Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 12.Feber 1997, GZ 11 Vr 760/96-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Manfred R***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B) und des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB (C) schuldig erkannt.
Ihm liegt zur Last, vom Frühjahr bis Ende Juni 1996 im Erziehungsheim Lindenhof
A/ außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB wiederholt vorsätzlich einen (am 13.Jänner 1987 geborenen) Mitzögling mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt zu haben, indem er ihn jeweils durch Androhung von Schlägen und unter Versetzen von solchen sowie durch Niederdrücken durch Körperkraft und gewaltsames Festhalten des Kopfes des Opfers während der Unzuchtshandlungen dazu zwang, ihn oral zu befriedigen;
B/ denselben Unmündigen durch diese Unzuchtshandlungen (I.) und einen anderen, am 19.Jänner 1983 geborenen Mitzögling, indem er an diesem einen Afterverkehr durchführte (II.) zur Unzucht mißbraucht, sowie
C/ den unter A Bezeichneten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Schläge sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben wiederholt 50 S Bargeld weggenommen bzw abgenötigt zu haben, wobei der Raub jeweils ohne Androhung erheblicher Gewalt jeweils an Sachen geringen Wertes begangen wurde.
Die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 a, 9 lit a und 10 StPO erhobene, gegen die Schuldsprüche zu A, B I und C gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung des auf Einholung eines weiteren kinderpsychiatrischen Gutachtens mit genauer Befundung zur Frage der Diskretionsfähigkeit des Angeklagten gerichteten Antrages (S 76).
Der Angeklagte war im Rahmen der Hauptverhandlung von einem (kinder-)psychiatrischen Sachverständigen begutachtet worden. Dieser fand keine Hinweise dafür, daß der Angeklagte grundsätzlich nicht imstande war, das Unrechtmäßige des ihm vorgeworfenen Verhaltens zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Auf Frage des Verteidigers schloß er eine geistige Behinderung mit forensischer Relevanz aus und kam aus kinderpsychiatrischer Sicht zum Ergebnis, daß der Angeklagte als reif (im Sinne des § 4 Abs 2 JGG) anzusehen ist (S 75 f).
Der Antrag auf Durchführung eines weiteren Sachverständigenbeweises zur Diskretionsfähigkeit des Angeklagten wurde vom Verteidiger ohne weitere Frage an den Sachverständigen in Richtung des gestellten Antrages, ohne Bemängelung von Befund oder Gutachten im Sinne der §§ 125, 126 StPO sowie ohne weitere Begründung gestellt, nachdem der in der Hauptverhandlung vernommene Sachverständige den Verhandlungssaal bereits verlassen hatte (S 76).
Bei der Entscheidung über einen Beweisantrag ist das Gericht verpflichtet, zu prüfen, ob für die Aufnahme des Beweises das damit vom Antragsteller angestrebte Ziel erreicht werden kann und inwieweit dieses geeignet ist, die ihm durch die Gesamtheit der vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage zu verändern (Mayerhofer, StPO4, § 281 Z 4 E 83). Bei der Prüfung eines Beweisantrages auf seine Berechtigung können nur jene tatsächlichen Ausführungen maßgebend sein, die dem erkennenden Gericht bei Fällung des angefochtenen Zwischenerkenntnisses vorliegen (Mayerhofer, aaO, E 40). Deshalb muß der Beweisantrag außer dem Beweisthema und die Beweismittel noch angeben, inwieweit auch erwartet werden kann, daß bei Durchführung des beantragten Beweises das behauptete Ergebnis erzielbar ist (Mayerhofer, aaO, E 19). Solche Angaben hat der Antragsteller jedoch unterlassen. Er hat weder von der Möglichkeit weiterer Befragung des Sachverständigen Gebrauch gemacht, um allenfalls ihm vorschwebende Mängel von Befund und Gutachten (im Sinne der §§ 125, 126 StPO) zu klären, noch hat er bei der Antragstellung Mängel des Gutachtens behauptet oder vorgebracht, inwieweit zu erwarten wäre, daß ein wegen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung einzuholendes zweites Gutachten (§ 118 Abs 2 StPO) andere Aufschlüsse zur Diskretionsfähigkeit des Angeklagten bringen könnte. Die erst im Rechtsmittel vorgebrachten Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden, weil das Erstgericht bei Beurteilung der Berechtigung des gestellten Antrages nur von jenen Verfahrensergebnissen ausgehen kann, die bis zum Zeitpunkt des Zwischenerkenntnisses hervorgekommen sind (Mayerhofer, aaO, E 41). Der lediglich auf eine weitere Begutachtung, die allenfalls ein anderes Ergebnis erzielen könnte, gerichtete Antrag ist deswegen als Erkundungsbeweis (Mayerhofer, aaO, E 88) im Ergebnis mit Recht abgelehnt worden.
Im übrigen konnte das Jugendschöffengericht zu einer Beurteilung der Diskretionsfähigkeit des Angeklagten nicht nur das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten sondern ein weiteres kinderpsychiatrisches (ON 42 in 7 Vr 224/96 des Jugendgerichtshofes Wien), das in der Hauptverhandlung (einverständlich) verlesen wurde (S 77), zugrunde legen (US 10), sodaß den diesbezüglichen Feststellungen jedenfalls kein formaler Begründungsmangel anhaftet.
Die Tatsachenrüge (Z 5 a, inhaltlich weitgehend als Mängelrüge, Z 5, ausgeführt), die selbst einräumt, daß für das Opfer des Angeklagten im Hinblick auf den von ihm entfalteten "Psychoterror" eine ständige Bedrohungssituation gegeben war (S 105), behauptet im Grunde (unter weitwendiger, dem Urteil fremder Wertung der Verfahrensergebnisse im Sinne des Beschwerdevorbringens, somit also unzulässig), die Feststellungen des Erstgerichtes zu den Drohungen des Angeklagten seien in der vom Urteil konstatierten Form im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe von Geldbeträgen und der Durchführung von Unzuchtshandlungen aus dem Beweisverfahren nicht abzuleiten.
Die Tatrichter haben sich dazu vor allem auf die als überzeugend eingestuften, in der Hauptverhandlung erörterten (und dort vom Zeugen als richtig bezeichneten, S 74) Angaben des Opfers vor der Polizei (S 17 ff) gestützt, denen unmißverständlich die wiederholte Gewaltanwendung, mit der die Geldherausgabe und die Durchführung von Unzuchtshandlungen erzwungen wurden, entnommen werden kann. Dabei wurde auch die Zeugenaussage des zweiten Tatopfers (und Zimmermitbewohners) in den Kreis der Erörterungen einbezogen (US 9 f).
Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der hier angenommenen Begehungsmittel bei Raub und Vergewaltigung (§§ 142 Abs 1, 201 Abs 2 StGB) können aber weitere Erörterungen im Hinblick auf das Tatbegehungsmittel der Drohung unterbleiben. Dem Urteil haftet somit weder ein Nichtigkeit verursachender formaler Begründungsmangel an (Z 5), noch liegen aktenkundige Umstände vor, die Zweifel (gleich welcher Qualität) an den die Schuldentscheidung zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen aufkommen ließen (Z 5 a).
Die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10) schließlich negieren den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zu den dem Angeklagten angelasteten Verbrechen. Das Jugendschöffengericht hat die schuldrelevanten Feststellungen sowohl zur inneren als zur äußeren Tatseite bei allen dem Angeklagten vorgeworfenen Verbrechen getroffen (US 3 und 7), ohne sie rechtsirrig zu beurteilen. Auch die Beschwerde geht im Rahmen der Rechtsrüge (zum Verbrechen nach § 142 StGB) davon aus (S 105 f), begnügt sich jedoch mit der bloßen Behauptung, daraus könne die Tatbestandserfüllung nicht abgeleitet werden. Sie wiederholt lediglich die Behauptung, zwischen Gewaltanwendung und Geldabnahme hätte kein zeitlicher Zusammenhang bestanden, widerlegt dies aber selbst durch die Bezugnahme auf diesbezüglich anderslautende Urteilspassagen.
Auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die ein Fortfallen der Beurteilung der Unzuchtshandlungen nach § 201 Abs 2 StGB anstrebt (siehe Beschwerdeanträge S 109), läßt den dazu im Urteil konstatierten und bereits zitierten Sachverhalt außer acht (nochmals US 3 und 7). In Wiederholung der Behauptung, es mangle am zeitlichen Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung und der Vornahme von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen stellt sie Spekulationen über vermutete Sozialstrukturen von Heimbewohnern und deren sozialadäquates Alltagsverhalten an, ohne auf Basis des Urteilssachverhaltes (Mayerhofer, aaO, Z 10 E 9) eine rechtsirrtümliche Beurteilung durch das Schöffengericht nachweisen zu können.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher (teils als offenbar unbegründet, teils als nicht den prozessualen Voraussetzungen entsprechend dargestellt) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO), weshalb zur Entscheidung über die zugleich erhobene Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285 i StPO).
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