13Os125/96 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann G***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 20.Dezember 1995, GZ 19 Vr 573/93-140, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann G***** - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG (I) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 4, 5 und 6 SGG (IV b) deshalb schuldig erkannt, weil er
(zu I) in der Zeit von Sommer 1990 bis Ende Juni 1992 gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, deren Weitergabe geeignet war, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, dadurch in Verkehr gesetzt hat, daß er im Raum Mürzzuschlag und Strallegg sowie anderen Orten vom gesondert verfolgten Kurt M***** in einer Menge von zumindest 1.500 Gramm und von unbekannt gebliebenen Personen in einer Menge von 100 Gramm erworbenes Cannabisharz weiterverkaufte und
(zu IV b) von Ende 1991 bis Mai 1992 von Kurt M***** 1,5 Gramm Kokain erworben hat.
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der indes keine Berechtigung zukommt.
In der Hauptverhandlung vom 20.Dezember 1995 hatte die Verteidigung unter Bezugnahme auf einen schriftlichen Beweisantrag vom 9.Jänner 1995 (ON 100) die Vernehmung des Vorsitzenden und des beisitzenden Richters als Zeugen zum Beweis dafür beantragt, daß Kurt M***** als Angeklagter in dem gegen ihn gesondert geführten Strafverfahren AZ 19 Vr 261/92 in der Hauptverhandlung vom 23.März 1994, an der die beiden Richter (neben zwei, im Antrag unerwähnt gebliebenen Schöffen) mitgewirkt hatten und in der M***** den Angeklagten eindeutig belastet hatte, unter schwerstem seelischen und psychischen Druck gestanden und aus diesen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, wichtige, der Wahrheit entsprechende Angaben zu machen. Zugleich wurde zum selben Beweisthema auch die Vernehmung eines psychiatrischen Sachverständigen beantragt (S 257/III), dies aber in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht mehr (gesondert) aufgegriffen.
Rechtliche Beurteilung
In der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Angeklagte gegen die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der beiden Richter mit dem Vorbringen, der Schöffensenat hätte über diesen Antrag nicht selbst entscheiden dürfen, vielmehr wäre dafür der Präsident des Landesgerichtes zuständig gewesen.
Darin ist dem Beschwerdeführer jedoch nicht zu folgen.
Die ersichtlich unter Bezugnahme auf § 74 StPO relevierte Entscheidungskompetenz des Präsidenten des Landesgerichtes ist (außer über die Zulässigkeit eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrages) nur bei Vorliegen von Ausschlußgründen vorgesehen. Der ausgeschlossene Richter ist gemäß § 71 StPO verpflichtet, sich von dem Zeitpunkt, in dem ihm der Ausschließungsgrund bekannt geworden ist, (außer bei Gefahr im Verzug) aller gerichtlichen Handlungen bei sonstiger Nichtigkeit zu enthalten (§§ 71 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 1 StPO) und das Verhältnis, das den Grund seiner Ausschließung bildet, unverzüglich dem Vorsteher des Gerichtes anzuzeigen, dessen Mitglied er ist (§ 70 Abs 1 StPO), der nur in diesem Fall hierüber gemäß § 22 GOG (iVm § 74 StPO) zu entscheiden hat.
Das Beschwerdevorbringen wäre aber auch unter dem Gesichtspunkt des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 1 StPO verfehlt. In Betracht käme lediglich der - rügepflichtige - Ausschließungsgrund des § 68 Abs 1 Z 1 StPO, der dann gegeben ist, wenn der Richter außerhalb seiner Dienstverrichtung Zeuge der in Frage stehenden Handlung war oder in der Sache als Zeuge vernommen worden ist oder vernommen werden soll. Umstände, die das Verhalten einer Person in einem Verfahren betreffen, sind den daran mitwirkenden Richtern nicht außerhalb ihrer Dienstverrichtung zur Kenntnis gelangt, sondern betreffen Wahrnehmungen im Rahmen ihrer richterlichen Tätigkeit und vermögen deshalb diesen Ausschließungsgrund nicht herzustellen. Andernfalls stünde es den Parteien frei, einen zur Entscheidung berufenen Richter allein durch den Antrag, ihn über einen prozessualen (oder anderen mittelbar oder unmittelbar mit der Durchführung eines Strafverfahrens zusammenhängenden) Umstand als Zeugen zu vernehmen, von der Entscheidung auszuschließen, was mit den Intentionen des Gesetzgebers (vgl hiezu §§ 193, 199 Abs 2 letzter Halbsatz, 248 Abs 1 StPO) nicht vereinbar wäre (11 Os 184/85). Davon abgesehen stünden der Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes im Hinblick auf die Unterlassung einer unverzüglichen Rüge auch Gründe des Prozeßrechtes entgegen.
Die Abweisung des Beweisantrages erfolgte aber auch in der Sache zu Recht. Die nervliche Anspannung anläßlich seiner eigenen Verhandlung am 23.März 1994 hat M***** selbst angegeben, was von den Tatrichtern als nachvollziehbar und damit keines weiteren Beweises bedürftig erachtet wurde (US 24). Ob er aber in diesem Zustand, "weil er im Falle eines nicht lückenlosen Geständnisses eine noch höhere Freiheitsstrafe zu erhalten befürchtete" (Beweisantrag ON 100), die Wahrheit ausgesagt hat, kann keinesfalls Gegenstand einer Zeugenaussage sein, sondern unterliegt der Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben aber seine Aussage aus allen relevanten Blickrichtungen, so auch unter Beachtung etwaiger Vor- und Nachteile einer stärkeren Belastung des Angeklagten durch M*****, umfassend gewürdigt. Dem vermochte die Beschwerde mit der eine unzulässige, im übrigen aber unerhebliche Neuerung darstellenden Vorlage eines Schreibens des Kurt M***** nichts Substantielles entgegenzusetzen.
Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf die vom Schöffengericht vermutete Verzögerungsmotivation für die Stellung des Beweisantrages bezieht, war darauf nicht mehr einzugehen.
Aber auch der behauptete Begründungsmangel (Z 5) haftet dem Urteil nicht an. Abgesehen davon, daß sich der Angeklagte, der des Erwerbs von (nur) 1,5 Gramm Kokain von M***** schuldig erkannt worden war, nicht beschwert erachten könnte, wenn ihm in den Entscheidungsgründen der Erwerb von 300 Gramm zur Last gelegt worden wäre, trifft letzteres gar nicht zu. Die diesbezügliche, aus dem Zusammenhang gelöste Passage betrifft nämlich nur die Darlegung, weshalb M***** ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht zuerkannt wurde, während sich die entscheidungswesentliche Urteilsannahme auf das im Verfahren 19 Vr 261/92 ergangene rechtskräftige Urteil stützt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.