12Os166/96 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan G***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Stefan G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.September 1996, GZ 3 a Vr 3341/96-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Stefan G***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Stefan G***** wurde (II 2) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB sowie der Vergehen (I 1 a und b) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, (I 2) der versuchten Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 289 StGB sowie (II 1) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in Wien in der Nacht zum 19.März 1996 bzw am 19.März 1996 (I) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der Mitangeklagten Birgit G***** die Virginia S***** (1) mit Gewalt bzw durch gefährliche Drohung zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen zu nötigen versucht, nämlich (a) durch Versetzen von Schlägen und Tritten zur Abstandnahme von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Kellnerin in der von den Angeklagten geführten Bar (b) durch die Äußerungen, sie gehe "meier", sie werde niedergeschlagen, es werde ihr jemand geschickt, der sie niederschlage, sohin durch sinngemäße Androhungen von zumindest Verletzungen am Körper, zu einer falschen Aussage vor einer Verwaltungsbehörde; (2) durch die zu I 1 b angeführten Äußerungen zu einer strafbaren Handlung, nämlich zur falschen Aussage vor einer Verwaltungsbehörde, dem Bezirkspolizeikommissariat Margareten, bei ihrer förmlichen Aussage als Zeugin im Zusammenhang mit den von Birgit und Stefan G***** in der Nacht zum 19.März 1996 gesetzten Tathandlungen, zu bestimmen versucht, indem sie Virginia S***** zur wahrheitswidrigen Bestätigung einer entlastenden Alibiversion sowie dazu aufforderten, die von Horst K***** erlittene Stichverletzung einem unbekannten Lokalgast zuzuordnen; (II 1) Horst K***** durch einen Messerstich in die Innenseite des rechten Oberarms eine an sich schwere Verletzung (Durchtrennung von Sehnen, Nerven sowie der Armschlagader) zugefügt; (II 2) Virginia S***** mit Gewalt, indem er sie durch Drücken des Unterarms gegen ihren Hals auf dem Bett niederhielt, zur Duldung des Beischlafs und des gewaltsamen Einführens einer Flasche in ihre Scheide genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) beschränkt sich auf den Versuch, die - detaillierte, sämtliche wesentlichen Verfahrensergebnisse mitberücksichtigende und mit den Denkgesetzen insgesamt nachvollziehbar im Einklang stehende - tatrichterliche Beweiswürdigung zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung (II 2) in Frage zu stellen. Dabei trifft es - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - keineswegs zu, daß sich das Erstgericht bei der Würdigung der Angaben der tatbetroffenen Zeugin Virginia S***** von bloßen Vermutungen zu Lasten des Angeklagten leiten ließ. Da den Urteilsgründen insbesondere jene - an einschlägiger forensischer Erfahrung orientierten - Erwägungen zu entnehmen sind, aus denen der Hauptbelastungszeugin eine mit ihrer grundsätzlichen Glaubwürdigkeit durchaus vereinbare Scheu vor einer von Anfang an vorbehaltlosen Belastung des Angeklagten G***** sowie vor einer amtsärztlichen Objektivierung allfälliger Verletzungsspuren im Genitalbereich eingeräumt wurde (US 21 ff), kann von einer in diesem Zusammenhang unzureichenden Begründung der auf die Angaben der Zeugin S***** gestützten Tatsachengrundlagen des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung keine Rede sein.
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) eine Überprüfung der Aussage der Zeugin S***** vermißt, wonach ein von ihr privat aufgesuchter Gynäkologe eine Kratzwunde im Vaginalbereich festgestellt hätte, genügt der Hinweis darauf, daß eine entsprechende Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung weder beantragt wurde noch vor dem Hintergrund der nach dem Kontext der erzielten Verfahrensergebnisse insgesamt gegebenen Beweissituation als unabdingbar sachdienlich indiziert war. Nicht anders verhält es sich mit der Durchführung einer Hausdurchsuchung in der (weder zwangsläufig noch sonst plausibel tatbedingt veränderten) Wohnung des Angeklagten, deren Unterbleiben nach der Erstbezichtigung des Angeklagten wegen Vergewaltigung sinngemäß als weitere Vernachlässigung vermeintlich bedeutender Beweisquellen gerügt wird. Beide Einwände erweisen sich als nicht geeignet, Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Grades - gegen die Richtigkeit der Tatsachengrundlagen des in Rede stehenden Schuldspruchs auszulösen.
Die Rechtsrügen verfehlen durchwegs eine prozeßordnungsgemäße Darstellung der geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe, weil sie ohne Ausnahme die dazu gebotene umfassende Orientierung an den tatrichterlichen Feststellungen vermissen lassen. Dies gilt zunächst für den das Faktum II 1 (schwere Körperverletzung) betreffenden Einwand von Feststellungsmängeln zur Wissenskomponente des nach § 84 Abs 1 StGB tatbestandsgemäßen Tätervorsatzes (Z 9 lit a). Geht doch das angefochtene Urteil dazu unmißverständlich davon aus, daß der Angeklagte G*****, dem es (sogar) "darauf ankam, Horst K***** eine Verletzung zuzufügen", sich mit dem inkriminierten Verletzungserfolg nicht nur abfand, sondern ihn auch "ernstlich für möglich hielt" (US 29).
Jene Verfahrensergebnisse hinwieder, die in der Beschwerde als vermeintlich faßbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Stefan G***** zuzubilligenden Notwehrsituation bzw für deren dem Angeklagten nicht vorwerfbar unterlaufene irrtümliche Annahme (Z 9 lit b) reklamiert werden (Alkoholisierung des Horst K*****, Auffindung eines von der Tatwaffe verschiedenen Messers, Beschränkung der optischen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Angeklagten infolge des von seiner Ehegattin eingesetzten Tränengassprays), wurden vom Erstgericht - soweit überhaupt ein nachvollziehbarer Sachbezug vorlag - ohnedies in die entscheidungstragenden Erwägungen miteinbezogen. Die nunmehr erstmals in der Beschwerdeargumentation relevierte Variante einer bloß irrtümlichen Annahme einer Notwehrsituation schließlich läßt die eigene Verantwortung des Beschwerdeführers unberücksichtigt, der sich durchwegs ausdrücklich auf eine angeblich offene Attacke des Zeugen K***** mit einem Messer berief und solcherart selbst jedweden denklogischen Freiraum für solche Komponenten des Tatgeschehens ausschloß, die eine Beurteilung nach § 8 StGB nahelegen könnten.
Die teils nicht gesetzmäßig ausgeführte, teils offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO).
Über die vom Angeklagten außerdem erhobene Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.