JudikaturOGH

8ObA1/97y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen gemäß § 11a Abs 3 iVm Abs 1 Z 3 ASGG durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erna G*****, vertreten durch Mag.Ursula Strohmayer, Kammerangestellte in Graz, wider die beklagte Partei Verein H*****, vertreten durch den Obmann DI Michael S*****, dieser vertreten durch Dr.Guido Held und Mag.Gottfried Berdnik, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 100.542,02 brutto sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Oktober 1996, GZ 8 Ra 196/95x-13, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.Jänner 1996, GZ 32 Cga 5/96w-4, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zutragen.

Text

Begründung:

Nach Zustellung der Klage an eine zu deren Empfangnahme - weil bloß Dienstnehmer des beklagten Vereins - nicht berechtigte Person erging in der Tagsatzung vom 24.1.1996 ein Versäumungsurteil gemäß § 396 ZPO. Dessen Ausfertigung wurde am 20.2.1996 von einem (anderen) Dienstnehmer der beklagten Partei übernommen.

Am 18.6.1996 überreichte der Beklagtenvertreter eine Berufung, mit der ausschließlichen Nichtigkeit - wegen gesetzwidriger Zustellung der Klageschrift, der Ladung zur Tagsatzung und des Versäumungsurteiles - geltend gemacht und die Aufhebung des Versäumungsurteiles, verbunden mit dem Auftrag der neuerlichen Zustellung von Klage und Ladung, begehrt wird.

Die Erhebungen im Sinn des § 473 Abs 2 ZPO ergaben, daß der Obmann des beklagten Vereins, DI Michael S*****, sein Büro nicht an dessen Anschrift, sondern schräg gegenüber hat. Im ständig besetzten Lokal der beklagten Partei sind drei Dienstnehmer beschäftigt. Der Vereinsobmann erscheint mindestens jeden zweiten Tag, um wichtige Schriftstücke zu unterfertigen. Poststücke ohne Angabe einer natürlichen Person als empfangsberechtigt, daher auch die gegenständliche Klage, werden vom Angestellten Klaus E***** durchgesehen und sortiert. Dieser hat auch den Auftrag, rechtlich bedeutsame Schriftstücke, mit denen sich der Obmann nicht befassen kann oder will, dem Beklagtenvertreter (im angefochtenen Beschluß unrichtig: dem Klagevertreter) zu übermitteln. Es ist aber davon auszugehen, daß Klaus E***** dem Obmann von der vorliegenden Klage unverzüglich nach ihrer Zustellung Mitteilung gemacht hat.

Aufgrund dieses Sachverhaltes wies das Berufungsgericht die Berufung zurück; es ging davon aus, daß die Zustellung der Klage zwar nicht dem Gesetz entsprochen habe, die Zustellung des Versäumungsurteiles am 20.2.1996 durch Aushändigung an eine Dienstnehmerin der beklagten Partei jedoch gemäß § 16 Abs 1 ZustG zulässig gewesen sei, weil sich der Obmann der beklagten Partei regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Die erst am 18.6.1996 getätigte Überreichung der Berufung sei daher verspätet. Eine allenfalls bei der Klagezustellung unterlaufene Nichtigkeit könne nicht wahrgenommen werden, weil hiefür ein zulässiges Rechtsmittel Voraussetzung sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht ausschließlich geltend, daß die Ersatzzustellung ungültig sei, weil der Obmann der beklagten Partei nur vorübergehend an der Abgabestelle anwesend sei. Voraussetzung einer Ersatzzustellung im Sinn des § 16 Abs 1 ZustG sei aber, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte; dies sei nur dann der Fall, wenn er sich - von periodischen, aber relativ kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen - immer dort aufhalte.

Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Folgte man ihr, könnten der beklagten Partei Schriftstücke durch Ersatzzustellung überhaupt nicht zugestellt werden, weil das vertretungsbefugte Organ zwar regelmäßig an die Abgabestelle kommt, sich aber überwiegend in seinem schräg gegenüber gelegenen Büro aufhält. Entscheidend für eine gültige Ersatzzustellung ist aber nach ständiger Rechtsprechung (SZ 57/141; 60/226 ua) nicht die Dauer des Aufenthaltes an der Abgabestelle, sondern daß der Empfänger bzw bei juristischen Personen sein Vertretungsorgan regelmäßig an die Abgabestelle zurückkehrt. Dies ist hier der Fall, weil der Obmann der beklagten Partei mindestens jeden zweiten Tag in das Büro der beklagten Partei kommt und daher ausreichend Gelegenheit hatte, von der Ersatzzustellung rechtzeitig Kenntnis zu erlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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