gewesen wäre und das Landesgericht Krems an der Donau auch nicht von der Anhängigkeit eines neuerlichen Verfahrens verständigt worden war.

Andererseits hat das Landesgericht Krems an der Donau (unverschuldet) die gemäß § 3 Abs 2 Amnestie 1995 anzuwendende Bestimmung des § 48 Abs 3 StGB verletzt, wonach die bedingte Nachsicht des Strafrestes (nur dann) für endgültig zu erklären ist, wenn sie nicht widerrufen wird. Demnach hat das Vollzugsgericht eine ihm nicht mehr zustehende Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen; sein Beschluß konnte weder den schon vorher wirksam (wenngleich noch nicht rechtskräftig) beschlossenen Widerruf der bedingten Entlassung beseitigen, noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen erzeugen. Folglich hat es auch das Gesetz in dem sich aus §§ 494 a Abs 4, 498 StPO (ebenso wie aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung) hervorgehenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen verletzt.

Sohin war in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Die Verständigung von dieser Entscheidung wird vom Landesgericht Krems an der Donau zum AZ 21 BE 256/95 vorzunehmen sein.

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