9ObA2078/96w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien wider die beklagte Partei Mag.Gabriele P*****, Vertragslehrerin, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Reith bei Seefeld, wegen 15.969,60 S sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Februar 1996, GZ 15 Ra 1/96a-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 31.August 1995, GZ 48 Cga 103/95b-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.046,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit 14.September 1992 wurde die Beklagte als Vertragslehrerin in das Entlohnungsschema I L, Entlohnungsgruppe I 1 eingestuft, wobei im Dienstvertrag vom 16.November 1992 hinsichtlich des Vorrückungsstichtages auf einen Nachtrag verwiesen wurde. Davor war sie zwei Jahre als kirchlich bestellte Religionslehrerin nach dem Entlohnungsschema II L entlohnt worden. Mit Schreiben vom 22.Juni 1994 erhielt die Beklagte vom Landesschulrat für Tirol die Aufforderung, einen Erhebungsbogen für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages auszufüllen und diesen rückzusenden. Der von der Beklagten ausgefüllte Erhebungsbogen langte am 14.Juli 1994 beim Landesschulrat ein.
Mit Schreiben des Landesschulrates für Tirol vom 22.August 1994 wurde der Vorrückungsstichtag mit Wirkung vom 14.September 1992 mit 26. August 1984 festgesetzt und beigefügt:
"Das Bundesrechenamt wird unter einem angewiesen, das sich daraus ergebende Monatsentgelt ab dem vorstehend angeführten Zeitpunkt zu verrechnen. Leider wird sich dadurch ein Übergenuß ergeben, da der Bezug ab 14.September 1992 eine Stufe zu hoch angewiesen wurde. Sie werden jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß Sie mit entsprechender Begründung um Ratenzahlung ansuchen können."
Bei Zugrundelegung dieses unter ordnungsgemäßer Berücksichtigung sämtlicher Vordienstzeiten ermittelten Vorrückungsstichtages ergibt sich ein Übergenuß der Klägerin bis einschließlich August 1994 von 15.969 S netto, zu dessen Rückzahlung die Beklagte mit Schreiben des Landesschulrates für Tirol vom 16.September 1994 aufgefordert wurde.
Die Beklagte brauchte ihre Bezüge nicht regelmäßig auf, sondern legte im Zuge des Wirtschaftens etwas zurück; sie besaß zum Zeitpunkt der Mitteilung des Übergenusses die Höhe des Klagsbetrages zumindest erreichende Ersparnisse.
Nicht festgestellt werden konnte, daß sich die Beklagte regelmäßig den ihr monatlich zuviel bezahlten Betrag erspart hätte, sowie, daß die Beklagte den Erhebungsbogen für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages bereits im Jahre 1992 mit dem Dienstvertrag erhalten hätte.
Die klagende Partei begehrt, die Beklagte zur Rückzahlung des Übergenusses zu verpflichten und brachte vor, aufgrund des Hinweises, die Festsetzung des Vorrückungsstichtages werde mit gesondertem Nachtrag erfolgen, sei für die Beklagte erkennbar gewesen, daß bis dahin das Gehalt nur aufgrund einer vorläufigen Berechnung angewiesen werde. Die privilegierende Bestimmung des § 13a GehG sei auf die Beklagte nicht anzuwenden, weil sie nicht Beamtin sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, sie habe im Hinblick darauf, daß seit der Einstufung mit Dienstvertrag vom 16.November 1992 längere Zeit verstrichen gewesen sei, im Sinne des § 13a GehG darauf vertrauen können, daß die an sie ausgezahlten Bezüge richtig seien und kein Übergenuß vorliege. Erst mehr als zwei Jahre nach dem 14.September 1992 habe der Landesschulrat für Tirol aufgrund des von der Beklagten ausgefüllten Erhebungsbogens den Überbezug festgestellt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Überbezug von nur 570,34 S monatlich der Beklagten nicht habe auffallen müssen. Der gute Glaube der Beklagten bezüglich der Richtigkeit der Zahlungen sei auch nicht durch die Klausel im Dienstvertrag ausgeschlossen worden, wonach der Vorrückungsstichtag mit gesondertem Nachtrag festgesetzt werde. Die Beklagte habe daraus, daß entgegen der Ankündigung in der Folge bis Juli 1994 von der Schulbehörde keine weiteren Schritte gesetzt worden seien, erschließen können, daß die ihr ausbezahlten Beträge richtig seien, auch wenn ihr bewußt gewesen sei, daß die Erhebung des Vorrückungsstichtages für die Entgeltbemessung wesentlich gewesen sei. Die Beklagte habe die Zahlungen auch gutgläubig verbraucht, weil sie die Zahlungen, die nunmehr als Übergenuß rückgefordert würden, tatsächlich für die Lebensführung und das Wirtschaften in Verwendung genommen habe. Der Umstand, daß die Beklagte im Zuge des Wirtschaftens Teile der ihr zugegangenen Entgeltleistungen für Ansparungen verwendet habe, lasse nicht den Schluß zu, sie habe den Übergenuß nicht verbraucht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Beklagte sei bis zum Zeitpunkt, als ihr der Überbezug mitgeteilt worden sei, gutgläubig gewesen. Auch wenn der Beklagten bewußt sein mußte und auch bewußt gewesen sei, daß im Hinblick auf die noch nicht endgültige Festsetzung des Vorrückungsstichtages der ausgezahlte Bezug nicht dem tatsächlich zustehenden Bezug entsprechen mußte, sei der Beklagten doch darin beizupflichten, daß sie aufgrund der nachträglichen Festsetzung des Vorrückungsstichtages eine Erhöhung des Bezuges und somit eine Nachzahlung und nicht eine Rückzahlung erwarten konnte. Da der öffentlich-rechtliche Dienstgeber Zahlungen nur nach der Rechtslage leisten dürfe, könne ihm nicht unterstellt werden, daß er der Bezugsauszahlung auf gut Glück einen Vorrückungsstichtag zugrundelege, der nach den vorliegenden Unterlagen nicht eindeutig sei. Der Dienstnehmer werde in einem solchen Fall daher mit Recht davon ausgehen können, daß die Festsetzung des Vorrückungsstichtages nur eine zusätzliche Anrechnung von Vordienstzeiten bringen und daher allenfalls eine Erhöhung des vorläufig ausgezahlten Bezuges bewirken könne, keinesfalls aber zu einer Rückzahlung führen werde.
Hingegen sei entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht von einem Verbrauch des Überbezuges durch die Beklagte auszugehen, weil sie regelmäßig nicht ihr gesamtes Einkommen verbraucht, sondern daraus Ersparnisse gebildet habe, deren Summe zum Zeitpunkt der Kenntnis des Überbezuges den Klagsbetrag überstiegen habe. Daß die Beklagte nicht monatlich genau den Betrag des Überbezuges gesondert angespart habe, sei dann unerheblich, wenn sie insgesamt mehr als den Betrag des Überbezuges angespart habe. Solange sich aber ein Übergenuß noch in Händen des Arbeitnehmers befinde, müsse ihn auf Verlangen des Arbeitgebers auch ein redlicher Arbeitnehmer zurückerstatten. Da die Beklagte, die die Beweislast für den Verbrauch des Überbezuges treffe, weder behauptet noch bewiesen habe, daß der vorhandene, den Überbezug übersteigende Sparbetrag aus anderen Quellen stamme, sei davon auszugehen, daß der Überbezug noch unverbraucht sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Im Dienstvertrag vom 16.November 1992 findet sich zu Punkt 10. "Vorrückungsstichtag" der deutliche, in das vorgedruckte Formular mit Maschinschrift eingesetzte Hinweis, daß die Festsetzung des Vorrückungsstichtages mit gesondertem Nachtrag erfolgen werde. Aufgrund dieses Hinweises mußte der Beklagten bewußt sein - und war ihr auch bewußt - , daß sich aufgrund der noch ausständigen endgültigen Festsetzung des Vorrückungsstichtages auch eine Änderung der Höhe des ihr bis dahin ausgezahlten Bezuges ergeben könnte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes konnte die Beklagte aber nicht nur mit einer Erhöhung ihres Bezuges rechnen, sondern mußte wohl auch eine Korrektur nach unten ins Kalkül ziehen; andernfalls müßte dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber unterstellt werden, daß er zunächst nicht den nach den ihm vorliegenden vorläufigen Daten richtigen, sondern nur den dem Dienstnehmer mit völliger Sicherheit zustehenden - geringeren - Bezug auszahlt. Insbesondere eine relativ geringfügige Korrektur nach unten - im vorliegenden Fall um eine Gehaltsstufe - aufgrund der endgültigen Festsetzung des Vorrückungsstichtages konnte die Beklagte daher bei objektiver, an ihrer beruflichen Stellung orientierter Beurteilung (vgl DRdA 1993/20 [zust Wachter] mwN; ecolex 1994, 243) wohl nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist daher der gute Glaube der Beklagten bezüglich der Richtigkeit der ihr vor Festsetzung des Vorrückungsstichtages ausgezahlten Dienstbezüge zu verneinen.
Der im Ergebnis unberechtigten Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.