JudikaturOGH

10ObS56/97a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. März 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter (§ 11a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Peter Hierzenberger, Dr.Johannes Jaksch, Dr.Alexander Schoeller und Dr.Robert Leitner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1053 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Mai 1996, GZ 7 Rs 92/96t-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23.Jänner 1996, GZ 2 Cgs 39/94b-49, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Akten werden dem Arbeits- und Sozialgericht Wien als Gericht erster Instanz mit dem Auftrag zurückgestellt, über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Fortsetzung (Aufnahme) des unterbrochenen Verfahrens zu entscheiden.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies das vom ursprünglichen Kläger Josef W***** erhobene Klagebegehren auf Gewährung eines Pflegegeldes im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1993 ab. Es gelangte zur Auffassung, daß der Pflegebedarf des am 2.7.1916 geborenen Klägers 50 Stunden monatlich nicht übersteige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Josef W***** Folge und erkannte ihm ab 1.7.1993 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 zu. Es nahm insgesamt einen Pflegebedarf des Klägers von 52,5 Stunden monatlich an und erachtete damit die Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 BPGG als erfüllt.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt die Abänderung dahin, daß das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Oberste Gerichtshof, dem die Revision zur Entscheidung vorgelegt wurde, sprach mit Beschluß vom 22.10.1996, GZ 10 ObS 2386/96x-62, aus, daß das Verfahren durch den Tod des Klägers am 15.9.1996 unterbrochen wurde und daß zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens die in § 19 BPGG genannten Personen in der dort festgelegten Rangordnung und unter den dort geregelten Voraussetzungen berechtigt sind. Der Oberste Gerichtshof stellte die Akten den Vorinstanzen zurück und wies hinsichtlich der Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens auf die nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden §§ 164 ff ZPO hin. Zur Zeit des Eintritts des Unterbrechungsgrundes (15.9.1996) war die Rechtssache beim Erstgericht anhängig; die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht wurde erst am 2.10.1996 verfügt. Der zur Erwirkung der Aufnahme des Verfahrens erforderliche Antrag war daher nach § 165 Abs 1 ZPO beim Erstgericht zu stellen.

Am 29.1.1997 beantragte die nunmehrige Klägerin Elfriede K***** die Fortsetzung des Verfahrens. Sie gab bekannt, daß sie den ehemaligen Kläger Josef W***** vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zu seinem Tod gepflegt habe, sodaß sie gemäß § 19 BPGG anspruchsberechtigt sei. Das Erstgericht legte ohne Entscheidung über diesen Fortsetzungsantrag die Akten neuerlich dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Verstirbt der (vermeintlich) Pflegebedürftige während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens, ergibt sich die Fortsetzungsberechtigung nicht unmittelbar aus dem BPGG, sondern aus § 76 ASGG. Nach Abs 1 dieser Bestimmung unterbricht der Tod des Klägers das Verfahren an sich in jeder Lage. Die Aufnahmeberechtigung richtet sich nun im vorliegenden Fall nicht nach Abs 2 dieser Bestimmung, sondern nach deren Abs 4, der wiederum auf § 19 Abs 3 BPGG verweist. Damit sind auch im gerichtlichen Pflegegeldverfahren primär die ehemaligen Pflegepersonen, dann die Träger der seinerzeitigen Pflegekosten (jeweils "Überwiegen" vorausgesetzt) und erst danach Nachlaß bzw Erben antragsberechtigt (vgl Pfeil, Bundespflegegeldgesetz 191). Der gemäß § 164 ZPO behufs Erwirkung der Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erforderliche Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Rechtssache zur Zeit des Eintritts des Unterbrechungsgrundes anhängig war (§ 165 Abs 1 ZPO). Wenn die Unterbrechung während des dem Rechtsmittelverfahren vorangehenden Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz eintritt, also noch bevor dieses die Akten dem Rechtsmittelgericht vorgelegt hat, ist der Antrag beim Erstgericht einzubringen, weil bei diesem die Sache beim Tod des Klägers anhängig war. Die Entscheidung über den Antrag erfolgt ohne vorhergehende mündliche Verhandlung; im Zweifelsfall ist über den Antrag eine Verhandlung anzuberaumen oder der Antragsteller zu vernehmen (§ 165 Abs 2 und 3 ZPO). Das Gericht darf über ein nach Eintritt der Unterbrechung eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen wurde, nicht mehr meritorisch entscheiden (Kuderna ASGG 493 Anm 4 zu § 76).

Das Gericht muß jedenfalls über die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens einen ausdrücklichen Beschluß fassen, da § 166 ZPO einerseits von einer Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag (Abs 2) und andererseits von Beschlüssen spricht, durch welche einem Aufnahmeantrag stattgegeben oder das Verfahren von amtswegen aufgenommen wird (vgl die Judikaturnachweise bei Gitschthaler in Rechberger ZPO § 166 Rz 5).

Die Akten waren daher dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückzustellen, über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden und insbesondere dabei zu prüfen, ob der nunmehrigen Klägerin die Bezugsberechtigung im Sinne des § 19 BPGG zukommt.

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