JudikaturOGH

13Os63/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. August 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Freundorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hannes Peter T***** wegen der Verbrechen der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Februar 1997, GZ 5 d Vr 13167/96-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten Hannes Peter T***** und des Verteidigers Dr.Wolfgang Rainer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hannes Peter T***** wurde der Verbrechen der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 (Abs 1) StGB schuldig erkannt, weil er in Wien und anderen Orten den am 6.Dezember 1983 geborenen Sascha P*****, den er vorerst für knapp 16 Jahre hielt und dessen Alter er erst Anfang Dezember 1996 erfuhr, von August 1996 bis einige Zeit nach dem 6.Dezember 1996 wiederholt auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht hat, indem er an ihm Mundverkehr durchführte und durch ihn Handverkehr durchführen ließ.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte (verfehlt als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

In dem als Mängel- und Subsumtionsrüge (Z 5 und 10) bezeichneten Vorbringen behauptet der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen, verbunden mit einer Kritik an der Fassung des Urteilsspruches, weil die Verurteilung (auch) für August 1996 bis Anfang Dezember 1996 wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 StGB erfolgt sei, obwohl er nach den erstgerichtlichen Feststellungen das Alter des im Tatzeitpunkt tatsächlich unmündigen Opfers bis kurz vor dessen Geburtstagsfeier am 6.Dezember 1996 für über 14 Jahre gehalten habe, weshalb die Unzuchtshandlungen bis dahin den Tatbestand nach §§ 15, 209 StGB erfüllt hätten.

Damit löst der Rechtsmittelwerber aber nur den ersten Satz des Schuldspruchs aus seinem Zusammenhang, ohne den gesamten Inhalt zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich nämlich mit ausreichender Deutlichkeit, daß ihm nur für die Zeit ab Anfang Dezember 1996 das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB angelastet wurde, hingegen für den davorliegenden Zeitraum ab August 1996 - mit den Intentionen der Beschwerde (zur Mängel- und Subsumtionsrüge) übereinstimmend - das Verbrechen der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB.

Mit der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, mit welcher der Beschwerdeführer - nunmehr in Abkehr von seiner zuvor geäußerten Ansicht - behauptet, daß insoweit (nämlich betreffend § 209 StGB) untauglicher (§ 15 Abs 3 StGB) Versuch vorliege und diesbezüglich einen Freispruch für die von ihm zwischen August 1996 bis Anfang Dezember 1996 begangenen Unzuchtshandlungen anstrebt, ist er nicht im Recht.

Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte während des Zeitraums August bis kurz vor dem 6.Dezember 1996 das Alter des Opfers zwischen 14 und 18 Jahre an - die (in US 6 erfolgte) irrtümliche (s. § 74 Z 2 StGB idF BGBl 1988/599) Gleichsetzung dieser Altersgruppe mit dem Begriff "jugendlich" ist vorliegend ohne Belang -, sodaß trotz der Unzuchtshandlungen mit dem tatsächlich erst im 13. Lebensjahr stehenden Sascha P***** infolge fehlenden Tätervorsatzes zur Unmündigkeit das Erstgericht eine Verurteilung nach § 207 Abs 1 StGB ablehnte und einen Schuldspruch nach §§ 15, 209 StGB fällte. Der Schöffensenat folgte dabei einer in einem gleichgelagerten Fall vom Obersten Gerichtshof vertretenen (und im Ersturteil auch zitierten) Rechtsmeinung (11 Os 56/78 = JBl 1979, 100).

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider ist diese zum genannten Delikt vertretene Rechtsansicht durch die spätere Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (13 Os 45/86, verstärkter Senat = SSt 57/81), die einen völlig anders gelagerten Fall (statt des von den Tätern damals erhofften Suchtgiftes wurde von ihnen Mehl erworben) betraf, nicht obsolet. Wird doch sowohl in der erstzitierten oberstgerichtlichen Entscheidung (11 Os 56/78) als auch in jener des verstärkten Senats (13 Os 45/86) das gesetzliche Kriterium der Art des Gegestandes zur Abgrenzung des relativen vom absolut untauglichen Versuch besonders herausgestellt, was (im erstgenannten Urteil) unter Hinweis auf den von sexuellen Übergriffen strafrechtlich beschützten (damals 13-jährigen) Burschen konkret in bezug auf § 209 StGB bejaht wurde.

§ 15 Abs 3 StGB sagt selbst nichts darüber aus, welche Kriterien einen Gegenstand der Art nach zum untauglichen Tatobjekt machen.

Der Zweck des § 209 StGB liegt darin, unter verschärften Anforderungen an die Tathandlung (vgl die jeweiligen RN 5 zu §§ 207 und 209 in Leukauf/Steininger Komm3) jene Burschen, welche das 14. Lebensjahr schon vollendet haben, auch nach Überschreiten des von § 207 StGB erfaßten Schutzalters weiterhin bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unter die Obhut des Strafrechtes zu stellen (vgl auch EvBl 1976/269).

Ein bloß geringfügiger Zeitablauf bis zum Erreichen des unmittelbar folgenden nächst höheren Schutzalters verändert demnach nicht die Art des Gegenstandes, an dem die Tat begangen wurde. Dafür, daß das (unmündige) Tatobjekt vorliegend keine essentielle Veränderung durch die (kommende) Vollendung des 14.Lebensjahres erfährt, spricht auch noch:

§ 209 StGB nennt in seiner Überschrift nur die Ober-, nicht aber die Untergrenze des Alters des Opfers.

In § 21 Abs 2 ABGB werden die Unmündigen ausdrücklich als ein Teil innerhalb der Gruppe der (sogar bis zum 19.Lebensjahr reichenden) Minderjährigen bezeichnet (s. auch § 74 Z 3 StGB).

Auch in Kommentaren und Lehrbüchern wird (nach der Entscheidung des verstärkten Senates) weiterhin jedenfalls fallbezogen an der (vorangehenden) Entscheidung zu § 209 StGB (JBl 1979, 100 mit zustimmender Besprechung von Burgstaller) festgehalten (s. Bertel/Schweighofer Österr. Strafrecht2 BT II RN 4, Foregger/Kodek StGB6 Anm IV jeweils zu § 209; Leukauf/Steininger Komm3 RN 13, Mayerhofer/Rieder StGB4 Nr 21 jeweils zu § 207; Pallin im WK zu § 209 B ohne diesbezügliche Abweichung im Ergänzungsheft 1991; auch Bertel AnwBl 1986 S 161 unter bezug auf §§ 206, 207 StGB, nicht aber § 209 StGB).

Es bedarf tatsächlich keiner "großzügigen Generalisierung" (s. Fuchs, ÖJZ 1986, 261), um das vorliegende Tatopfer als taugliches Unzuchtsopfer (nach §§ 207, 209 StGB) grundsätzlich anzusehen, zumal auch bei einer (genauen) "ex post"-Betrachtung des Knaben (= "Gegenstandes") ohne zusätzliche Kenntnis des Geburtsdatums es nicht geradezu denkunmöglich erscheint, daß es jemals (s. SSt 57/81) zur Vollendung der Unzuchtstat kommt.

Im übrigen trennt das Alter des männlichen Opfers gleichgeschlechtlicher Unzucht von über oder unter 14 Jahren auch nicht strafbares vom straflosen Verhalten (s. auch AB z StGB zu § 209 [§ 216 RV]).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich meint, daß er durch sein Verhalten aber dann stets die Unzuchtsdelikte vollendet hätte, daher der (aus rechtlichen Überlegungen) angenommene Versuch der Unzuchtstat nach § 209 StGB unverständlich sei (vgl auch Burgstaller: "gewiß unerfreulicher Befund", JBl 1979, 101), ist dieses Vorbringen im Rechtsmittelverfahren unzulässig, weil es nicht zugunsten des Angeklagten ist (§ 282 Abs 1 StPO), abgesehen davon fiele die Behauptung des Verteidigers, daß untauglicher Versuch vorliege, bei einer Tatvollendung in sich zusammen.

Im übrigen sind gleichartige Fälle (wie der vorliegend vom Gericht angenommene) in der Praxis nur selten und zwar dann gegeben, wenn ein Gericht der Verantwortung eines Täters, das Opfer (hier: nur zeitweise) für über 14 Jahre alt gehalten zu haben, beweiswürdigend Glauben schenkt und dies den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde legt (s. Bertel AnwBl 3/1986).

Rechtliche Beurteilung

Der unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 207 (zu ergänzen: Abs 1) StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr. Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen und den langen Deliktszeitraum als erschwerend, hingegen das Geständnis und den Umstand, daß es teilweise (wenn auch aus formalen Gründen) beim Versuch geblieben ist, als mildernd.

Die Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Reduzierung des Strafausmaßes und die bedingte Strafnachsicht anstrebt, ist nicht berechtigt.

Richtig ist zwar der Berufungseinwand, daß dem Zusammentreffen zweier Verbrechen lediglich formaler Charakter zukommen kann (wie dies das Erstgericht beim teilweisen Versuch hervorgehoben hat) und der etwa fünf Monate dauernde Deliktszeitraum noch nicht als besonders erschwerend ins Gewicht fällt, doch ist dem Berufungswerber an dessen Stelle die vielfache Tatwiederholung anzulasten.

Der Berufung zuwider hat das Erstgericht keinen mildernden Umstand übersehen, vielmehr ist ein Milderungsgrund der "einschlägigen Unbescholtenheit" dem Gesetz fremd. Auch aus der Art der Tathandlungen oder dem Altersunterschied zwischen Täter und Opfer läßt sich nicht ein besonders berücksichtigungswürdiger "unterster Bereich des vertypten Unrechts der Tat" ableiten.

Der Gewährung einer bedingten oder teilbedingten Strafnachsicht stehen beim mehrfach (wenn auch nicht einschlägig) vorbestraften Berufungswerber schon spezialpräventive Gründe entgegen.

Der Berufung konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Letztlich ist auch die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß nicht im Recht.

Zutreffend hat nämlich das Erstgericht auf die durch die neuerliche (wiederholte) Straffälligkeit während mehrerer offener (bereits verlängerter) Probezeiten dokumentierte Wirkungslosigkeit bisheriger bedingter Strafnachsichten verwiesen und damit die Notwendigkeit des Widerrufs (zumindest) zweier bedingter Freiheitsstrafen zusätzlich zur nunmehr neuerlichen Verurteilung begründet. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist aus der "fehlenden Einschlägigkeit" der Folgestraftaten kein Erfolg der gewährten Resozialisierungshilfe abzuleiten.

Es ist vielmehr auch aus dem für den Beschwerdeführer ungünstigen Bericht der Bewährungshelferin (Beilage A zu ON 22) nichts für eine gerechtfertigte Annahme eines künftig normtreuen Verhaltens zu gewinnen, sodaß die Aufrechterhaltung der bloßen Androhung der Strafvollzüge nicht geeignet erscheint, die nach § 53 Abs 1 StGB anzustrebende spezialpräventive Effizienz zu entfalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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