3Ob539/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem 20.Juli 1994 verstorbenen Friedrich V*****, vertreten durch Dr.Andreas Kastinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Otto Ö*****, vertreten durch Dr.Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe von Liegenschaften (Streitwert S 550.000; Revisionsinteresse S 496.082,67), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.März 1995, GZ 14 R 269/94-86, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.August 1994, GZ 1 Cg 84/94v-81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
21.375 (darin enthalten S 3.562,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 11.4.1910 geborene Theresia Ö*****, geborene V*****, war die Ehefrau des Beklagten und die Schwester des Klägers. Sie starb am 19.11.1986. Ihr Nachlaß wurde dem Beklagten aufgrund eines notariellen Testamentes vom 8.4.1946 eingeantwortet. Die Nachlaßaktiva bestand in den Liegenschaftshälften EZ 863 Grundbuch B***** und EZ 492 Grundbuch N*****. Die Nachlaßpasiva betrugen S
80.876. Die Nachlaßaktiva (Wert der beiden Liegenschaftshälften) überstiegen das 3-fache der Nachlaßpassiva. Der Kläger und sein Halbbruder Johann M***** wurden mit ihren Ansprüchen aus der letztwilligen Anordnung der Erblasserin vom 5.8.1960 auf die genannten Liegenschaftshälften mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing im Abhandlungsverfahren auf den Rechtsweg verwiesen, weil der Erbe Otto Ö***** die Gültigkeit dieser letztwilligen Anordnung bestritten hatte.
Die Mutter der Theresia Ö*****, des Johann M***** und des Klägers starb vor dem 19.11.1986. Johann M***** verzichtete am 5.8.1987 schriftlich gegenüber dem Beklagten auf die ihm allenfalls aus dieser Anordnung zustehenden Liegenschaftsteile.
Die letztwillige Anordnung vom 5.8.1960 hat Theresia Ö***** eigenhändig geschrieben. Sie gab diese handschriftliche Urkunde in dreifacher Ausfertigung in einem verschlossenen Briefumschlag mit der Aufschrift "nach meinem Ableben zu öffnen Theresia Ö*****" dem Kläger, der zwei der Umschläge samt Testament am 4.1.1961 dem Notar Dr.H***** übergab. In dieser Anordnung vermachte sie je 1/3 ihres Liegenschaftsvermögens Wien *****, K*****gasse 20 und Wien *****, B*****gasse 9, ihrer Mutter Katharina V*****, dem Kläger und Johann M*****. Für den Fall des Vorablebens der Mutter bestimmte Theresia Ö*****, daß deren Anteil an den Bruder fallen solle, der die Mutter in der letzten Zeit bis zu ihrem Ableben betreut habe.
Katharina V***** lebte mehrere Jahre vor ihrem Tode zunächst im Hause ihrer Tochter Theresia Ö***** und ihres Schwiegersohnes, des Beklagten. Sie war in dieser Zeit körperlich und geistig gesund, rüstig, täglich auf den Beinen und konnte vollständig für sich selbst sorgen.
Als sie etwa 2-3 Wochen, bevor sie starb, erkrankte, nahmen sie der Kläger und seine Ehefrau zu sich, weil Theresia Ö***** damals schon schwer krank war und der Beklagte mit deren Obsorge bereits voll beansprucht war. Katharina V***** blieb bis zuletzt ans Bett gebunden, konnte nur mit Unterstützung Bad und Toilette aufsuchen. Der Kläger und seine Frau pflegten und betreuten sie. Sie veranlaßten für sie auch regelmäßige Arztbesuche. Hermine V***** bereitete ihrer Schwiegermutter die Mahlzeiten zu, versorgte sie mit frischer Wäsche und half ihr bei allen sonstigen täglichen Verrichtungen.
Der Kläger begehrt das Urteil, der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung seines Eigentums ob den genannten Liegenschaften zu je einem Drittel einzuwilligen; er stützt sich dabei auf die eigenhändige letztwillige Anordnung vom 5.8.1960, mit der seine Schwester, die Ehefrau des Beklagten, je 1/3 ihres Liegenschaftsvermögens, das in Hälfteanteilen der genannten Liegenschaften bestand, ihrer Mutter Katharina V*****, ihrem Bruder Johann M***** und dem Kläger vermacht habe. Im Falle des Vorablebens der Mutter sollte deren Anteil an denjenigen Bruder fallen, der die Mutter in letzter Zeit bis zu ihrem Ableben betreut habe. Das habe der Kläger getan, sodaß ihm 2/3 der Liegenschaftshälften, also 1/3 der beiden Liegenschaften, zustünden. Die Behauptung des Beklagten, Theresia Ö***** habe nicht schreiben können und die letztwillige Anordnung vom 5.8.1960 sei eine Fälschung, sei unrichtig.
Der Beklagte wendete ein, die Anordnung vom 5.8.1960 stamme nicht von Theresia Ö*****. Im übrigen sei damit über den gesamten Nachlaß verfügt worden, sodaß dem Beklagten nicht einmal der Pflichtteil zukomme. Bei Gültigkeit dieser Anordnung sei der Kläger zur Zahlung von S 350.000, einem Drittel des Wertes der Liegenschaftshälften, verpflichtet. Der Beklagte selbst sei daher nur Zug um Zug gegen diese Zahlung zur Herausgabe dieser Anteile verpflichtet. Der Kläger habe die Mutter der Erblasserin vor deren Ableben nicht betreut.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentums des Klägers ob den genannten Liegenschaften zu je einem Drittel Zug um Zug gegen Zahlung von S 53.917,33 durch den Kläger statt; den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, nach der rechtsgültigen letztwilligen Anordnung der Erblasserin vom 5.8.1960 gebührten dem Kläger als Legatar zwei Drittel des Liegenschaftsvermögens der Erblasserin, daher ein Anteil von einem Drittel an den beiden Liegenschaften, weil er auch die letztwillige Bedingung für den Erwerb des in erster Linie seiner Mutter vermachten zweiten Drittels - nämlich deren Betreuung bis an deren Lebensende - erfüllt habe.
Die Pflichtteilsschuld des Beklagten gehe dem Vermächtnis des Klägers vor. Der in einem Drittel des reinen Nachlasses bestehende Pflichtteil des Beklagten dürfe nicht geschmälert werden. Aufgrund des Verzichts des dritten Vermächtnisnehmers verbleibe dem Beklagten - als Erben - nun ein Drittel des Liegenschaftsvermögens der Erblasserin. Um ihm den Pflichtteil ungekürzt zu erhalten, habe sich der Kläger an den Nachlaßschulden zu zwei Drittel, also mit S 53.917,33, Zug um Zug gegen die begehrte Zustimmung zur Einverleibung zu beteiligen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil infolge Berufung des Beklagten und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 50.000; es ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob dann, wenn die Erfüllung der Noterbquote nur dadurch erfolge, daß ein Legatar auf seine Rechte verzichte, der andere Legatar anteilsmäßig eine weitere Ausgleichszahlung vorzunehmen habe, keine höchstgerichtliche Judikatur vorgefunden worden sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, durch den Verzicht des Johann M***** auf Geltendmachung seines Rechtes aus der letztwilligen Anordnung vom 5.8.1960 sei dem Beklagten ein Drittel der Nachlaßaktiva zugekommen. Der Kläger habe daher, um dem Beklagten ein Drittel des Reinnachlasses zukommen zu lassen, zwei Drittel der Nachlaßpassiva zu übernehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Der Pflichtteil des Beklagten als Ehegatte der Erblasserin beträgt gemäß § 765 ABGB die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. Bei gesetzlicher Erbfolge wären dem Beklagten gemäß § 757 ABGB neben den Nachkommen der Eltern der Erblasserin zwei Drittel des Nachlasses zugefallen; dem Beklagten steht somit als Pflichtteilsberechtigten ein Drittel des Nachlaßwertes zu.
Der Erblasser kann den Pflichtteil in jeder beliebigen Gestalt zurücklassen: In Form einer Erbseinsetzung (bei Ehegatten auch durch Erbvertrag), eines Vermächtnisses, einer Schenkung auf den Todesfall oder auch als gesetzlicher Erbteil, indem er nicht über den gesamten Nachlaß testiert; der Pflichtteil muß aber dem Berechtigten immer ganz frei bleiben (Koziol/Welser10 II 380 f).
Hier hat der Beklagte, dem der Nachlaß aufgrund des Testamentes vom 8.4.1946 eingeantwortet wurde, als Erbe ein Drittel des Liegenschaftsvermögens der Erblasserin erhalten. Da der weitere Vermächtnisnehmer auf seinen Anteil verzichtet hat, verbleibt dem Beklagten dieser Anteil ungekürzt in seinem Vermögen, sodaß für eine weitere Forderung des Beklagten als Pflichtteilsberechtigter zum Ausgleich des Wertes der Aktiva kein Raum bleibt.
Wohl aber hat sich der Kläger, wie von ihm im Rechtsmittelverfahren nicht bestritten wird, anteilsmäßig an den Nachlaßpassiven zu beteiligen; eine darüber hinausgehende Forderung des Beklagten als Pflichtteilsberechtigter haben die Vorinstanzen zutreffend verneint.
Auch soweit der Beklagte den Eintritt der Bedingung für den Erwerb des in erster Linie der Mutter des Klägers vermachten Drittels des Liegenschaftsvermögens der Erblasserin durch den Kläger bestreitet, weil der Kläger sie nicht bis an ihr Lebensende betreut habe, zeigt er keine Fehlbeurteilung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen auf. Danach bestimmte die Erblasserin für den Fall des Vorablebens der Mutter, daß deren Anteil an den Bruder fallen solle, der die Mutter in der letzten Zeit bis zu ihrem Ableben betreut habe. Dies trifft auf den Kläger zu, der mit seiner Ehefrau die Mutter der Erblasserin, als sie erkrankte, zu sich nahm und sie pflegte und betreute. Der Umstand, daß die Mutter der Erblasserin bereits etwa 2 bis 3 Wochen danach verstarb, ändert daran nichts, daß der Beklagte vorher derartige Betreuungshandlungen nicht gesetzt hatte, weil die Mutter der Erblasserin damals vollständig für sich selbst sorgen konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.