1Ob2072/96d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Partei Steven L*****, vertreten durch Dr.Thomas Höhne, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Sonja L*****, vertreten durch Dr.Walter und Dr.Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung eines Veräußerungs und Belastungsverbots mittels einstweiliger Verfügung (Streitwert S 1,000.000, ) infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom 19.September 1995, GZ 43 R 2084/95 68, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.März 1995, GZ 6 C 164/92 59, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Gegnerin der gefährdeten Partei werde zur Sicherung des der gefährdeten Partei gegen sie zustehenden ehegüterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs gemäß Art 206 ZGB auf Ersatzleistung für die unentgeltliche Übertragung der Liegenschaft S***** verboten, diese Liegenschaft, enthaltend Wohnhaus mit Privatgarage Nr 683 C, zu belasten oder zu veräußern; dieses Belastungs oder Veräußerungsverbot werde im Grundbuch angemerkt; der gefährdeten Partei werde aufgetragen, das ehegüterrechtliche Auseinandersetzungsverfahren längstens binnen sechs Monaten ab Zustellung der einstweiligen Verfügung anzustrengen, mit ungenütztem Ablauf der Frist sowie im Fall der rechtzeitigen Einleitung mit rechtskräftigem Abschluß des ehegüterrechtlichen Auseinandersetzungsverfahrens zwischen den Streitteilen verliere die einstweilige Verfügung ihre Wirksamkeit; abgewiesen wird.
Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit S 56.797, - (darin enthalten S 9.465, - Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die gefährdete Partei beantragte im Zuge des zwischen den Streitteilen anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahrens die Erlassung der aus dem Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. Die Streitteile hätten bei der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gehabt, weshalb in ehegüterrechtlicher Hinsicht schweizerisches Sachrecht anzuwenden sei. Die gefährdete Partei habe der Gegnerin der gefährdeten Partei die genannte Liegenschaft 1982 geschenkt; sie stelle Eigengut der Gegnerin der gefährdeten Partei dar. Die gefährdete Partei habe aber einen Ersatzanspruch gemäß Art 206 ZGB im Ausmaß von zumindest sfr 753.900, . Die geschenkte Liegenschaft sei der einzige Vermögenswert der Gegnerin der gefährdeten Partei, die den Verkauf der Liegenschaft beabsichtige. Es bestehe Gefahr, daß der Erlös verbracht und der Auseinandersetzungsanspruch der gefährdeten Partei nicht mehr einbringlich sein werde.
Später brachte die gefährdete Partei aber demgegenüber auch vor, die Übereignung der Liegenschaft sei lediglich zu treuen Handen erfolgt: Es sei vereinbart gewesen, daß die Liegenschaft nach Bereinigung der Zahlungsschwierigkeiten der gefährdeten Partei wieder „herauszugeben“ sei. Die Gegnerin der gefährdeten Partei weigere sich, die von ihr übernommene Rückgabeverpflichtung einzuhalten. Die gefährdete Partei habe die Liegenschaft während des aufrechten Güterstands der Errungenschaftsbeteiligung käuflich erworben, sie habe zum Zeitpunkt der fiduziarischen Übertragung zur Errungenschaft der gefährdeten Partei gehört. Auch dieser Rückübertragungsanspruch sei durch die Verkaufsabsichten der Gegnerin der gefährdeten Partei gefährdet.
Die Gegnerin der gefährdeten Partei wendete ein, es sei ihr die Liegenschaft aus Gründen der finanziellen Absicherung geschenkt worden. Die Liegenschaft stelle ihr Eigengut dar und unterliege daher nicht der Aufteilung. Sie sei genötigt, die Liegenschaft zu veräußern, weil ihr die Rückzahlung der auf der Liegenschaft haftenden Kreditverbindlichkeiten nicht möglich sei. Durch ein Belastungs und Veräußerungsverbot würde ihr ein Schaden in Millionenhöhe entstehen.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der gefährdeten Partei stehe gemäß Art 206 ff ZGB ein Ausgleichsanspruch gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei zu. Dieser Anspruch sei aufgrund der bescheinigten und von der Gegnerin der gefährdeten Partei selbst zugestandenen Verkaufsabsicht gefährdet.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000, - übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Liegenschaft stelle kein Eigengut der Gegnerin der gefährdeten Partei gemäß den Art 198 f ZGB dar. Art 206 ZGB ordne einen Ausgleich von Vermögensverschiebungen an; die gefährdete Partei habe ihren darauf gerichteten Anspruch bescheinigt. Die Liegenschaft sei ins unbeschränkte Eigentum der Gegnerin der gefährdeten Partei übertragen worden, ohne daß von deren Seite eine entsprechende Gegenleistung bescheinigt wäre.
Der Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Gegnerin der gefährdeten Partei ist österreichische Staatsbürgerin (AS 265, Beilage B). Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war G***** in der Schweiz. Ein gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien im Inland fehlt, beide sind im Ausland aufhältig (unstrittiger Akteninhalt). Demnach ist das Erstgericht gemäß § 114a und § 76 Abs 1 JN, § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO zur Entscheidung zuständig, die inländische Gerichtsbarkeit ist gemäß § 76 Abs 2 Z 1 JN gegeben.
Anzuwenden ist materielles schweizerisches Recht: Gemäß § 19 IPRG ist das Ehegüterrecht mangels Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht zu beurteilen. Die Parteien haben und hatten den Feststellungen und ihrem Vorbringen nach kein gemeinsames Personalstatut. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt war zur Zeit der Eheschließung G***** in der Schweiz (so die der Fotokopie der Klage angeschlossene Heiratsurkunde). Demnach verweist § 18 Abs 1 Z 2 IPRG auf schweizerisches Recht. Für Klagen oder Maßnahmen betreffend die güterrechtlichen Verhältnisse im Falle einer Auflösung der Ehe haben die hiefür zuständigen Gerichte gemäß Art 63 und 61 schweizerisches IPRG schweizerisches Recht anzuwenden, sodaß Weiter bzw Rückverweisung (§ 5 österr. IPRG) nicht in Betracht kommt.
Im vorliegenden Fall wird die Sicherung eines „anderen Anspruchs“ zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens gemäß § 381 Z 2 EO und ferner begehrt, hiefür das Sicherungsmittel der einstweiligen Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO anzuwenden. Die gefährdete Partei hat ihren Anspruch zu bescheinigen. Das Vorliegen eines Anspruchs ist nach schweizerischem Recht zu prüfen. In ihrem Sicherungsantrag brachte die gefährdete Partei vor, sie habe ihrer Ehegattin die zu sichernde Liegenschaft im Jahre 1982 geschenkt (AS 137). Sie begehrte ausdrücklich die Sicherung ihres ehegüterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs gemäß Art 206 ZGB aufgrund der unentgeltlichen Übertragung der Liegenschaft (AS 141). Eine Schenkung ist aber kein Beitrag im Sinne des Art 206 ZGB; bei einer Schenkung gibt es nichts zurückzufordern. Allfällige Mehrwerte, die auf dieser unentgeltlichen Zuwendung beruhen, betreffen ausschließlich das Eigengut des beschenkten Ehegatten ( Hausherr/Reusser/Geiser , Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Rz 17 zu Art 206 ZGB; Schwenzer in DNotZ 1991, 419, 424). Darauf kann der Sicherungsantrag somit nicht mit Erfolg gestützt werden.
Die gefährdete Partei hat aber später vorgebracht, die (nach außen hin schenkungsweise) Übereignung der Liegenschaft sei fiduziarisch erfolgt (AS 191); die Ehegattin habe die Verpflichtung übernommen, das „Chalet“ als Treuhänderin zu halten und nach Eintritt einer bestimmten Voraussetzung wieder herauszugeben. Der Anspruch auf Rückübereignung sei gefährdet (AS 193). Dabei übersieht die gefährdete Partei, daß der Anspruch auf Rückübereignung einer treuhändig übergebenen Liegenschaft nach den für das Treuhandgeschäft geltenden Normen durchzusetzen ist (siehe hiezu Fellmann , Berner Kommentar aaO Rz 57 ff zu Art 394 OR); er ist kein ehegüterrechtlicher Anspruch im Sinne des Art 206 ZGB, auf den allein und ausdrücklich der Sicherungsantrag gestützt wurde; außerdem könnte die Sicherung eines treuhandrechtlichen Rückforderungsanspruchs nicht im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren durchgesetzt werden (§ 382 Z 8 lit c EO). Der Anspruch der gefährdeten Partei auf Rückersatz von Aufwendungen (Zinsen für Bankkredite) für die treuhändig übergebene Liegenschaft bzw auf Ausfolgung daraus mittlerweile erzielter Mieteinnahmen (AS 195) richtet sich ebenfalls nach dem Inhalt des Treuhandgeschäfts und stellt keinen ehegüterrechtlichen Anspruch gemäß Art 206 ZGB dar. Die gefährdete Partei übersieht, daß sie diese Ansprüche gerade im Zusammenhang mit ihrem (neuen) Vorbringen zum Treuhandgeschäft geltend gemacht hat (ON 45) und Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen auf das und auf Herausgabe von Früchten des Treuhandguts daher auch nach treuhandrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind. Geht man wie die Vorinstanzen nicht von einer Schenkung, sondern von einem Treuhandgeschäft aus (S 5 der Rekursentscheidung; S 3 f des erstinstanzlichen Beschlusses), so ist ein gemäß Art 206 ZGB zu beurteilender Anspruch der gefährdeten Partei nicht bescheinigt, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der allein auf Art 206 ZGB gestützte Sicherungsantrag abzuweisen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens beruht auf den §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO.