JudikaturOGH

10Ob1527/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr.Alfred Strommer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 57,146.944,33 S und Feststellung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22.November 1994, GZ 49 R 202/94-17, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 508 a Abs 2 Satz 3 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat sich zu den in der außerordentlichen Revision genannten Fragen wiederholt geäußert:

In der Entscheidung 7.11.1989, 4 Ob 591/89 ImmZ 1990, 6 = MietSlg 41.192 wurde ausgesprochen, daß die Bestimmungen des MRG zugunsten des Mieters wegen des vom Gesetzgeber als typisch erachteten und ohne Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ausnahmslos anzunehmenden ökonomischen und sozialen Drucks (MietSlg 37.317) im Zweifel stets als zwingend anzusehen seien. Ein nachträglicher Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung der ihm entgegen anderslautenden Vereinbarungen erwachsenen Rechte sei zwar zulässig, setzte aber voraus, daß der erwähnte Druck weggefallen sei. Im Ersuchen des Mieters an den Vermieter, die Vornahme notwendiger Erhaltungsarbeiten durch den Mieter selbst zuzustimmen, liege noch kein Verzicht auf den Erhaltungsanspruch. Das stillschweigende Hinnehmen der Erklärung der Hausverwaltung, daß die Erhaltungsarbeiten (Einbau der Außenfenster) auf Gefahr und Kosten der Mieterin gestattet würden, könnte - wenn überhaupt - nur insofern als schlüssiger Verzicht (der Mieterin) auf einen Aufwandersatz angesehen werden, als die Mieterin nicht nur geschwiegen, sondern von der ihr unter abweichenden Bedingungen erteilten Erlaubnis zum Einbau neuer Fenster nach Erhalt der Erklärung Gebrauch gemacht und damit zu erkennen gegeben hätte, daß sie sich auch den in ihrem Antrag nicht enthaltenen Bedingungen unterwerfe. Aus dem bloßen Stillschweigen allein sei keine Zustimmung abzuleiten. Soweit aber die Mieterin von der unter abweichenden Bedingungen erteilten Genehmigung später Gebrauch gemacht habe und daraus zu schließen wäre, daß sie der Durchführung der Erhaltungsarbeiten (endgültig) auf eigene Kosten zugestimmt hätte, käme ihr der Schutz der zwingenden Bestimmungen des MRG über die Erhaltungspflicht des Vermieters deshalb noch zugute, weil sonst dem Vermieter die Möglichkeit geboten wäre, die typische Unterlegenheit des Mieters gerade dadurch zu seinem Vorteil auszunützen, daß er längst überfällige notwendige Erhaltungsarbeiten nicht durchführen läßt und in dieser Situation die Zustimmung zur unmittelbaren Durchführung durch den Mieter von dessen Bereitschaft abhängig macht, die hiefür erforderlichen Kosten ohne Rückersatzanspruch zu tragen. Gerade solchen Drucksituationen sollten aber zwingende Normen entgegenwirken.

In der E 7.11.1990, 6 Ob 687/90 WoBl 1991/43 = MietSlg 42.199 wiederholte der OGH, der durch das MRG geschützte Mieter könne, anders als bei bloßer Anwendung des § 1096 ABGB, der an sich nachgiebiges Recht enthalte, auf sein Recht, die Erhaltung des Mietgegenstandes durch den Vermieter zu verlangen, im vorhinein nicht wirksam verzichten.

Die zu § 21 Abs 1 Z 1 WGG ergangene E 21.1.1993, 6 Ob 620/92 WoBl 1993/76 = MietSlg 45.585 verwies zunächst auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Erhaltungspflicht des Vermieters im Anwendungsbereich des § 3 MRG und des § 14a Abs 2 Z 2 WGG im voraus unabdingbar sei. Aus der Eingehung des Nutzungsvertrages ohne ausdrückliche Forderung an den Vermieter, die schon bei Übernahme der Wohnung bestehenden Schäden an den Fenstern zu beheben, die sich im übrigen in den bis zur Behebung durch die Nutzungsberechtigte vergangenen sieben Jahren nach und nach weiter verschlechterten, könne daher keineswegs ein rechtsgültiger konkludenter Verzicht auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen für getätigte Aufwendungen abgeleitet werden. Auch daß die Arbeiten erst nach Einholung der Erklärung der gemeinnützigen Bauvereinigung, die Erhaltungsarbeiten würden auf Gefahr und Kosten der Nutzungberechtigten gestattet, ausgeführt wurden, habe keinen wirksamen Verzicht bewirken können (MietSlg 41.098). Christian Markl führt bei der Besprechung dieser E aaO 112 (114) aus, ein nachträglicher Verzicht dürfte ebenso wie im Bereich des MRG dann zulässig und wirksam sein, wenn der ökonomische und soziale Druck weggefallen sei.

In der E 23.11.1994, 1 Ob 589/94 EWr I/3/15ff = MietSlg 46.224 waren die damaligen Vermieter Miteigentümer eines mehr als 100 Jahre alten Hauses, in dem die Klägerin im Jahre 1988 früher zu Wohnzwecken vermietete, seit 1980 leerstehende Räume, an denen die Beklagten zuletzt keinerlei Erhaltungsarbeiten durchgeführt hatten, mietete. Im Mietvertrag gestatteten die Vermieter der Mieterin die Ausführung der Arbeiten für die nötigen Wasserzu- und abläufe sowie Stromführungen. Die Mieterin habe die Kosten dieser Arbeiten zu tragen. Die Mieterin begehrte von den Vermietern den Ersatz des von ihr geleisteten nützlichen Aufwandes. Die für ihren Frisiersalon genutzten Räume seien bei der Anmietung nicht vermietbar gewesen. Die Mieterin habe auf ihre Kosten eine "Radikalsanierung" vorgenommen. Die damaligen Beklagten wandten ua ein, die Mieterin habe beim Vertragsabschluß den Zustand des Objektes gekannt und es vereinbarungsgemäß auf eigene Kosten ohne Anspruch auf Ersatz saniert. Festgestellt wurde ua, daß die Mieterin und ihr Verhandlungsführer vor Vertragsabschluß die Räumlichkeiten besichtigt hatten, sodaß ihnen deren Zustand und das Erfordnernis umfangreicher Investitionen bekannt gewesen sei, um sie in einen für den Geschäftszweck brauchbaren Zustand zu bringen. Die Vertragsparteien seien bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen, daß die notwendigen Arbeiten im wesentlichen von der Mieterin auf ihre Kosten durchgeführt würden. Auch die Vermieter wußten, daß die Mieterin in den gemieteten Räumen einen Frisiersalon zu führen gedachte. Der Oberste Gerichtshof führte damals ua aus, daß die Mieterin auf den Ersatz ihrer Investitionen verzichtet habe. Dieser Verzicht sei aber nicht wirksam gewesen, weil der durch das MRG geschützte Mieter auf sein Recht, die Erhaltung des Mietgegenstandes durch den Vermieter zu verlangen, im voraus nicht wirksam verzichten könne (JBl 1988, 522; ImmZ 1990, 6 ua; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 3 Rz 1; Würth in Rummel, ABGB2 I 1096 Rz 1). Bei derart geschützten Mietverhältnissen bleibe § 1096 ABGB und damit auch die Abdingbarkeit der Erhaltungspflicht des Vermieters nur soweit unberührt, als diese nicht die in § 3 Abs 2 MRG angeführten Arbeiten zum Gegenstand habe, also insb Arbeiten, die zur Erhaltung des Hauses erforderlich seien, in letzterem Fall allerdings nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handle oder wenn sie erforderlich sind, um einen zu vermietenden Gegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben (§ 3 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 2 MRG; vgl dazu Würth/Zingher aaO Rz 2). Bei ernsten Schäden des Hauses bestehe daher auch ein unverzichtbarer Anspruch des neuen Mieters auf Übergabe in brauchbarem Zustand (Würth aaO § 3 MRG Rz 6 mwN und Rz 7). Der Mieter könne zwar auf die Inanspruchnahme der ihm trotz abweichender Vereinbarungen erhalten gebliebenen Rechte nachträglich verzichten, in der Durchführung solcher notwendiger Erhaltungsarbeiten in Entsprechung von § 3 MRG abweichender Vertragsbestimmungen könne jedoch ebensowenig ein Verzicht auf den Erhaltungsanspruch erblickt werden, wie wenn der Mieter den Vermieter ersuche, ihm die Vornahme solcher Arbeiten zu gestatten (vgl ImmZ 1990, 6).

Die beispielsweise angeführte Judikatur zeigt, daß - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - eine ausreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist, die überdies einheitlich ist und von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist. Dies trifft auch für die Beurteilung der Konkludenz des nach dem Abschluß des Mietvertrages und nach Übergabe des Bestandobjektes von der Mieterin beobachteten Verhaltens zu, sodaß auch im Zusammenhang mit der Auslegung des § 863 ABGB keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, weil die Auslegung den Grundsätzen des Gesetzes und der Logik nicht widerspricht (zB WoBl 1992/121; 1994/32) und die Bedeutung der Rechtsfrage daher über den konkreten Einzelfall nicht hinausgeht. Dabei können die Ausführungen des Berufungsgerichtes dahin verstanden werden, daß die vertraglich vereinbarte Auseinandersetzung über die endgültige Tragung der Kosten der Erhaltungsarbeiten durch die oben dargestellte konkludente Vereinbarung nicht präjudiziert ist.

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