JudikaturOGH

7Ob520/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch Dr.Herbert Felsberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Albert H*****, vertreten durch Dr.Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5.Jänner 1996, GZ 1 R 352/95-37, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19.April 1995, GZ 2 C 227/93-22, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit am 12.8.1993 beim Erstgericht eingelangter Aufkündigung kündigte die klagende Partei dem Beklagten drei vermietete Räume im Haus P***** in Klagenfurt zum 30.9.1993 gerichtlich auf. Der Beklagte erhob durch den für ihn bestellten Abwesenheitskurator Dr.Farhad Paya Einwendungen. In der Tagsatzung vom 8.11.1993 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens. Dr.Farhad Paya wurde daraufhin von seiner Funktion als Abwesenheitskurator enthoben. Am 1.3.1994 beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens (Schriftsatz ON 5). Mit am 23.3.1994 eingelangtem Schriftsatz (ON 6) teilte sie mit, daß sich der Beklagte laut Auskunft des Dr.Farhad Paya seit 7.3.1994 nunmehr wieder an der Adresse 9020 Klagenfurt, A*****straße *****, aufhalte. In der Folge gab die beklagte Partei noch zwei weitere Adressen des Beklagten (eine in B*****, eine in Klagenfurt) bekannt und ersuchte um Zustellung der Schriftsätze an sämtliche Adressen (ON 7). Die Gleichschriften der Schriftsätze ON 5 und 6 wurden am 28.3.1994 nach einem Zustellversuch an der Adresse A*****straße ***** beim Postamt Klagenfurt und die Schriftsätze ON 5, 6 und 7 am 5.4.1994 nach Zustellversuchen an der Adresse in B*****, G*****straße *****, beim Postamt B***** hinterlegt. An der Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, wurde dem Beklagten am 11.5.1994 auch eine Ladung zur Tagsatzung am 11.7.1994 durch Ersatzzustellung an einen Mitbewohner der Abgabestelle zugestellt. Am 11.7.1994 fand aber offenbar keine Tagsatzung statt. Es befindet sich ein Vermerk vom 11.7.1994 im Akt, daß Dr.Farhad Paya bekanntgebe, daß sich der Beklagte bis Ende des Jahres im Ausland befinde. In der Folge wurden zwei Ladungen für die am 21.9.1994 anberaumte Tagsatzung an die Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, abgesendet, die jedoch beide mit dem Vermerk rückgemittelt wurden, daß sich der Empfänger derzeit im Ausland aufhalte.

Die Ladung zur Tagsatzung am 9.1.1995, die an die Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, erging, wurde ebenfalls mit dem Vermerk, daß sich der Empfänger derzeit im Ausland befinde, retourniert. Die an der Adresse in B***** zugestellte Ladung zum selben Termin wurde am 31.10.1991 hinterlegt und kam am 22.11.1994 als unbehoben zurück. Der Kläger ist auch zu dieser Tagsatzung nicht erschienen. Das Protokoll über diese Tagsatzung, das als nächsten Verhandlungstermin den 21.2.1995 vorsieht, wurde am 13.1.1995 an der Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, durch Ersatzzustellung an einen Mitbewohner der Abgabestelle zugestellt. Die gleiche Postsendung, die an die Adresse in B***** gerichtet war, kam mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" zurück.

Am 21.2.1995 teilte der Beklagte der für diese Rechtssache zuständigen Erstrichterin telefonisch mit, daß er sich derzeit arbeitsbedingt in Deutschland aufhalte, und zwar an der Adresse 8000-München-K*****, H*****-Straße *****, und entschuldigte sein Fernbleiben von der Tagsatzung. Er erklärte, sowohl an der angegebenen Adresse in Deutschland als auch an der Adresse seiner Mutter in Graz, A*****straße *****, Ladungen entgegenzunehmen. Die Tagsatzung wurde auf den 17.3.1995 erstreckt. Das Tagsatzungsprotokoll und die Ladung für den 17.3.1995 wurden sowohl an die Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, als auch an die angegebene Adresse in München gesendet. Erstere Postsendung kam mit dem Vermerk "Empfänger derzeit im Ausland, Rückkehr nicht bekannt" (datiert mit 6.3.1995), letztere mit dem Vermerk "Unbekannt verzogen" zurück. Zur Tagsatzung vom 17.3.1995 ist der Beklagte wiederum nicht erschienen. Das Erstgericht schloß nunmehr die Verhandlung. Es erkannte die Aufkündigung mit Urteil vom 19.4.1995 für rechtswirksam und trug dem Beklagten die Räumung auf. Es verfügte am selben Tag die Zustellung des Urteiles an beide Parteien. Die Zustellverfügung wurde am 20.4.1995 abgefertigt. Am 7.7.1995 langte ein Zeugnis über die Unzustellbarkeit der Postsendung seitens des Amtsgerichtes München ein. Es enthält die Mitteilung, daß sich der Beklagte am 9.11.1992 nach Klagenfurt abgemeldet habe. Ob ein Zustellversuch auch an der Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, versucht wurde, läßt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Die am 10.7.1995 verfügte Meldeanfrage an das Meldeamt Klagenfurt ergab, daß der Beklagte am 9.6.1995 nach "Unbekannt" polizeilich abgemeldet wurde. Das Erstgericht verfügte daraufhin die "neuerliche" Zustellung des Urteiles an die Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, gemäß § 8 ZustG durch Hinterlegung. Am 17.8.1995 wurde das Urteil demgemäß ohne vorangehenden Zustellversuch beim Postamt 9020 Klagenfurt hinterlegt und kam am 4.9.1995 an das Erstgericht als unbehoben zurück.

Am 19.10.1995 wurde die Räumungsexekution und die Fahrnisexekution bewilligt. Dieser Beschluß wurde am 9.11.1995 an der Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, durch Ersatzzustellung zugestellt. Am 21.11.1995 gab der Beklagte den Antrag zu Protokoll, die Räumungsexekution für sechs Monate aufzuschieben, wobei er als seine Adresse "Klagenfurt, A*****straße *****", angab. Zugleich gab er ebenfalls unter Anführung dieser Adresse einen Rekurs gegen den Exkutionsbewilligungsbeschluß zu Protokoll, in dem er unter anderem anführte, das zugrundeliegende Urteil nicht erhalten zu haben.

Dem Aufschiebungsantrag wurde nicht stattgegeben. Der die Exekution bewilligende Beschluß wurde vom Rekursgericht bestätigt und die Räumung am 15.12.1995 vollzogen.

Am 15.12.1995 überreichte der Beklagte durch seinen nunmehr bevollmächtigten Vertreter Dr.Farhad Paya eine Berufung gegen das Ersturteil, mit dem er unter anderem Nichtigkeit des Urteiles gemäß § 477 Abs.1 Z 4 ZPO geltend machte. Zur Rechtzeitigkeit behauptete er, daß er vom Räumungsurteil erstmals anläßlich seiner Akteneinsicht am 21.11.1995 erfahren habe.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung als verspätet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß das Urteil durch die Hinterlegung am 17.8.1995 gemäß § 23 Abs.4 ZustG wirksam zugestellt worden sei. Die Anordnung der Zustellung durch Hinterlegung nach § 8 ZustG sei zu Recht erfolgt. Wie sich aus dem Telefonat des Beklagten mit der Erstrichterin ergebe, müsse dem Beklagten das im Wege der Ersatzzustellung zugestellte Verhandlungsprotokoll vom 9.1.1995 auch tatsächlich zugekommen sein. Die Anschriften Klagenfurt, A*****straße *****, und H*****-Straße in München seien insbesondere aufgrund der telefonischen Mitteilung des Beklagten als seine bisherigen Abgabestellen anzusehen. Der Beklagte habe in der Folge seine Abgabestelle geändert, wobei die neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten zu ermitteln gewesen sei, wie das Ergebnis der Anfrage bei der Meldebehörde zeige.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß seitens des Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagte behauptete in seiner Berufung, daß er an der Adresse Klagenfurt, A*****straße *****, keine Abgabestelle gehabt habe. Deshalb habe dort auch keine wirksame Ersatzzustellung erfolgen können.

Diese Behauptung widerspricht dem Inhalt seines von der Erstrichterin festgehaltenen persönlichen Telefonates vom 21.2.1995. Die Richtigkeit der Feststellungen der Vorinstanzen über den Inhalt dieses Telefonates wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt. Der Beklagte hat darin aber selbst die Adresse A*****straße ***** als seine Abgabestelle bezeichnet (vgl. Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm.4 zu § 8 ZustG). Mit der bloßen Behauptung des Gegenteils in der Berufung kann er diese Bekanntgabe nicht widerlegen, zumal ohnehin mehrmals bis zu diesem Telefonat unbeanstandet an der Adresse A*****straße ***** Ersatzzustellungen vorgenommen werden konnten. Der Inhalt seines Telefonates weist eindeutig darauf hin, daß er bei seiner Mutter in der A*****straße Unterkunft hatte, sich aber oft arbeitsbedingt in München aufhielt.

Da in der Berufung aber auch - und zwar insoweit ohne Widerspruch mit dem sonstigen Akteninhalt - behauptet wurde, der Beklagte sei von der Adresse A*****straße "aufgrund seiner Abwesenheit polizeilich abgemeldet" worden, erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob der Beklagte zu der Zeit, als die Hinterlegung nach § 8 ZustG angeordnet wurde, nicht auch weiterhin seine Unterkunft an der Adresse A*****straße ***** hatte und ob überhaupt eine Änderung der Abgabestelle vorlag, die ja nicht von der Tatsache der polizeilichen An- oder Abmeldung alleine abhängig ist, sondern die dauernde Verlegung und nicht bloß ein vorübergehendes, etwa berufsbedingtes Verlassen vorausetzt. Die Annahme der Vorinstanzen, der Beklagte habe im Zeitpunkt der Hinterlegung des Urteiles nach § 8 ZustG keine Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG an der Adresse A*****straße ***** gehabt, blieb auch im Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß unbekämpft.

In diesem Rekurs wird jedoch die in der Berufung sinngemäß enthaltene Behauptung, der Beklagte habe an der Adresse A*****straße ***** niemals eine Abgabestelle gehabt, wiederholt und weiters ausgeführt, der Beklagte habe keine Kenntnis vom Verfahren gehabt. Erstere Behauptung ist, wie bereits ausgeführt, aktenwidrig. Zur weiteren Behauptung, der Beklagte habe keine Kenntnis vom Verfahren gehabt, bleibt auch der Rekurs jegliche Aufklärung schuldig, weshalb der Beklagte die für diese Rechtssache zuständige Richterin von sich aus kontaktieren und sein Fernbleiben von der Tagsatzung am 21.5.1995 entschuldigen hätte sollen, wenn er vom Verfahren nichts gewußt haben sollte. Wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausgeführt hat, läßt sich das Telefonat nur damit erklären, daß der Beklagte vom gegenständlichen Verfahren wußte und daß ihm insbesondere die Protokollabschrift vom 9.1.1995, die an einen Mitbewohner an der Adresse A*****straße ***** zugestellt wurde, auch tatsächlich zugekommen ist. Aus diesem Protokoll geht das Kündigungsbegehren der klagenden Partei gegen den Beklagten sowie das Prozeßthema (vgl. insbesondere die Einvernahme des zuständigen Beamten der klagenden Partei) eindeutig hervor. Schon deshalb kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, daß ihm nur die Zustellung der Aufkündigung die entsprechende Kenntnis vom Verfahren verschafft hätte, sodaß sich Erwägungen darüber erübrigen, inwieweit der Beklagte nicht ohnehin über die das Verfahren einleitenden Schriftsätze informiert war. Die Vorinstanzen sind daher aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles zu Recht von der Kenntnis des Beklagten vom Verfahren im Sinn des § 8 Abs.1 ZustG ausgegangen.

Die Rekursausführungen bleiben auch einen Hinweis darauf schuldig, wie das Erstgericht nach der Mitteilung der Meldebehörde, daß der Beklagte am 9.6.1995 polizeilich abgemeldet worden sei, ohne irgendeinen Hinweis auf eine neue Adresse dessen neue Anschrift ermitteln hätte sollen, zumal auch die Mitteilung über den vergeblichen Zustellversuch in München einen weiteren Zustellversuch an dieser Adresse sinnlos erscheinen lassen mußte. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß im Rekurs nun wiederum diese Münchner Adresse als Anschrift des Beklagten angeführt und darin auch behauptet wird, daß der Beklagte "mittlerweile" unter der Anschrift A*****straße ***** in Klagenfurt aufhältig sei. Das Gericht zweiter Instanz hat daher zu Recht die Berufungsfrist ab dem Datum der nach § 8 ZustG erfolgten Hinterlegung des Ersturteiles bemessen (§ 23 Abs.4 ZustG) und die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Rückverweise