JudikaturOGH

11Os63/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred B***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über eine Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4.Feber 1997, GZ 19 Vr 955/96-69, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Beschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Bertsch zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre erhöht.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mitangeklagten Günter M***** enthaltenden - Urteil wurde Alfred B***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (A I) sowie der Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG (B I) und § 36 Abs 1 Z 1 und Z 3 WaffG (C) schuldig erkannt.

Darnach hat er

1. in der Zeit von Anfang Mai bis 23.Juli 1996 in Vorarlberg den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Kokain in einer großen Menge durch Weitergabe an andere Personen, insbesondere Günter M*****, Rene W*****, Angelika K***** und Karin R*****, teils in Form des Verkaufes, teils in Form von Einladungen und teils in Form von Weitergabe zum Verkauf in Verkehr gesetzt,

2. von April bis Juli 1996 in Vorarlberg außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich ca 40 Gramm Kokain erworben und besessen und

3. von Mai bis 23.Juli 1996 in Bregenz unbefugt einen Revolver der Marke Rossi 38/Spezial, sohin eine Faustfeuerwaffe besessen und geführt, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Ungeachtet der sachlichen Einschränkung der Rechtsmittelausführungen erstrecken sich die Rechtsmittel- anträge ("... das angefochtene Urteil aufzuheben ...") auf den gesamten Umfang der Schuldsprüche. Soweit damit die Beschwerde über die Bekämpfung des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG hinausgeht, ist sie unzulässig, weil es ihr an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen mangelt und sie auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen läßt, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Aber auch sonst kommt der Nichtigkeitsbeschwerde in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 17.Dezember 1996 gestellten Antrages auf Einvernahme der Zeugin A***** zum Beweis dafür, daß sie dem Angeklagten einen Betrag von zumindest 60.000 S übergeben habe, sodaß ihm dieser Betrag zum Kauf von Suchtgift zur Verfügung gestanden sei (S 581/I).

Abgesehen davon, daß der Beweisantrag kein Datum der Geldübergabe enthält und daher ein zeitlicher Zusammenhang mit den Suchtgifttransaktionen nicht überprüfbar ist, fehlt dem Antrag jede entscheidungswesentliche Relevanz, weil der Besitz von Geld eine Weitergabe oder einen Weiterverkauf von Suchtgiften nicht auszuschließen vermag.

Das Schöffengericht hat daher den Beweisantrag mit zutreffender Begründung abgelehnt; Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden hiedurch nicht beeinträchtigt.

In seinen undifferenziert ausgeführten Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) behauptet der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe zu maßgeblichen Fragen der Menge und der Empfänger des Suchtgiftes nur undeutliche Feststellungen getroffen und sei von nicht nachvollziehbaren "Mutmaßungen" ausgegangen.

Dies trifft jedoch nicht zu. Nach den eindeutigen und bestimmten Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer im Deliktszeitraum zumindest 200 Gramm Kokain erworben, wovon er insgesamt 35 Gramm mit einem Anteil von wenigstens 40 % reiner Kokainbase sowie 32 Gramm mit 20 %igem Reinheitsgehalt an Günter M*****, Rene W*****, Angelika K***** und Karin R***** weitergegeben hat (US 14 ff). Zu diesen Annahmen gelangten die Tatrichter auf Grund einer ausführlichen und widerspruchsfreien Beweiswürdigung (US 17 ff), wobei insbesondere schlüssig dargelegt wird, aus welchen Gründen die den Beschwerdeführer belastende Aussage des Mitangeklagten M***** im Vorverfahren - ungeachtet einer offenkundig unrichtigen Zeitangabe und der späteren Abschwächung in der Hauptverhandlung - als tragfähige Grundlage des Schuldspruches erachtet wurde (US 21 ff).

Das Vorbringen, daß der Beschwerdeführer im Deliktszeitraum nach dem Urteilssachverhalt (angeblich) nur 120 Gramm Kokain erworben habe, betrifft lediglich eine im Rahmen der kritischen Prüfung der Verantwortung des Angeklagten angestellte hypothetische Hochrechnung (US 20), sodaß zu den Feststellungen, wonach B***** 200 Gramm Kokain erworben hat (US 14), kein Widerspruch besteht. Hinsichtlich der vom Eigenkonsum des Beschwerdeführers und der Weitergabe an die namentlich genannten Abnehmer nicht erfaßten Kokainmenge stellt das Erstgericht, und zwar wiederum unter deutlicher Klarstellung der dafür maßgeblichen Erwägungen fest, daß dieses Suchtgift portioniert an nicht ausgeforschte Abnehmer weitergegeben wurde (US 16 iVm US 25 f).

Die in der Beschwerde dazu vermißte nähere Quantifizierung war mangels Entscheidungsrelevanz entbehrlich: Das dem Tatbestandserfordernis der "großen Menge" gemäß § 12 Abs 1 SGG entsprechende Quantum von 15 Gramm Reinsubstanz Kokain (Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht3 § 12 SGG E 15) wird schon durch die an namentlich angeführte Personen übergebene Kokainmenge (35 Gramm mit 40 %igem Reingehalt und 32 Gramm mit 20 %igem Reingehalt) bei weitem erreicht.

Es liegt daher weder ein formeller Begründungsmangel vor, noch vermag der Beschwerdeführer schwerwiegende unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher die Beurteilung der dem Beschwerdeführer zu A I des Schuldspruches angelasteten Tat als Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG angestrebt wird, versagt.

Wenn der Rechtsmittelwerber hiezu vorbringt, daß nach den Urteilsfeststellungen die Gefahr eines Streueffektes durch Weitergabe der angeführten Suchtgiftmenge an einen größeren Abnehmerkreis von ca 30 bis 50 Personen ausgeschlossen werden könne und sich dabei auf den Kommentar Leukauf/Steininger Strafrechtliche Nebengesetze2 stützt, so übersieht er dabei die inzwischen geänderte Rechtslage. Seit der Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl 184, ist die Herbeiführung einer Gemeingefahr durch die im § 12 Abs 1 SGG angeführten Begehungsformen nicht mehr Tatbestandsmerkmal. Der Gemeingefahr kommt vielmehr nur als Mittel der Quantifizierung der "großen Menge" Bedeutung zu. Der Verbrechenstatbestand nach § 12 Abs 1 SGG setzt demzufolge in objektiver Sicht nur voraus, daß die in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge nach ihrer Größe für den gedachten Fall der Weitergabe einem größeren Personenkreis gefährlich werden könnte.

Diese Voraussetzungen liegen im aktuellen Fall vor, weil der Beschwerdeführer neben der Weitergabe von Kokain an unbekannte Personen eine Menge mit mindestens 20,4 Gramm Reinsubstanz an namentlich angeführte Personen weitergegeben hat, wodurch die Grenzmenge des § 12 SGG (15 Gramm Reinsubstanz) wesentlich überschritten wurde.

Dem Erstgericht ist demnach bei der rechtlichen Beurteilung kein Fehler unterlaufen.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Über Alfred B***** wurde nach § 12 Abs 1 SGG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verhängt. Dabei wertete das Schöffengericht als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen, das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB, die zweifache Tatbestandserfüllung beim Vergehen nach dem Waffengesetz und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das Teilgeständnis, die durch Suchtgiftergebenheit bedingte Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit und die Sicherstellung einer geringfügigen Kokainmenge. Gleichzeitig widerrief das Erstgericht einen Strafrest von sechs Monaten aus einer zu 21 BE 358/95 des Landesgerichtes Krems an der Donau auf Grund der Amnestie 1995 gewährten bedingten Entlassung.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufung des Angeklagten, welche unter Hinweis auf die vorliegenden Milderungsgründe und die Tatsache, daß er das Suchtgift nicht in großen Mengen, sondern portionsweise an Süchtige weitergegeben habe, eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, sowie jene der Staatsanwaltschaft, in welcher im Hinblick auf die zahlreichen Erschwerungsumstände eine Erhöhung der Freiheitsstrafe beantragt wird. Den Widerrufsbeschluß bekämpft der Angeklagte mit Beschwerde.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig angeführt.

Da der Angeklagte trotz mehrfacher einschlägiger Vorverurteilungen und des Vollzuges von beträchtlichen Freiheitsstrafen nach einer bedingten Entlassung auf Grund der Amnestie 1995 sofort wieder einschlägig rückfällig wurde, ergibt sich aus der darin manifestierten erheblichen kriminellen Energie ein hoher Schuldgehalt der Tat, welcher die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe, wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel zutreffend aufzeigt, nicht gerecht wird. Die Freiheitsstrafe war daher auf zwei Jahre zu erhöhen.

Angesichts dessen, daß die bisherigen Maßnahmen der Strafgerichte nicht ausgereicht haben, den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, bedarf es aus spezialpräventiven Gründen auch zusätzlich des Vollzuges des aus einer bedingten Entlassung auf Grund der Amnestie 1995 resultierenden Strafrestes von sechs Monaten, sodaß die Beschwerde versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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