JudikaturOGH

14Os131/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Rouschal, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas W***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 28. Mai 1996, GZ 15 Vr 153/96-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Schroll, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Resch zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas W***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 13.Dezember 1995 in St.Pölten als Beamter der dortigen Bundespolizeidirektion mit dem Vorsatz, andere an ihrem Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen (§ 87 SPG) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er ohne gesetzliche Voraussetzungen

1. Sorina N***** unter Vorweisung seiner Dienstkokarde zum Vorzeigen der Beschäftigungsbewilligung und des Reisepasses sowie

2. Helmut P***** zur Ausweisleistung

aufforderte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5 a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens zur Tatsachenrüge (Z 5 a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld vom Erstgericht zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen, wonach sich der Angeklagte zur Tatzeit in den Dienst stellte und hiebei stark betrunken, aber nicht voll berauscht (§ 287 Abs 1 StGB) war.

Der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr.P***** kam nur unter der vom Schöffengericht mit nachvollziehbarer Begründung abgelehnten (US 7) Prämisse, daß die Angaben vor der Polizei (S 35 ff) nicht der Erinnerung des Angeklagten entsprachen, zu dem Ergebnis, daß eine Volltrunkenheit "mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann".

Daß sich der Beschwerdeführer in den Dienst stellte, findet in der Aussage der Zeugin Sorina N***** (US 4 iVm S 60) aktenmäßige Deckung.

Dem Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), eine Amtshandlung "im engeren Sinn" habe nicht stattgefunden, weshalb die betroffenen Personen in ihrem subjektiven Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen nicht verletzt worden seien, ist zu erwidern, daß der Angeklagte als Kriminalbeamter (S 35 und 41) der Bundespolizeidirektion St.Pölten Angehöriger des Exekutivdienstes, damit Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs 2 Z 3 SPG) und als solches in abstracto zur Feststellung der Identität eines Menschen nach § 35 Abs 1 SPG ermächtigt war, sofern die in diesem Gesetz näher umschriebenen Voraussetzungen für eine solche sicherheitspolizeiliche Maßnahme vorlagen (§ 87 SPG). Der vom Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen verlangte Nachweis der Identität und der Beschäftigungsbewilligung stellte sich sohin als Amtshandlung im Sinn des § 302 StGB dar, zu der der Angeklagte zwar grundsätzlich ermächtigt war, die er im konkreten Fall aber mißbräuchlich wahrnahm.

Den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, die beiden von seinem rechtswidrigen Vorgehen betroffenen Personen seien durch das inkriminierte Verhalten "nicht in nennenswerter Weise" verletzt worden, ist zu entgegnen, daß jegliche Beeinträchtigung eines konkreten subjektiven Rechtes - insbesondere des im § 87 SPG festgehaltenen Anspruches, nicht willkürlich sicherheitspolizeilichen Maßnahmen ausgesetzt zu werden - eine Schädigung im Sinne des § 302 Abs 1 StGB verkörpert, wobei es für die Deliktsvollendung nicht erforderlich ist, daß tatsächlich ein Schaden eintritt; vielmehr reicht die nach den erstgerichtlichen Feststellungen vom Angeklagten bezweckte bloß schikanöse Wahrnehmung sicherheitspolizeilicher Maßnahmen zur Tatbestandsverwirklichung aus (Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 42).

Soweit der Beschwerdeführer unter Behauptung von Feststellungsmängeln bloß neuerlich die Konstatierungen hinsichtlich seiner Zurechnungsfähigkeit und des Sich-in-den-Dienst-Stellens negiert, verfehlt die Rechtsrüge den notwendigen Vergleich der Urteilsannahmen mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer - abermals unter urteilsfremder Annahme eines Vollrausches - die Beurteilung der Tat lediglich als Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (iVm § 302 Abs 1) StGB anstrebt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas W***** war daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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