6Ob2123/96s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse P*****, vertreten durch Dr.Heinrich Berger, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 55.500 S, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 4.März 1996, GZ 1 R 96/96a-9, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 12.Jänner 1996, GZ 3 C 1139/95b-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird in seinem abändernden Teil behoben und der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes insoweit zurückgewiesen.
Die klagende Partei, die die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen hat, hat der beklagten Partei die mit 4.871,04 S (darin enthalten 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die ihren Sitz in Raabs an der Thaya hat, 55.500 S an Schmerzengeld, Behandlungskosten und Kosten für eine medizinische Creme mit dem Vorbringen, die Beklagte habe als Herstellerin der "P*****-Creme" diese als cortisonfreies Präparat auf dem Markt angepriesen und in Verkehr gebracht. Über Anraten der Hautärztin habe die Klägerin die Creme in einer Apotheke in Bruck gekauft und verwendet. Nachdem die Klägerin erfahren habe, daß das Präparat eine überhöhte Dosierung von Cortison enthalte - ein Hinweis auf dem Beipackzettel sei nicht vorhanden gewesen - habe sie die Anwendung beendet, worauf sich ihre Neurodermitis so verschlechtert habe, daß sie weitere ärztliche Behandlungen in Anspruch habe nehmen müssen. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes stützte die Klägerin auf § 92a JN, weil das schadenverursachende Verhalten (Inverkehrsetzen) im Sprengel des Erstgerichtes gesetzt worden sei.
Die Beklagte bestritt und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, das behauptete schädigende Verhalten könne nur am Sitz ihres Unternehmens gesetzt worden sein.
Die Beklagte bestritt und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, das behauptete schädigende Verhalten könne nur am Sitz ihres Unternehmens gesetzt worden sein. Bei der abgesonderten Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede beantragte die Klägerin für den Fall des Ausspruchs der Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Bruck/Mur die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige "Gericht Thaya".
Das Erstgericht faßte den Beschluß, daß 1. das Bezirksgericht Bruck/Mur für die gegenständliche Rechtssache örtlich unzuständig ist und 2. die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige "Bezirksgericht Thaya" überwiesen wird. Der auch in der Beschlußausfertigung offenkundige Fehler durch Weglassen des Ortes des Bezirksgerichtes, nämlich Waidhofen, wurde während des gesamten Verfahrens von keiner der Parteien beanstandet.
Gegen diesen Beschluß erhob die Klägerin Rekurs.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich eines Teilbetrages von 3.000 S (Ersatz des Kaufpreises für die Creme), änderte ihn im übrigen aber dahin ab, daß der Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes verworfen wurde. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Problem des § 92a JN nicht veröffentlicht sei.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, weil das Rekursgericht, wenn auch unrichtig, den Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Klage verworfen hat, kommt § 521a Z 3 ZPO zur Anwendung; deren Revisionsrekurs ist daher nicht verspätet. Er ist im Ergebnis berechtigt: Eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtzustellung des Rekurses an den Gegner und Entscheidung der zweiten Instanz über den Rekurs der Klägerin liegt nicht vor. Allerdings hat das Rekursgericht die Bestimmung des § 261 Abs 6 ZPO nicht beachtet. Wenn der Beklagte die Unzuständigkeit einwendet (oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen überprüft), kann der Kläger den Antrag stellen, daß das Gericht für den Fall, daß es seine Unzuständigkeit ausspricht, die Klage an das vom Kläger namhaft gemachte Gericht überweise. Diesem Antrag hat das Gericht stattzugeben, wenn es das andere Gericht nicht für offenbar unzuständig erachtet. Die Überweisung ist mit dem Beschluß über die Unzuständigkeit zu verbinden. All dies ist im vorliegenden Fall geschehen: Die Klägerin hat nach Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der Beklagten für den Fall des Ausspruches der Unzuständigkeit die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige "Gericht Thaya" beantragt, das Erstgericht hat seine Unzuständigkeit ausgesprochen und die Überweisung an das nicht offenbar unzuständige "Bezirksgericht (Waidhofen/)Thaya verfügt. Gegen diesen Beschluß ist gemäß § 261 Abs 6 ZPO mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten des Zuständigkeitsstreites ein Rechtsmittel nicht zulässig. Die Streitanhängigkeit wird durch diese Überweisung nicht aufgehoben. Der Rekurs der Klägerin, die für den Fall des Ausspruches der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes selbst die Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht (Waidhofen) Thaya beantragt hat, war daher im Sinne dieser Bestimmung jedenfalls unzulässig und wäre daher vom Rekursgericht nicht inhaltlich zu erledigen, sondern zurückzuweisen gewesen. Auch die Beklagte geht in ihrem Revisionsrekurs nicht etwa davon aus, das Gericht, an das die Rechtssache zu überweisen gewesen wäre (Bezirksgericht Waidhofen/Thaya als jenes Gericht, in dessen Sprengel die Beklagte ihren Sitz und damit nicht nur den allgemeinen Gerichtsstand hat, sondern nach dem Vorbringen der Beklagten auch der von der Klägerin behauptete Schaden im Sinne des § 92a JN entstanden sei), sei von der Klägerin nicht ausreichend bezeichnet worden, also der Antrag der Klägerin nicht ausreichend bestimmt gewesen (vgl Rechberger in Rechberger ZPO Rz 9 und 11 zu § 261), sondern macht ausschließlich geltend, die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Sinne des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO sei verletzt worden, die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes im Sinne des § 92a JN sei unrichtig.
Da gemäß § 261 Abs 6 ZPO ein unanfechtbarer Beschluß des Erstgerichtes vorliegt, § 521a Z 3 ZPO kommt nur zur Anwendung, wenn mit einem Beschluß nach Eintritt der Streitanhängigkeit eine Klage zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen wurde, war der abändernde Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes zu beheben und der Rekurs der Klägerin insoweit zurückzuweisen. Das Erstgericht wird vor Übermittlung des Aktes an das Bezirksgericht Waidhofen/Thaya seinen Beschluß gemäß § 419 ZPO entsprechend zu berichtigen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO.