12Os144/97 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Dezember 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Engelbert S***** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 6. August 1997, GZ 14 Vr 681/94-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I "wegen Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a und b FinStrG", ferner gemäß § 290 StPO in der spruchgemäßen rechtlichen Unterstellung der zum Faktenkomplex II erfaßten Tathandlungen auch unter § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem (neben dem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Rechtmsittelwerbers auch den rechts- kräftigen Freispruch der Mitangeklagten Viktoria S***** enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Engelbert S***** - soweit im Rechtsmittelverfahren hier von Relevanz - "des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a und b FinStrG" (richtig: § 33 Abs 1 FinStrG - US 5) schuldig erkannt, (ua auch) weil er (I.) in den Jahren 1992 und 1993 in Klagenfurt als faktischer Geschäftsführer der E***** BaugesmbH (wie auch zum unangefochten gebliebenen Schuldspruchkomplex II. hinsichtlich der angelasteten Hinterziehung von Einkommensteuer zu ergänzen: und als in dieser Funktion unselbständig Erwerbstätiger - US 5, 9) vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Nichterklären von Betriebseinnahmen der E***** BaugesmbH eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkte, und zwar
1. der Umsatzsteuer um 1,265.192 S,
2. der Gewerbesteuer um 300.440 S,
3. der Körperschaftssteuer um 644.880 S und
4. der Einkommensteuer um 80.696 S
(strafbestimmender Wertbetrag insoweit ingesamt: 2,291.208 S); er wurde dafür (und für den Faktenkomplex II) gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf insgesamt drei im Spruch näher bezeichnete Urteile des Landesgerichtes Klagenfurt, denen jeweils andere strafbare Handlungen als gerichtlich strafbare Finanzvergehen zugrundeliegen, zu einer "Zusatzgeldstrafe" verurteilt.
Der allein gegen diesen Schuldspruch (Komplex I) aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.
Das Erstgericht traf zum bekämpften Schuld- spruch (ua) folgende Feststellungen:
"Viktoria S***** war bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über die Firma E***** BaugesmbH am 18.2.1994 verantwortliche Geschäftsführerin. Engelbert S***** hatte auf Grund seiner Erfahrungen in der Baubranche maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftstätigkeit der Firma E***** BaugesmbH, wobei er den technischen Ablauf der Firma übernahm und seine Gattin für die Buchhaltung verantwortlich zeichnete.
Im Zuge der am 3.3.1994 bei der Firma E***** BaugesmbH durchgeführten UVA-Prüfung konnte festgestellt werden, daß Betriebseinnahmen über den Zeitraum von September bis Dezember 1993 auf Grund gestellter Ausgangsrechnungen im Gesamtbetrag von 10,296.308 S dem Finanzamt nicht gemeldet und demnach die entsprechenden Umsatzsteuervorauszahlungen nicht geleistet worden waren. Die finanzstrafrechtlichen Erhebungen ergaben, daß allein aus einem Bauauftrag von der Firma R***** Einnahmen im Gesamtbetrag von 11,884.000 S erzielt worden waren. Beide Angeklagten haben in den letzten Jahren weder eine Abgabenerklärung noch Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt eingebracht. Sowohl Engelbert als auch Viktoria S***** war klar, daß die erzielten Einnahmen aus der Geschäftsführung der Firma E***** BaugesmbH dem Finanzamt termingerecht und vollständig offenzulegen waren und einer Versteuerung zugeführt werden mußten.
Der Angeklagte Engelbert S***** hat in der Zeit 1992/1993 über seine Firma verschiedene Bauaufträge durchgeführt, während dieses Zeitraumes jedoch keinerlei Steuererklärungen abgegeben. Ihm war bekannt, daß er verpflichtet ist, Steuererklärungen abzugeben, er tat dies aus dem Grund nicht, da er in der GesmbH Schwarzarbeiter beschäftigte" (US 4 und 5).
"Die Baustelle R***** wurde nie fertiggestellt, da kein Material mehr eingekauft werden konnte, da R***** seine Zahlungen einstellte ..."
(US 7).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer rügt zunächst (der Sache nach zum Vorwurf der Hinterziehung von Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer - Z 9 lit a) zutreffend das Fehlen von Feststellungen, aus denen ableitbar wäre, daß er bei der gegebenen Sachkonstellation (maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens durch "Übernahme des technischen Ablaufes der Firma" - US 4) - befugt oder unbefugt - die Angelegenheiten der Abgabenpflichtigen oder ihres gesetzlichen (satzungsgemäßen) Vertreters - insoweit begriffsessentiell in aktiver Form - den Abgabenbehörden gegenüber wahrgenommen hätte (Leitner, Grundzüge des österr. Finanzstrafrechtes S 134 f; ÖStZ 1988, 214 mwN; Fellner, Komm z FinStrG § 33 Rz 7).
Gleiches gilt aber nicht nur für die von der Beschwerde zu Recht
problematisierte Frage des Zeitpunktes der Entstehung der
Umsatzsteuerschuld gemäß § 19 Abs 2 UStG in der zur Tatzeit
geltenden, für den Angeklagten günstigeren Fassung - hier bei
Erbringung von (bloß) Teilleistungen der Bauwirtschaft ohne
vollständige Erfüllung des ihnen zugrundeliegenden Werkvertrages
(Ruppe, Komm z UStG 1994 Rz 153 mwN; AÖF 283/1972, 92/1975; SZ
60/247) - sondern darüber hinaus auch für den Umstand, ob die
Abgabenbehörde in Kenntnis oder Unkenntnis der Entstehung des
Abgabenanspruches war (ON 2 - § 134 BAO, Leitner aaO S 147).
Letztlich ist auch der mit Bezugnahme auf ein - im übrigen im
Hinblick auf die Unvollständigkeit der vorgelegten Akten nicht
überprüfbares - Schreiben des Finanzamtes Klagenfurt (angeblich 201/I) erhobene Einwand des Beschwerdeführers berechtigt, daß die Hinterziehung von Einkommensteuer in der Höhe von 80.696 S aus dem Feststellungssubstrat des bekämpften Urteils nicht ableitbar ist.
Dem Urteil haften somit Feststellungsmängel an, die im bekämpften Umfang ebenso zu seiner Aufhebung führen mußten (§ 285 e StPO), wie gemäß § 290 StPO jener (vorliegend nicht nachvollziehbare) Teil der rechtlichen Tatbenennung als Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (auch) nach § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG, der infolge des Fehlens jedweder faktenmäßigen Differenzierung den unan- gefochten gebliebenen Teilkomplex II insoweit miteinschließt. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das darüber hinausgehende Beschwerdevorbringen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die (auch den Strafausspruch erfassende) Teilkassierung des angefochtenen Urteils zu verweisen.
Lediglich vollständigkeitshalber sei festgehalten, daß die eingangs dargestellte Verhängung einer Zusatzgeldstrafe mit Bezugnahme auf §§ 31, 40 StGB in Spruch und Gründen des angefochtenen Urteils grundsätzlich verfehlt ist, weil § 22 Abs 1 FinStrG für den Fall des Zusammentreffens von Finanzvergehen mit gerichtlich strafbaren Handlungen anderer Art - mit an sich nicht übersehbarer, hier dennoch unbeachtet gebliebener Deutlichkeit - die Verhängung gesonderter Strafen (Strafkumulierung) vorsieht.