JudikaturOGH

9ObA2243/96k – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich und Hofrat Robert List als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der Angestellten der A***** AG, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Waldhof und Dr.Thomas Praxmarer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***** AG, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Revisionsinteresse S 150.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Juni 1996, GZ 15 Ra 72/96t-14, womit infolge Berufung beider Parteien das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.Jänner 1996, GZ 43 Cga 255/95v-6, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

6.975 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung der Punkte IV B Z 2, 3, 4; XXII Z 4, 8 und 9 des Kollektivvertrages für Arbeitnehmer der Straßengesellschaften in Österreich durch das Berufungsgericht ist richtig. Es genügt daher, auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Da bei der Beklagten Mautner beschäftigt sind, mit denen ein fixes Schichtrad vereinbart ist und andererseits mit anderen Personen und Mautnern ein anderer Schichtdienst mit Zwischenschichten vereinbart ist, der von der im Kollektivvertrag angeführten Schichteinteilung (Frühschicht 6,00 Uhr bis 14,00 Uhr, Nachmittagsschicht 14,00 Uhr bis 22,00 Uhr, Nachtschicht 22,00 Uhr bis 6,00 Uhr) abweicht und sie so immer verwendet werden, haben die Vorinstanzen mangels einer kollektivvertraglich bindenden Regelung zutreffend zwei Arten von einzelvertraglichen Schichtdienstregelungen zugrunde gelegt, die aber auch, ohne ein aliud zu bewirken, als Minus im Spruch der Entscheidung zu berücksichtigen waren.

Der Kollektivvertrag behält die Festsetzung des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit, der Dauer und Lage der Arbeitspausen und Verteilung der Arbeitszeit im Schichtdienst auf die einzelnen Wochentage einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung vor und schlägt nur für diesen Fall eine generelle Schichtverteilung in der oben angeführten Art, wie sie ohnehin mit einzelnen Bediensteten der Beklagten einzelvertraglich festgelegt ist, vor.

Der Kollektivvertrag enthält daher bloß eine Empfehlung zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und Schichtdienste und regelt diese selbst nicht. Daß Schichten generell in den im Kollektivverrtag in einzelnen angeführten Zeiten verteilt werden sollen, steht daher einer anderen Verteilung durch den Einzeldienstvertrag mangels einer kollektivvertraglichen Regelung oder einer solchen durch Betriebsvereinbarung nicht entgegen, weil eine Betriebsvereinbarung nicht zustandekam. Da sohin der Kollektivvertrag nur eine unverbindliche Empfehlung enthält, braucht nicht untersucht zu werden, inwieweit vom Kollektivvertrag abweichende Sonderregelungen im Sinne des § 3 Abs 1 ArbVG geschlossen werden dürfen. Die Frage, inwieweit Kollektivvertragspartner den Inhaltsnormen des Kollektivvertrages auch nur dispositive Wirkung verleihen können, die in der Lehre umstritten ist (Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, FS Strasser, 367 ff; Tomandl, Dispositive Kollektivvertragsbestimmungen in Österreich FS Floretta, 639 ff; krit. Grillberger WBl 1989, 191; DRdA 1991/50 [krit. Jabornegg] = ZAS 1991/10 [krit. Resch]; WBl 1996, 369) kann daher dahingestellt bleiben. Es war daher zulässig, eine vom unverbindlichen Schichtvorschlag des Kollektivvertrages abweichende Regelung zu vereinbaren, soferne nicht zwingende Arbeitszeitvorschriften verletzt werden. Da keine kollektivvertragliche Regelung besteht, liegt auch kein Hindernis vor, außertourliche Schichten unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 4a AZG in bestimmten Ausnahmefällen zu vereinbaren. Punkt IV B Z 4 des Kollektivvertrages nimmt dabei auf diese zwingende gesetzliche Regelung insofern Bedacht, als Dienstnehmer maximal zweimal pro Monat in bestimmten Fällen zu außertourlichen Schichten herangezogen werden können, soferne die Ausdehnung der Normalarbeitszeit in einzelnen Wochen nicht über 56 Stunden hinausgeht.

Liegt keine Vereinbarung einer außertourlichen Schicht vor, so kann der Dienstgeber im Sinne des Punktes IV B Z 4 des Kollektivvertrages in dort angeführten begründeten Einzelfällen im Rahmen der vereinbarten Schichtzeiten unabhängig vom Schichtregelungsvorschlag des Punktes IV B Z 3 des Kollektivvertrages den Dienstnehmer zu außertourlichen Schichten zusätzlich zu dem mit ihm vereinbarten individuellen Schichtdienst heranziehen, deren unterschreitbares Höchstausmaß aber das einer vereinbarten Schicht ist.

Daraus ergibt sich aber schon die Berechtigung der Abweisung des Teiles des Klagebegehrens, das eine Heranziehung dieser Dienstnehmer nur im Rahmen der Schichtregelung des Punktes IV B Z 3 zweiter und dritter Satz des Kollektivvertrages.

Da die Heranziehung zu außertourlichen Schichten nur ein Ausnahmefall bei Vorliegen bestimmter im Kollektivvertrag genannter Voraussetzungen ist, verstößt eine Vereinbarung außertourlicher Schichten als regelmäßiger Schichtdienst gegen den Kollektivvertrag. Dies hat aber nichts damit zu tun, daß beispielsweise der Mautner H*****, mit dem nicht das fixe Schichtrad vereinbart ist, im Rahmen der mit ihm getroffenen offenbar flexiblen Schichtvereinbarung auch zu anderen als dem im Punkt IV B Z 3 des Kollektivvertrages angeführten Schichten herangezogen wird, weil letztere eben nicht bindend geregelt sind.

Die Ausführungen der Revisionswerberin, daß das Berufungsgericht ein Klagebegehren, daß Arbeitnehmer, die mit Arbeiten im Freien (beim Schneefreimachen und Schneefreihalten) eingesetzt sind, die Winterzulagen erhalten, abgewiesen hat, gehen am Wortlaut des abgewiesenen Teiles des Klagebegehrens vorbei. Abgewiesen wurde lediglich ein Anspruch auf Winterzulage für alle Arbeiten im Freien, die mit der Ausführung eines Auftrages der Beklagten zum Schneefreimachen und Schneefreihalten verbunden sind. Die eigentlichen Arbeiten beim Schneefreimachen und Schneefreihalten sind ungeachtet des von der klagenden Partei gewählten mißverständlichen Wortlautes des Klagebegehrens davon nicht umfaßt und waren im Hinblick auf den diesbezüglich völlig eindeutigen Wortlaut des Kollektivvertrages auch nicht strittig.

Infolge des klaren Wortlautes des Kollektivvertrages, der nur Arbeiten beim Schneefreimachen und Schneefreihalten als zulagenpflichtig ansieht, im Zusammenhang mit der im Punkt XXII Z 9, 10 geregelten allgemeinen Zulage für außerordentliche Erschwerungen zB bei Lärm-, Geruchs-, Hitze-, Kälte-, Schmutz- oder Staubeinwirkung ist es zutreffend, daß die im Punkt XXII Z 4 des Kollektivvertrages nicht genannten anderen Arbeiten als die "beim Schneefreimachen und Schneefreihalten", wozu auch die von der Klägerin im Feststellungsbegehren genannten gehören, auch nicht im Interpretationswege zu zulagenpflichtigen werden können. Alle unter außerordentlichen Erschwernissen stattfindenden Arbeiten, die nicht beim Schneefreimachen und Schneefreihalten geleistet werden, sind vom Punkt XXII Z 9 umfaßt, so daß diese anderen Arbeiten unter eine normative Regelung fallen. Eine Grundlage für Gesetzesanalogie fehlt daher, weil kein ungeregelter Sachverhalt einer für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordneten Rechtsfolge gegenübersteht (Koziol/Welser, Grundriß10 I, 25). Wenn ein Arbeitgeber der nur aus zwei Mitgliedern bestehenden Kollektivvertragspartei die Zulagen auch auf die nunmehr nicht zulagenpflichtigen Arbeiten so gewährt, wie dies auch im Vorgängerbetrieb der Beklagten üblich war, so hat diese Übung bei einem anderen Arbeitgeber keine Auswirkungen auf den Betrieb des beklagten anderen Arbeitgebers. Eine frühere Übung ist auch infolge des Punktes 3.1. des Zuatzprotokolles zum Kollektivvertrag, der alle nichtkollektivvertraglichen Regelungen über Entlohnungen von Arbeiten unter besonderen Bedingungen als rechtsunwirksam erklärt und Leistungen dieser Art ausschließlich an die kollektivvertragliche Regelung bindet, nicht beachtlich. Auf eine nicht aus dem Kollektivvertragstext sich ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien, für bisher als zulagepflichtig entlohnte Arbeiten, die nach dem Text des Kollektivvertrages nicht mehr zulagepflichtig sind, dennoch weiterhin Zulagen zu gewähren, ist nicht Bedacht zu nehmen. (Arb 11.230, 11.278, RdW 1996, 175).

Der vom Berufungsgericht schon nach dem allgemeinen Begriffsverständnis vorgenommene Abgrenzung des im Kollektivvertrag enthaltenen Begriffes Tunnel und des Begriffes der Galerie vermag die Revisionswerberin nichts entgegenzusetzen. Ein nach allen Längsseiten abgeschlossener, mit einer Röhre vergleichbarer Tunnel ist einer Galerie auch dann nicht gleichzusetzen, wenn deren Abschnitte seitlich mit Glas, Holz etc verkleidet sind. Es kann nämlich nicht übersehen werden, daß eine Galerie nur nach drei Längsseiten geschlossen und es daher ohne Bedeutung ist, ob und wie die fensterartigen Öffnungen auf der vierten Längsseite verkleidet sind. Auch hier gilt, daß der nicht aus dem Text des Kollektivvertrages erkennbare Wille der Kollektivvertragsparteien, auch Arbeiten in Galerien zulagenpflichtig zu machen, unbeachtlich bleibt und solche Arbeiten nur dann gemäß § XXII Z 9 zulagepflichtig werden, wenn sie unter außerordentlichen Erschwernissen stattfinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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