JudikaturOGH

14Os184/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 16. September 1996, GZ 30 Vr 1.019/96-78, ferner über eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gemäß § 494 a Abs 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Dr. Jenny, der Angeklagten Andreas M*****, Paul P***** und Roland H***** sowie ihrer Verteidiger Dr. Cuscoleca, Dr. Pichler und Dr. Scheimpflug zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird die gemäß § 13 Abs 1 SGG (aF) verfügte Einziehung der unter den Postzahlen 1 bis 6 in ON 23 und unter den Postzahlen 2 und 3 in ON 43 genannten Gegenstände (zwei Messer, eine Datenbank, 2,20 Gramm Milchpulver, ein Sieb, ein Röhrchen aus Metallfolie, eine "Nierentasche" sowie ein Karton mit Geschenkpapier und Verpackungsmaterial) aufgehoben.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und es werden die Freiheitsstrafen je unter Aufhebung des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht bei Andreas M***** (als Zusatzstrafe) auf fünfzehn Monate und bei Paul P***** auf einundzwanzig Monate erhöht.

Im übrigen wird der Berufung sowie der Beschwerde nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten Andreas M***** und Paul P***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland H***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider (mit den Mitangeklagten Andreas M***** und "Peter H*****" - richtig ersichtlich: Paul P*****, US 7) im April 1996 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 65 Gramm Heroin, 50 Gramm Kokain und 50 Ecstasytabletten von Holland aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt (A 1 des Urteilssatzes) und im Mai 1996 in Reutte 0,5 Gramm Haschisch besessen hat (C 2).

H***** wurde hiefür unter Erteilung von Weisungen nach §§ 50, 51 StGB zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei unter einem vom Widerruf eines offenen, bedingt nachgesehenen Strafrestes unter gleichzeitiger Verlängerung der Probezeit Abstand genommen wurde.

Den Antrag der Staatsanwaltschaft, den zur Beförderung des Suchtgiftes verwendeten, auf den Angeklagten zugelassenen PKW der Porsche Bank AG Salzburg gemäß § 13 Abs 3 SGG (aF) für verfallen zu erklären, wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß der Verfall zur Bedeutung der Tat des Angeklagten wegen dessen untergeordneter Beteiligung in einem auffallenden Mißverhältnis stünde.

Rechtliche Beurteilung

Nur dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die jedoch mit ihren Einwendungen die gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes verfehlt, weil der in Beschwerde gezogene Ausspruch als Ermessensentscheidung nur mit Berufung bekämpft werden kann (§ 443 Abs 2 StPO aF).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aber auch soweit sie gemäß § 290 Abs 1 letzter Satz StPO als Berufung zu behandeln ist, ist sie im Ergebnis nicht begründet, weil dem Schöffengericht bei aktuellem Verständnis der Unverhältnismäßigkeitsklausel (§ 13 Abs 3 letzter Satz SGG aF) nach Lage des Falles kein entscheidender Ermessensfehler anzulasten ist.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß ein zum Nachteil der Angeklagten Andreas M***** und Paul P***** ergangenes Einziehungserkenntnis mit dem nicht geltend gemachten und demnach von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO behaftet ist.

Gemäß §§ 13 Abs 1 und 16 Abs 3 SGG aF wurde unter Bezugnahme auf die Standblätter ON 23, 43 und 51 dort angeführtes Suchtgift und "Suchtgiftmaterial", das bei den genannten Angeklagten sichergestellt worden war, eingezogen. Hiebei handelt es sich im einzelnen um 18,20 Gramm Cannabiskraut (ON 43 PZ 1) und 3,90 Gramm Cannabisharz (ON 51), ferner um zwei Messer, eine Datenbank, 2,20 Gramm Milchpulver, ein Sieb, ein Röhrchen aus Metallfolie, eine "Nierentasche" und einen Karton mit Geschenkpapier und Verpackungsmaterial (ON 23 PZ 1-6 und ON 43 PZ 2 und 3).

Der Einziehung nach §§ 13 Abs 1, 16 Abs 3 SGG aF - nunmehr mit vergleichbarem Regelungsinhalt § 16 a SGG nF - unterliegt indes nur das den Gegenstand der strafbaren Handlung bildende Suchtgift, vorliegend daher das Cannabiskraut und das Cannabisharz. Die Einziehung der übrigen Fahrnisse kann somit weder auf die im Urteil zitierten noch auf die nunmehr gültigen Bestimmungen gestützt werden.

Nach Lage des Falles sind aber auch die Voraussetzungen einer Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB nicht gegeben. Zwar waren die genannten Gegenstände zur Begehung des vom Schuldspruch umfaßten Inverkehrsetzens von Suchtgift offenkundig bestimmt und demnach der Einziehung grundsätzlich unterliegende instrumenta sceleris. Dessenungeachtet kommt ihre Einziehung nach dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht, weil es sich bei ihnen um Gegenstände des täglichen Gebrauchs handelt, denen eine deliktsspezifische Eignung oder allgemein kriminogene Gefährlichkeit nicht innewohnt. Ihre Beseitigung ist daher nicht geboten, um der Begehung strafbedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 aE StGB).

Die verfügte Einziehung der unter den Postzahlen 1 bis 6 in ON 23 und unter den Postzahlen 2 und 3 in ON 43 genannten Gegenstände war daher aufzuheben.

Dagegen besteht zu einer Maßnahme nach § 290 StPO wegen der in ersichtlich unrichtiger Auslegung der privilegierenden Bestimmung des § 12 Abs 2 zweiter Satz SGG erfolgten Beurteilung des dem Andreas M***** zu A 2 angelasteten gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens von großen Suchtgiftmengen als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG statt nach § 12 Abs 2 erster Fall SGG mangels eines diesem Angeklagten daraus erwachsenden Nachteils keine Veranlassung.

Zur Berufung bzw Beschwerde

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten Andreas M***** (wegen der Verbrechen nach §§ 12 Abs 1 und 14 Abs 1 SGG), Paul P***** und Roland H***** (wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG) nach § 28 StGB und § 12 Abs 1 SGG Freiheitsstrafen von neun Monaten (M*****), achtzehn Monaten (P*****) und einem Jahr (H*****), die es bei M***** als Zusatzstrafe ausmaß und zur Gänze bedingt nachsah, während bei P***** ein Strafteil von vierzehn Monaten und bei H***** ein solcher von acht Monaten bedingt nachgesehen wurde.

Darüberhinaus wurde der bei M***** sichergestellte Suchtgifterlös von 13.280 S gemäß § 13 Abs 3 (richtig: Abs 2) SGG (aF) für verfallen erklärt und diesem Angeklagten gemäß § 12 Abs 5 SGG (aF) eine Geldstrafe (unrichtig als "Wertersatzstrafe" bezeichnet) von 50.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt.

Schließlich wurde bei Paul P***** vom Widerruf einer bedingten Entlassung hinsichtlich eines Strafrestes von acht Monaten und sechzehn Tagen, bei Roland H***** hinsichtlich eines solchen von fünf Monaten und 122 Tagen unter jeweiliger Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre Abstand genommen.

Mit ihrer Andreas M***** betreffenden Berufung strebt die Staatsanwaltschaft die Anhebung des Strafmaßes unter Aufhebung der bedingten Strafnachsicht und die Verhängung einer Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG (aF) an.

Dabei wird zunächst übersehen, daß über diesen Angeklagten nach der letztgenannten Gesetzesstelle ohnedies eine Geldstrafe von 50.000 S verhängt wurde.

Im übrigen ist die Berufung aber begründet.

Neben den vom Erstgericht bereits berücksichtigten Erschwerungsgründen fällt die Suchtgiftdelinquenz während eines wegen gleichartiger Straftaten anhängigen Strafverfahrens, zu dessen Beginn der Angeklagte einen Monat in Untersuchungshaft angehalten worden war, besonders erschwerend ins Gewicht. Hinzu kommt, daß Andreas M***** die entscheidende Rolle bei der Suchtgift-Beschaffungsfahrt (A 1) zuzuordnen ist. Unter Bedachtnahme (§§ 31, 40 StGB) auf das wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG ergangene Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13. September 1996, womit M***** zu einer fünfzehnmonatigen (davon elf Monate bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erachtet der Oberste Gerichtshof eine Zusatzstrafe von fünfzehn Monaten für tat- und schuldgerecht. Der Gewährung einer auch nur teilbedingten Strafnachsicht stehen vor allem die Wiederholungsdelinquenz des Angeklagten und seine Suchtgiftergebenheit entgegen.

Auch die Paul P***** betreffende Berufung ist begründet. Zutreffend weist die Anklagebehörde darauf hin, daß dieser Angeklagte, der Ansicht des Erstgerichtes zuwider, bereits einmal wegen eines Suchtgiftdeliktes verurteilt worden ist. Die Schwere der ihm nunmehr zur Last liegenden Tat erfordert unter Beachtung der im übrigen vom Schöffengericht vollzählig erfaßten Strafzumessungsgründe eine deutliche Erhöhung des Strafmaßes, das mit einundzwanzig Monaten der unrechtsbezogenen Schuld entspricht. Eine Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB scheitert am Fehlen einer hiefür vorausgesetzten Wohlverhaltensprognose.

Demgegenüber war aber die von der Staatsanwaltschaft angestrebte zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG (aF) nicht geboten.

Letztlich war auch der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf der den Angeklagten H***** und P***** gewährten bedingten Entlassung keine Folge zu geben, weil in Anbetracht der aktuellen Strafen die für eine nunmehr verlängerte Probezeit fortdauernde Androhung eines allenfalls zu verbüßenden Strafrestes zur Hintanhaltung weiterer Straftaten geeigneter erscheint als der sofortige Vollzug.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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