2Ob2374/96y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr.Christian Függer, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Versicherung*****, vertreten durch Dr.Günther Klepp und Mag.Dr.Peter Nöbauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 120.980,40 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5.September 1996, GZ 6 R 128/96b-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.April 1996, GZ 5 Cg 121/95d-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten USt von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 10.9.1994 ereignete sich auf der N*****-Landesstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker eines Motorrades und Josef O***** als Lenker eines vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Post- und Telegraphenverwaltung, gehaltenen Postautobusses beteiligt waren. Der Postomnibus war zum Zeitpunkt des Unfalls bei der beklagten Partei haftpflichtversichert.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage den Ersatz von Personen und Sachschäden in der Höhe des Klagsbetrags.
Die beklagte Partei wendet unter anderem ein, daß die Klage gegen sie ausgeschlossen sei, weil der Postomnibus von der in § 59 Abs 1 KFG angeführten Versicherungspflicht ausgenommen sei. Für das Fahrzeug sei nur eine freiwillige Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden; für derartige Versicherungsverträge sei die Bestimmung des § 26 KHVG (direktes Klagerecht) nicht anwendbar.
Das Erstgericht wise das Klagebegehren ab, wobei es den näheren Hergang des Unfalles feststellte.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß Fahrzeuge im Besitz des Bundes gemäß § 59 Abs 2 KFG von der in Abs 1 angeführten Versicherungspflicht ausgenommen seien. Im Falle einer freiwilligen Versicherung bestehe aber nach § 22 KHVG kein direktes Klagerecht gegen den Versicherer.
Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß es die Klagsforderung mit S 60.490,20 feststellte, die Gegenforderung mit S 8.144,50 und daher die beklagte Partei verurteilte, dem Kläger den Betrag S 52.345,70 sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von S 68.634,70 sA wurde abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
Das Berufungsgericht bejahte, entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes, ein direktes Klagerecht gegen die beklagte Versicherung. Es führte dazu aus, das direkte Klagerecht des Geschädigten gegen den Versicherer sei in § 22 Abs 1 KHVG 1987 geregelt gewesen. Nach dieser Bestimmung habe nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Falle einer freiwilligen Versicherung nach § 59 Abs 2 KFG (für Fahrzeuge der öffentlichen Hand) kein direktes Klagerecht gegen den Versicherer bestanden (ZVR 1993/112; ZVR 1994/15). Ein Omnibus der ÖPT falle auch unter die in § 59 Abs 2 KFG aufgezählten Fahrzeuge (ZVR 1994/15).
Am 1.9.1994 sei aber das KHVG 1994 in Kraft getreten. Aufgrund des § 1 KHVG 1994 bestehe wiederum das nunmehr in § 26 KHVG 1994 normierte direkte Klagerecht gegen den Versicherer auch im Rahmen der freiwilligen Versicherung von Fahrzeugen der öffentlich rechtlichen Gebietskörperschaften des § 59 Abs 2 KFG (Messiner, Das Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 (KHVG), ZVR 1995, 35, 41; Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 436). Der Unfall habe sich am 10.9.1994 ereignet. Das KHVG 1994 sei nach der generellen Übergangsbestimmung des § 34 Abs 1 am 1.9.1994 in Kraft getreten, nach Abs 2 dieser Bestimmung sei mit Ablauf des 31.8.1994 das KHVG 1987 außer Kraft getreten. Mit diesem Zeitpunkt hätten daher auch die §§ 1 und 26 KHVG 1994 die früheren Bestimmungen des KHVG 1987 abgelöst. § 26 KHVG 1994 sei ohnedies inhaltlich identisch mit § 22 Abs 1 KHVG 1987. Die Ansicht der beklagten Partei, aus § 36 Abs 1 KHVG, nach welcher Bestimmung sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Versicherungsverträge insoferne ändern, als sie den Bestimmungen des zweiten Abschnittes nicht entsprechen, und aus § 37 Abs 1 KHVG 1994, wonach die §§ 11 bis 17, 23 und 24 auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Versicherungsverträge gelten, sei der Umkehrschluß zu ziehen, daß die nicht erwähnte Bestimmung des § 26 KHVG 1994 für bereits bestehende, freiwillige Haftpflichtversicherungsverträge nicht gelte, überzeuge nicht. Die genannten Übergangsbestimmungen würden lediglich die Möglichkeit der Anpassung von bestehenden Versicherungsverträgen an das KHVG 1994 und die Auswirkungen darauf behandeln und seien aufgenommen worden, um allfällige verfassungsrechtliche Bedenken auszuschalten (Messiner aaO 42). Die Änderung des § 1 KHVG, mit der iVm § 26 KHVG 1994 das direkte Klagerecht gegen den Versicherer ermöglicht worden sei, greife aber nicht in den Inhalt des Versicherungsvertrages ein, wie dies durch die Bestimmungen des zweiten, dritten und auch vierten Abschnittes des KHVG 1994 geschehe. Es habe daher bei der allgemeinen Übergangsbestimmung des § 34 Abs 1 und 2 KHVG 1994 zu bleiben, sodaß auf den vorliegenden Verkehrsunfall vom 10.9.1994 das KHVG 1994 anzuwenden und die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer zulässig sei.
Im übrigen vertrat das Berufungsgericht, ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes die Ansicht, eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 sei gerechtfertigt.
Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil zur Auslegung der Übergangsbestimmungen des KHVG 1994 eine Rechtsprechung nicht vorliege.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei, mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehen abgewiesen werde.
Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei weist in ihrem Rechtsmittel darauf hin, daß der Fahrzeughalter, nämlich das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Post- und Telegraphenverwaltung, bereits vor dem Inkrafttreten des KHVG 1994 eine privatrechtlichen Haftpflichtversicherungsvertrag mit ihr abgeschlossen habe. Dieser Haftpflichtversicherungsvertrag habe damals den Rahmenbedingungen, vorgegeben durch das KHVG 1987, entsprochen. Durch das Inkrafttreten des KHVG 1994 sei nunmehr wiederum ein direktes Klagerecht gewährt worden, wobei sich diese Bestimmung nur auf privatrechtliche Versicherungsverträge beziehen könne, welche nach dem 1.9.1994 abgeschlossen wurden. Würde man das direkte Klagerecht auch auf "Altverträge" anwenden, so würde dieses Gesetz auf bestehende Vertragsverhältnisse zum Nachteil der Versicherungsunternehmungen einwirken, in dem diese nunmehr selbst geklagt werden können. Die Rückwirkung von Gesetzen werde aber grundsätzlich duch § 5 ABGB verwehrt. § 5 ABGB sei aber nur eine im Zweifel geltende Regel, die durch jede Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden könne. § 34 KHVG 1994 sei lediglich eine lex generalis. Lex specialis sei § 36 leg cit, wonach sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Versicherungsverträge ändern, insoweit sie den Bestimmungen des zweiten Absatzes nicht entsprechen. Das direkte Klagerecht sei aber nicht im zweiten Abschnitt des KHVG 1994 geregelt, sodaß aus dieser Bestimmung noch nichts für die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gewonnen sei. Lex specialis sei weiters die Bestimmung des § 37 Abs 1 leg cit, wonach die §§ 11 bis 17, 23 und 24 auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Versicherungsverträge gelten. Aus dieser Bestimmung sei der Umkehrschluß zu ziehen, daß der nicht erwähnte § 26 KHVG 1994 nicht für bereits bestehende freiwillige Haftpflichtversicherungsverträge gelte.
Diese Argumente der beklagten Partei wurden bereits vom Berufungsgericht mit zutreffender Begründung, widerlegt, sodaß auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß es durch die Einführung des direkten Klagerechtes nicht zu einem Eingriff in bestehende Versicherungsverträge kommt. Es kann auch durch die Einführung des direkten Klagerechtes die beklagte Versicherung nicht zu weiteren Leistungen verpflichtet werden, als sie sie ohnehin aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrages zu erbringen hat. Es ist daher aus der Bestimmung des § 36 Abs 1 KHVG 1994, wonach sich bestehende Versicherungsverträge zum 1.9.1994 ändern, insoweit sie den Bestimmungen des zweiten Abschnittes nicht entsprechen, für den gegenständlichen Rechtsfall nichts zu gewinnen, weil sich der zweite Abschnitt des KHVG auf den Inhalt der Versicherungsverträge bezieht. Auch die in § 37 Abs 1 KHVG 1994 zitierten §§ 11 bis 17, 23 und 24 betreffen im wesentlichen den Inhalt der bestehenden Versicherungsverträge, sodaß auch aus dieser Bestimmung ein Umkehrschluß dahingehend, daß auf vor dem 1.9.1994 abgeschlossene Versicherungsverträge das Direktklagerecht nicht anzuwenden sei, nicht gezogen werden kann. Es hat daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei der allgemeinen Übergangsbestimmung des § 34 Abs 1 KHVG zu bleiben, sodaß der unberechtigten Revision der beklagten Partei ein Erfolg zu veragen war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.