5Ob2268/96g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Werner P*****, vertreten durch Dr.Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Dr.Kurt H*****, und 2.) Elisabeth H*****, die Zweitantragsgegnerin vertreten durch den Erstantragsgegner, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 10 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11.Juni 1996, GZ 40 R 176/96w-16 (richtig wohl ON 14), womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27.November 1995, GZ 18 Msch 48/95f-7, bestätigt wurde, folgenden
Sachbeschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die beiden Vorinstanzen haben das auf § 10 Abs 1 MRG gestützte Begehren des Antragstellers, gegenüber den Antragsgegnern einen mit S 63.200,- bezifferten Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen auf die vom Antragsteller gemietete Wohnung top 22 im Haus *****, festzustellen, übereinstimmend abgewiesen. Tragende Begründung dieser Entscheidungen war, daß der Antragsteller den Antragsgegnern seinen Ersatzanspruch nicht fristgerecht angezeigt habe. Der Antragsteller habe nämlich die ihm aufgekündigte Wohnung am 28.2.1995 zurückgestellt; die schriftliche Anzeige seines Ersatzanspruches sei jedoch erst am 6.3.1995 zu den Antragsgegnern gelangt. Streitpunkt ist, ob der Antragsteller seiner nach § 10 Abs 4 Z 3 letzter Halbsatz bestehenden Anzeigepflicht genügte, indem er seine Ansprüche beim Vertreter der Antragsgegner im Kündigungsverfahren - einem mit Prozeßvollmacht ausgestatteten Rechtsanwalt - geltend machte. Er tat dies in einem Schreiben vom 22.2.1995, das jedoch der Adressat (bei dem es am 23.2.1995 einlangte) wegen Aktenrückständen nach einem Skiurlaub erst so spät weiterleitete, daß es den Antragsgegnern am 6.3.1995 zukam. Von der Zurückstellung der Wohnung an die Antragsgegner hatte deren Rechtsanwalt am 2.3.1995 erfahren. Dies kam für ihn überraschend, weil er mit einem Rechtsmittel des Antragstellers gegen die Entscheidung im Kündigungsstreit gerechnet hatte.
Das Rekursgericht führte dazu aus:
Der Inhalt einer Prozeßvollmacht sei durch § 31 Abs 1 ZPO genau festgelegt. Sie umfasse nicht die Empfangnahme des Streitgegenstandes, für die es einer besonderen Vollmacht bedürfe (vgl Fasching II, 270; derselbe, ZPR2, Rz 429). Generell erfasse die Prozeßvollmacht keine Ansprüche, die nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens sind (vgl Fasching II, 269). So legitimiere etwa eine Prozeßvollmacht im Mietzinszahlungsverfahren nicht auch zur Entgegennahme einer Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB (JBl 1988, 654). Gegenstand des Aufkündigungsverfahrens sei die Aufkündigung eines Bestandvertrages. Dabei handle es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung eines Vertragsteiles des Bestandvertrages, einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag zu einem gesetzlich oder vertraglich bestimmten Zeitpunkt aufzulösen (vgl Fasching IV, 629). Gegenstand des Kündigungsverfahrens sei jedenfalls nicht der auf den Ersatz von Aufwendungen auf die Wohnung gerichtete Anspruch. Daher umfasse die Prozeßvollmacht im Kündigungsverfahren keine Sachdispositionen über einen derartigen Anspruch; sie legitimiere auch nicht zur Entgegennahme der Anzeige nach § 10 Abs 4 MRG, die eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstelle. Für den Fall, daß der im Kündigungsverfahren einschreitende Rechtsanwalt auch bevollmächtigt wäre, den Streitgegenstand entgegenzunehmen, wäre es denkbar, daß eine derartige Anzeige ihm gegenüber Wirksamkeit entfaltet: Gemäß § 10 Abs 4 Z 3 MRG etwa sei der Ersatzanspruch in dem - hier vorliegenden - Fall der Zurückstellung des Mietgegenstandes vor Eintritt der Rechtskraft des Räumungstitels spätestens zu diesem Zeitpunkt geltend zu machen. Wäre daher der einschreitende Rechtsanwalt zur Entgegennahme des Streitgegenstandes und daher auch zur Übernahme der Wohnung berechtigt, könnte der Ersatzanspruch, der bei sonstiger Präklusion spätestens zum Zeitpunkt der Übergabe geltend zu machen wäre, ihm gegenüber zu diesem Zeitpunkt, und allenfalls auch zu einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht werden. Eine solche erweiterte Bevollmächtigung liege aber hier nicht vor.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen einer Rechtsprechung zur Frage, ob die Prozeßvollmacht im Kündigungsverfahren zur Entgegennahme einer Anzeige nach § 10 Abs 4 MRG legitimiere.
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, daß der Vertreter der Antragsgegner im Kündigungsstreit wegen des am 6.3.1995 noch aufrechten Vollmachtsverhältnisses (was allenfalls durch Erhebungen über die Dauer des Kündigungsstreites noch festzustellen wäre) sehr wohl legitimiert gewesen sei, die Anzeige von Ersatzansprüchen iSd § 10 MRG für die Antragsgegner entgegenzunehmen. Das ergebe sich aus seinem Aufgabenbereich im Kündigungsstreit. Der Revisionsrekurs- antrag geht dahin, die Beschlüsse der Vorinstanzen entweder im Sinne einer Stattgebung des Sachantrages abzuändern oder sie aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Antragsgegner haben sich zu diesem Rechtsmittel nicht geäußert.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die überzeugenden und auch zutreffend belegten Rechtsausführungen des Rekursgerichtes werden durch die bloße Behauptung, daß der einem Prozeßbevollmächtigten des Vermieters im Kündigungsstreit übertragene Aufgabenbereich auch die Empfangnahme einer Anzeige nach § 10 Abs 4 MRG decke, nicht stichhältig widerlegt, sodaß mit einer Kurzbegründung das Auslangen gefunden werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO iVm § 528a ZPO und § 37 Abs 1 Z 16 MRG). Es genügt der Hinweis auf die auch von der Lehre gebilligte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10.2.1988, 3 Ob 510/88 (JBl 1988, 654 = SZ 61/34; vgl Fucik in Rechberger, Rz 1 zu § 31 ZPO), wonach eine Prozeßvollmacht nur zur Entgegennahme solcher materiellrechtlicher Erklärungen berechtigt, die den Rechtsstreit, für den die Prozeßvollmacht erteilt wurde, unmittelbar betreffen. Sachdispositionen über Ansprüche, die nicht Verfahrensgegenstand sind, werden von der Prozeßvollmacht nicht gedeckt (Fasching II, 269). Empfangsbedürftige Willenserklärungen können durch das Zugehen (etwa die Zustellung) an den Prozeßbevollmächtigten nur dann für den Vertretenen wirksam werden, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem gerichtlich geltend gemachten (vom Prozeßbevollmächtigten zu betreibenden oder abzuwehrenden) Anspruch stehen (vgl JBl 1988, 654). Daß ein auf § 10 MRG gestützter Aufwandersatzanspruch des Mieters in einem Rechtsstreit wegen Aufkündigung des Bestandgegenstandes nicht in diesem Sinn prozeßverfangen ist, wurde vom Rekursgericht zutreffend dargelegt. Der vom Vermieter (nur) für einen Kündigungsstreit Prozeßbevollmächtigte ist daher nicht zur Entgegennahme einer Anzeige von Ersatzansprüchen des Mieters nach § 10 Abs 4 MRG befugt.
Es war damit wie im Spruch zu entscheiden.