4R30/96 – OGH Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Derbolav als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Pöschl und Dr. Hradil in der Rechtssache der klagenden Partei H***** J***** S*****, derzeit 1080 Wien, Justizanstalt Wien-Josefstadt, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*****, 3430 Tulln, K*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert S 500.000,--) infolge des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten vom 12.1.1996, 1 Cg 305/95x-5, den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
In seiner am 10.11.1995 eingebrachten Klage hatte der Kläger, gestützt auf § 78 UrhG, begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, das Bildnis des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn im Zusammenhang damit über das gegen den Kläger anhängige Strafverfahren nach dem Verbotsgesetz berichtet oder behauptet werde, der Kläger sei Führungsfigur oder Angehöriger der gewaltbereiten Neonazi-Szene oder einer Gruppierung, die den Mord an Demokraten geübt habe oder übe oder deren Ziel die Neugründung der NSDAP und die Zerschlagung der demokratischen Republik Österreich gewesen sei oder sei.
In ihrer Klagebeantwortung stellte die beklagte Partei unter Berufung auf den Beschluß des OGH vom 29.8.1995 (AnwBl 1995, 778 = ecolex 1995, 886) gemäß Art. 177 Abs 1 EGV den Antrag, den vorliegenden Rechtsstreit dem EuGH zur Vorabentscheidung über die Frage vorzulegen, ob und inwieweit Lichtbilder iVm dem Bildbegleittext vom Grundrechtsschutz des Art. 10 EMRK umfaßt sind.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht diesen Antrag zurück.
In seiner Begründung führte es aus, gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) entscheide der Gerichtshof im Weg der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung dieses Vertrages,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB,
c) über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen soweit diese Satzungen dies vorsehen. Die Frage, ob und inwieweit Lichtbilder iVm den Begleittext vom Grundrechtschutzes des Art. 10 EMRK umfaßt sind, sei somit kein in die oben unter a) bis c) aufgezählten Zuständigkeitsbereiche des Europäischen Gerichtshofes fallendes Problem.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, der nicht berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Wohl unterstellt der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung nunmehr mitgliedsstaatliche Rechtsnormen dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechtes und bindet sie damit an die Gemeinschaftsgrundrechte, wenn und insoweit diese mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften vertragliche Grundfreiheiten beschränken und sich daher zu ihrer gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigung auf entsprechende vertragliche Ausnahmeklauseln stützen müssen (Holoubek, OGH, EMRK und Gemeinschaftsrecht, ZfV 1996, 33 mwH). Dies setzt aber voraus, daß es sich um Grundfreiheiten handelt, die aus dem EG-Vertrag, EGKS-Vertrag oder aus dem EAG-Vertrag entspringen. Bei der Frage, ob Lichtbilder iVm den Begleittext vom Grundrechtsschutz des Art. 10 EMRK umfaßt sind, handelt es sich aber zweifellos nicht um einen Fall, in dem sich ein Gemeinschaftsbürger in Ausübung seiner vertraglichen Grundfreiheiten nach Österreich begeben und sodann aufgrund der hier in Rede stehenden Rechtsvorschriften Beschränkungen unterworfen wäre, sondern, zumindest aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes, um einen "rein internen Sachverhalt eines Mitgliedsstaates", womit ausgeschlossen ist, daß sich ein Verfahrensbeteiligter auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann (EuGH, Rs C-132/93, Steen II, Slg 1994, I-2719; Holoubek aaO 36).
Das Erstgericht hat somit zu Recht den Antrag, den Rechtsstreit dem EuGH nach Art. 177 Abs 1 EG-Vertrag (bzw. § 90a GOG) vorzulegen, zurückgewiesen, sodaß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 ZPO.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 ZPO.