6Ob2049/96h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine L*****, vertreten durch Dr.Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josef L*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wegen S 1,000.000,-- infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 25.Jänner 1996, GZ 2 R 388/95-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29.August 1995, GZ 4 C 2133/94-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes liegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor. Die Klägerin ficht weder (in seinem Punkt 4 hinsichtlich der Eigentumswohnung) den am 25.2.1992 abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleich an, noch macht sie wegen eines Willensmangels einen Ausgleichsanspruch nach § 872 ABGB geltend. Sie begehrt vielmehr, abgeleitet aus der Formulierung des Scheidungsfolgenvergleiches jenen Betrag, der sich aus der Differenz der nach ihren Behauptungen vom Beklagten ausdrücklich zugesagten Obergrenze aller bestehenden bücherlichen Lasten anläßlich der Übertragung des Hälfteanteiles des Beklagten an der gemeinsamen Eigentumswohnung und der tatsächlich bestandenen höheren Belastungen ergibt. Diesen Betrag schulde der Beklagte sowohl aus dem Titel der Gewährleistung als auch, da er bewußt falsche Angaben gemacht und die Klägerin getäuscht habe, nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen.
§ 928 ABGB bestimmt, daß bei augenfälligen Mängeln einer Sache oder auf der Sache haftenden Lasten, die aus den öffentlichen Büchern zu ersehen sind, außer bei arglistigem Verschweigen des Mangels oder einer ausdrücklichen Zusage, daß die Sache von allen Fehlern und Lasten frei sei, keine Gewährleistung stattfindet. Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, müssen stets vertreten werden. Aus dem letzten Satz haben Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß dieser keine Gewährleistungsbestimmung sei, sondern lediglich die widerlegliche Vermutung aufstelle, daß der Veräußerer die Sache lastenfrei zu machen habe. Mit dem Grundbuchstand nicht im Einklang stehende Zusagen des Veräußerers machen diesen depurierungspflichtig. Die - dispositive - Bestimmung normiert einen Anspruch auf Vergütung der Lasten. Der Veräußerer haftet daher, wenn eine gegenteilige Vereinbarung nicht erwiesen wird.
Die Bestätigung des Beklagten im Scheidungsfolgenvergleich, daß die beiden Darlehen der R*****-Bausparkasse GmbH und der R*****bank S***** reg. GenmbH (und nicht auch das Darlehen des Landes S*****) lediglich in der im Vergleich angegebenen Höhe unberichtigt aushaften, ist nach dem Wortlaut zunächst als Zusage über die Höhe der Belastungen anzusehen. In Zweifelsfällen ist aber nach den Grundsätzen des § 914 ABGB in jedem Einzelfall der Inhalt der Erklärung zu ermitteln. Dabei ist weder allein der Wille des Erklärenden noch die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers maßgeblich. Ist der objektive Aussagewert zweifelhaft, muß der Inhalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt werden; ausgehend vom Wortsinn und vom Willen der Parteien ist letztlich die Übung des redlichen Verkehrs maßgebend. Hiezu sind die Umstände der Erklärung heranzuziehen.
Die Revisionswerberin übersieht, daß das Erstgericht unter Beachtung dieser Grundsätze und an Hand der Urkunden und Parteienaussagen vom Berufungsgericht ausdrücklich übernommene Feststellungen getroffen hat, die zwingend zu einer Verneinung eines Anspruches nach § 928 ABGB und, mangels Verschuldens, auch eines Schadenersatzanspruches führen müssen: Alle Umstände über die Finanzierung der Eigentumswohnung waren der Klägerin bekannt, die Streitteile kalkulierten gemeinsam. Die Klägerin - vor allem ihr Anwalt, der die ursprüngliche und in der Folge weitergeschriebene Formulierung im Notariatsakt von 1989 verfaßt und die "Garantieerklärung" des Beklagten gefordert hatte - war im Besitz eines Grundbuchauszuges. Der Beklagte hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, der Klägerin bestimmte Umstände über die Belastung der Wohnung zu verheimlichen oder sie darüber in Irrtum zu führen, da es für ihn außer Zweifel stand, daß, wie in einem Vorgespräch zum Notariatsakt von den Streitteilen besprochen und Einigung erzielt wurde, die laufenden Rückzahlungen für die Wohnung, das heißt die Vorschreibungen seitens der Wohnungsgenossenschaft (welche seinerzeit die geförderten Kredit aufgenommen und auf die einzelnen Wohnungswerber überbunden hatte) von demjenigen gezahlt werden, der in der Wohnung bleibt. Im Notariatsakt von 1989 und in weiterer Folge bis zum Abschluß des Scheidungsfolgenvergleiches bezogen sich die Vereinbarungen deshalb nurmehr auf jene Verpflichtungen, die die Streitteile persönlich eingegangen sind, das heißt nur auf das vom Land S***** den Streitteilen gewährte Eigenmittelersatzdarlehen, den Abstattungskredit der s***** R*****bank und das Darlehen der R*****-Bausparkasse GmbH. Damit haben die Vorinstanzen, für den Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar, nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles aber festgestellt, daß im Scheidungsfolgenvergleich aus der Sicht beider Parteien nur mehr jene Verbindlichkeiten geregelt werden sollten, für welche die Streitteile persönlich Kreditverträge abgeschlossen haben. Die daraus gezogene Schlußfolgerung, die Zweifelsregel des § 928 letzter Satz ABGB komme nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht zum Tragen, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar.
Da der Beklagte in seiner Revisionsbeanwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, waren ihm für den zur zweckentsprechenden Rechtverteidigung nicht erforderlichen Schriftsatz keine Kosten zuzusprechen.