Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller
1. Christa K*****, 2. mj. Martial K*****, ebendort, gesetzlich vertreten durch den Vater, Hans-Dieter K*****, beide Antragsteller vertreten durch Dr.Helfried Sammern, öffentlicher Notar in Mondsee, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter, Elke L*****, vertreten durch Dr.Gerhard Zenz und Dr.Rafaela Zens-Zajc, Rechtsanwälte in Mondsee, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 22.Jänner 1997, GZ 21 R 633/96d-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mondsee vom 24.Oktober 1996, GZ 2 P 1512/95d-10, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der jetzt 15jährige Minderjährige wurde am 30.1.1982 in Köln geboren. Er ist das Kind des Hans-Dieter K***** und der Elke L*****. Die Eltern waren nicht verheiratet. Sie und das Kind waren und sind deutsche Staatsbürger. Mit Einwilligung der Mutter wurde das Kind auf Antrag des Vaters mit Beschluß des Amtsgerichtes Köln vom 9.7.1982 für ehelich erklärt. Seither ist der Vater alleine sorgeberechtigt.
Der Vater hat am 7.12.1989 die am 5.12.1964 geborene Christa K*****, ebenfalls eine deutsche Staatsbürgerin, geheiratet. Der Minderjährige lebt seit nunmehr acht Jahren im Haushalt der Eheleute. Diese haben ihren Wohnsitz derzeit in Mondsee.
Mit dem am 30.10.1995 beim Erstgericht eingelangten gemeinsamen Antrag beantragten die Ehefrau des Vaters und der Minderjährige dessen Annahme an Kindesstatt durch die Stiefmutter sowie die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung der leiblichen Mutter des Wahlkindes zu dem mit dem Antrag vorgelegten Adoptionsvertrag gemäß § 1748 BGB.
Das Erstgericht ersuchte das für den Wohnsitz der leiblichen Mutter in Düsseldorf zuständige Amtsgericht, die leibliche Mutter zu befragen, ob sie die Einwilligung zur beantragten Adoption erteile. Im Fall der Verneinung möge sie gemäß § 1748 BGB belehrt werden. Die leibliche Mutter erklärte am 18.7.1996 vor dem deutschen Amtsgericht, die Einwilligung zur Adoption nicht zu erteilen. Ihr wurde "der § 1748 BGB zur Kenntnisnahme vorgelegt" (zu ON 7).
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Adoption und ersetzte die fehlende Einwilligung der leiblichen Mutter gemäß § 1748 BGB. Es stellte zu dem schon wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß sich die leibliche Mutter in den Jahren, in denen sich der Minderjährige beim Ehepaar K***** in "angemessener Pflege" befunden habe, nicht um Kontakt zum leiblichen Kind bemüht habe, obwohl sie gewußt habe, wo sich das Kind aufhalte. Sie habe es über Jahre unterlassen, jedwede persönliche Zuwendung oder Kontakt zu ihrem Kind zu suchen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Voraussetzungen für die beantragte Adoption gegeben seien. Die leibliche Mutter sei gemäß § 1748 BGB belehrt worden. Eine darüber hinausgehende Beratung der leiblichen Mutter durch das Jugendamt im Sinne des § 51 Abs 2 Satz 2 des Deutschen Sozialgesetzbuches (SGB) sei nicht angebracht gewesen, weil der Minderjährige seit über acht Jahren bei der Annehmenden in Familienpflege lebe und aufgrund des Berichtes des (österreichischen) Jugendamts bei einer Herausgabe an die leibliche Mutter eine schwere Schädigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens des Kindes zu erwarten sei. Das Jugendamt habe eine positive Stellungnahme zur Annahme an Kindesstatt abgegeben. Der Vater des Kindes befürworte die Adoption durch seine Ehegattin.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der leiblichen Mutter nicht Folge. Es erachtete die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gleichgültigkeit der leiblichen Mutter gegenüber ihrem Kind für unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die von der Rekurswerberin gerügte Nichtbeiziehung des deutschen Jugendamtes vor Fällung der Entscheidung nicht schade. Aus § 1748 BGB ergebe sich zwar, daß bei der Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Elternteils zur Adoption wegen Gleichgültigkeit dieses Elternteils gegenüber dem Kind zwar gemäß § 51a Abs 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt eine Beratung vorgesehen sei, daß aber an die Stelle dieser zitierten Norm nunmehr § 51 Abs 2 SGB VIII als Sollvorschrift getreten sei. Eine Beratung sei dann nicht mehr angebracht, wenn sich das Kind bereits längere Zeit in der Familienpflege beim Annehmenden befinde und sein Wohl durch eine Situationsänderung gefährdet werde. Wenn der nicht sorgeberechtigte Elternteil jeglichen Kontakt aus Gleichgültigkeit unterlasse, könne die Einwilligung ersetzt werden. Wenn nach langem tatsächlichen Aufenthalt in der Stieffamilie die Einwilligung verweigert werde, so dokumentiere dies gerade die mangelnde Rücksichtnahme des leiblichen Elternteils. Eine Beratung nach dem SGB sei zu Recht unterblieben.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die leibliche Mutter die Abänderung dahin, daß der Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
Die Annehmende und das Wahlkind haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte ist daher gegeben (§ 113b Abs 2 Z 1 JN).
Die Vorinstanzen haben den vorliegenden Adoptionsfall zutreffend aufgrund des Personalstatuts der Annehmenden nach deutschem Recht beurteilt (§ 26 IPRG iVm § 9 IPRG). Das Personalstatut gilt auch für die Ersetzung der Zustimmung des leiblichen Elternteils (Schwimann in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 26 IPRG).
Nach § 1748 Abs 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Kindes die Einwilligung eines Elternteils (neben dem hier nicht vorliegenden Fall einer gröblichen Pflichtenverletzung) zu ersetzen, wenn er durch sein Verhalten gezeigt hat, daß ihm das Kind gleichgültig ist und wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde. Bei der Ersetzung wegen Gleichgültigkeit sieht Abs 2 leg cit vor, daß vor der Ersetzung seiner Zustimmung der Elternteil vor dem Jugendamt zu belehren und nach § 51a Abs 1 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt auch zu beraten ist. Die Belehrung ist hier erfolgt, die Beratung nicht. Ziel der Beratung ist es, die Gleichgültigkeit des Elternteils zu beseitigen, damit das Kind bei seinen leiblichen Eltern aufwachsen kann und eine Adoption überflüssig wird (Staudinger, BGB12 Rz 34 zu § 1748). Seit 1.1.1991 hat das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechtes (KJHG) das Jugendwohlfahrtsgesetz ersetzt (Bundesgesetz vom 26.6.1990, BGBl I S 1163, als Teil des Sozialgesetzbuches SGB VIII), die Beratung des Elternteils durch das Jugendamt ist im § 51 Abs 2 leg cit nur mehr als Sollbestimmung normiert, hat also nicht mehr zwingenden Charakter (Staudinger aaO Rz 35; Münchner Kommentar BGB3 Rz 3 zu § 51 SGB VIII KJHG). Ein Verstoß gegen die Beratungsvorschrift ist daher lediglich ein Verfahrensmangel. Dieser wäre selbst bei Rüge im Revisionsrekurs (die nicht erfolgte) nicht mehr wahrnehmbar, weil der vom Rekursgericht verneinte Mangel des Verfahrens erster Instanz vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Das Erstgericht hat ohne jedes Beweisverfahren festgestellt, daß sich die leibliche Mutter in den Jahren, in denen sich das Kind beim Vater und dessen Ehefrau "in angemessener Pflege" befunden habe, nicht um Kontakt zum leiblichen Kind bemüht habe, "obwohl sie wußte, wo sich dieses aufhält". Das Rekursgericht hat diese von der leiblichen Mutter bekämpfte Feststellung im wesentlichen aufgrund des Antragsvorbringens der Adoptionswerber und des Vorbringens der Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel für unbedenklich erachtet. Es hat insbesondere dem Umstand entscheidende Bedeutung zugemessen, daß die leibliche Mutter am 30.8.1995 die Annahme eines Schreibens des Vaters verweigert habe, daß sie also ab diesem Zeitpunkt Kontakt zum Kind aufnehmen hätte können. Die Revisionsrekurswerberin bemängelt dazu zu Recht eine mangelhafte Erhebung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen. Gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG hat das Außerstreitgericht "alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen, darüber die Parteien selbst oder andere von der Sache unterrichtete Personen, nötigenfalls auch Sachverständige, zu vernehmen, oder auf andere schickliche Art Erkundigungen einzuziehen, und alle zur näheren Aufklärung dienlichen Urkunden abzufordern". Dieser Verpflichtung ist das Erstgericht nicht nachgekommen, weil es ausschließlich vom Vorbringen der Antragsteller ausgegangen ist und zum Thema eines gleichgültigen Verhaltens der leiblichen Mutter die durchaus möglichen und naheliegenden Beweisaufnahmen nicht durchgeführt hat. Es ist nicht einmal aktenkundig, daß der leiblichen Mutter anläßlich ihrer vor dem deutschen Amtsgericht erfolgten Belehrung der Antrag und die darin aufgestellten Behauptungen zur Kenntnis gebracht worden wären. Nach dem Protokoll wurde sie nur über die gesetzlichen Bestimmungen des § 1748 BGB belehrt (zu ON 7). Wenn die leibliche Mutter zu den Antragsbehauptungen im Verfahren erster Instanz nicht gehört worden sein sollte, wären ihre Rekursbehauptungen als zulässige Neuerungen (§ 10 AußStrG) zur Vermeidung einer Nichtigkeit des Verfahrens wegen Verletzung des Parteigehörs zu behandeln gewesen. Jedenfalls aber waren die Voraussetzungen des § 1748 BGB aufgrund der amtswegigen Erhebungspflicht im Sinne des zitierten Untersuchungsgrundsatzes zu erheben und festzustellen. Die Verletzung dieser Pflicht durch das Erstgericht durfte das Rekursgericht nicht im Wege einer vorgreifenden Beweiswürdigung sanktionieren, indem es aus dem Rekursvorbringen bloße Schlußfolgerungen zog, denen es teilweise sogar an der Schlüssigkeit mangelt, nämlich dort, wo aus der Verweigerung von Briefen im Jahr 1995 auf eine verschuldete Interesselosigkeit der leiblichen Mutter schon seit dem Jahr 1988 geschlossen wurde. Die Sache ist daher noch nicht spruchreif. Im erneuerten Verfahren werden alle Beteiligten zu den kontroversiellen Parteienbehauptungen zu vernehmen und danach der für die Bejahung oder Verneinung einer Gleichgültigkeit der leiblichen Mutter relevante Sachverhalt festzustellen sein. Gleichgültig verhält sich ein Elternteil, wenn er es an persönlicher Zuwendung zum Kind fehlen läßt, etwa dann - wie hier behauptet - , wenn über einen längeren Zeitraum kein Kontakt gesucht wird. Nach der maßgeblichen deutschen Rechtsprechung kann selbst dann auf Gleichgültigkeit geschlossen werden, wenn dem Elternteil der Aufenthaltsort des Kindes unbekannt war, er aber kein Interesse am Schicksal des Kindes zeigte und sich nicht um eine Besuchsregelung bemühte. Anderes könnte nur dann gelten, wenn Bemühungen zur Erforschung des Aufenthaltes des Kindes von vorneherein aussichtslos erscheinen mußten (Staudinger aaO Rz 25b mwN aus der Rechtsprechung). Sollte nach Ergänzung des Verfahrens das Vorliegen der ersten Voraussetzung des § 1748 BGB bejaht werden können (Gleichgültigkeit der der Adoption nicht zustimmenden leiblichen Mutter) wird auch die zweite Voraussetzung, ob dem Kind durch das Unterbleiben der Adoption ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde, zu prüfen sein. Im Sinne der zu beachtenden deutschen Rechtsprechung ist die Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Elternteils nur als äußerste Maßnahme zulässig (Staudinger aaO Rz 10 mwN). Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung müssen die Eltern- und Kindesinteressen umfassend gegeneinander abgewogen werden. Dem Nachteil des Unterbleibens der Adoption ist die Schwere des Eingriffs in das Elternrecht gegenüberzustellen (Staudinger aaO Rz 39; FamRZ 1986, 460). Bei der Beurteilung der Interessen der leiblichen Mutter wird zu beachten sein, daß ihr aufgrund der erfolgten Ehelicherklärung (§ 1723 BGB) keine Sorgerechte mehr zustehen (§ 1738 BGB), ihr also im wesentlichen durch die Adoption nur mehr das Umgangsrecht (also das Recht auf persönlichen Kontakt = Besuchsrecht) entzogen werden würde (§ 1755 BGB).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden