12Os3/97 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Torpier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** wegen § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB, AZ 17 Vr 1735/95 des Landesgerichtes Linz, über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 12. August 1996, AZ 7 Bs 222,223/96, 7 Ns 71/96, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Beschuldigten und des Verteidigers Dr. Paller zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 12. August 1996, AZ 7 Bs 222,223/96; 7 Ns 71/96, verletzt, soweit die Beschwerde des Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** gegen den Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 1. Juli 1994 auf Einleitung der Voruntersuchung als unzulässig zurückgewiesen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 92 Abs 3 StPO.
Der bezeichnete Beschluß wird in diesem Umfang aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr.Wilhelm P***** gegen den Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung aufgetragen.
Text
Gründe:
Gegen Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** wurde mit (über Antrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 15. Juni 1994 ergangenem) Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 1. Juli 1994, AZ 19 Vr 654/94, die Voruntersuchung wegen § 297 Abs 1 StGB eingeleitet (Seite 1 b vo des AV-Bogens) und diese - nach Delegierung der Strafsache - beim Landesgericht Linz zum AZ 17 Vr 1735/95 weitergeführt. Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 8. September 1995 wurde die Voruntersuchung auf weitere, in Richtung des § 297 Abs 1 StGB zu beurteilende Sachverhalte ausgedehnt. Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz verkündete Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** anläßlich der gerichtlichen Einvernahme am 11. Dezember 1995 diese beiden Beschlüsse. Im Protokoll hielt er allerdings zunächst irrtümlich fest, daß "der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 15. Juni 1993 auf Einleitung der Voruntersuchung wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie die Ausdehnungsbeschlüsse vom 1.Juli 1994 sowie vom 8. September 1995 des Landesgerichtes Linz" verkündet worden seien (S 259 in ON 41); er berichtigte diesen Irrtum erst mit Beschluß vom 2. Mai 1996 (ON 52).
In seiner am 12. Dezember 1995 beim Landesgericht Linz eingelangten Eingabe (ON 43) erhob der Beschuldigte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die ursprüngliche (unrichtige) Protokollfassung ua "Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluß 15.Juni 1993, Einleitung der Voruntersuchung" und gegen die "Ausdehnungsbeschlüsse" vom 1. Juli 1994 und 8. September 1994 "in eventu" (d.h. für den Fall ihrer - von ihm angezweifelten - Existenz) und unter Vorbehalt der "genaueren Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Zustellung". Diese Anfechtungserklärungen wiederholte er (ua) auch in dem (nach Zustellung der Ausfertigungen der Beschlüsse vom 1. Juli 1994, ON 49, und vom 8. September 1994, ON 50, sowie des Berichtigungsbeschlusses ON 52) unmittelbar beim Oberlandesgericht Linz eingebrachten Schriftsatz vom 9. Juni 1996 (ON 53).
Das Oberlandesgericht Linz wies mit (auch weitere Entscheidungen betreffendem) Beschluß vom 12. August 1996, AZ 7 Bs 222,223/96, 7 Ns 71/96, die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß vom 1. Juli 1994 als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, daß sich aus dem Inhalt des Beschuldigtenprotokolles vom 11. Dezember 1995 kein Hinweis darauf ergebe, daß der Beschuldigte gegen die Beschlüsse auf Einleitung und Ausdehnung der Voruntersuchung sofort Beschwerde erhoben hätte. In seiner Eingabe vom 11. Dezember 1995 (ON 43) sei "die Zustellung der Ausdehnungsbeschlüsse, in eventu Nichtigkeitsbeschwerde" beantragt worden. Das (bloße) Verlangen auf Zustellung einer Beschlußausfertigung vermöge aber die bereits durch die mündliche Verkündung am 11. Dezember 1995 in Gang gesetzte Rechtsmittelfrist nicht zu verlängern, sodaß die Beschwerde (vom 9. Juni 1996) verspätet sei. Auf die Beschwerdeerhebung in der Eingabe vom 11. Dezember 1995, die ausdrücklich (wenn auch mit unrichtiger Datumsangabe) gegen die Einleitung der Voruntersuchung gerichtet ist, ging das Oberlandesgericht Linz dabei nicht ein.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, steht der bezeichnete Beschluß des Oberlandesgerichtes, soweit damit die Beschwerde des Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 1. Juli 1994 auf Einleitung der Voruntersuchung als unzulässig zurückgewiesen wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Entscheidungen des Untersuchungsrichters über die Einleitung der Voruntersuchung unterliegen der Anfechtung der Parteien beim Gerichtshof zweiter Instanz (§ 92 Abs 3 StPO). Die am 12. Dezember 1995 - somit innerhalb der vierzehntägigen Beschwerdefrist des § 92 Abs 3 StPO - beim Erstgericht eingelangte Eingabe des Beschuldigten läßt unzweifelhaft seinen gegen den ihm am Vortag verkündeten Einleitungsbeschluß gerichteten Anfechtungswillen erkennen; hierauf hat das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung nicht Bedacht genommen. Die als rechtzeitig zu beurteilende Beschwerde des Dipl.Ing.Dr.Wilhelm P***** wäre daher einer sachlichen Prüfung zu unterziehen gewesen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher der bekämpfte Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und insoweit die Erneuerung des Beschwerdeverfahrens anzuordnen.