JudikaturOGH

13Os167/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Archan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Regis R***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 1 und Abs 3 erster und letzter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Regis R***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 26.September 1995, AZ 7 Ns 1238/95 (= 20 Vr 1387/93-48 des Aktes des Landesgerichtes Innsbruck) nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 65 Abs 1 OGHGeo) den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

In Entsprechung eines Antrages der Staatsanwaltschaft Innsbruck beschloß der Untersuchungsrichter beim Landesgericht Innsbruck am 18. Juni 1992 die Einleitung der Voruntersuchung gegen den schweizerischen Staatsangehörigen Regis R***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 12 StGB, des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs 1 StGB und des Vergehens (richtig: Verbrechens) der versuchten Neutralitätsgefährdung nach §§ 15, 320 Abs 1 Z 3 StGB und erließ sodann gegen den Genannten einen Haftbefehl sowie einen Steckbrief. Regis R***** war aufgrund der bisherigen Erhebungsergebnisse der Sicherheitsdirektion für Tirol und Oberösterreich dringend verdächtig, mit weiteren Tatbeteiligten am 19. Jänner 1992 nach gewaltsamem Eindringen aus dem MOB-Lager des österreichischen Bundesheeres in Kartisch/Osttirol Waffen und andere Gerätschaften im Wert von 1,060.000 S mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz weggenommen, durch diese Tat einen Vorrat von Waffen, der nach Art und Umfang geeignet ist, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, angesammelt und schließlich Anfang Februar 1992 in Kärnten versucht zu haben, die in Kartisch erbeuteten Waffen entgegen den bestehenden Vorschriften wissentlich und während eines bewaffneten Konfliktes, an dem die Republik Österreich nicht beteiligt war, bzw bei unmittelbar drohender Gefahr eines Konfliktes aus Österreich nach Slowenien bzw Kroatien auszuführen und dadurch wissentlich eine militärische Formation einer der dortigen Parteien zur Teilnahme an den kriegerischen Unternehmungen auszurüsten und zu bewaffnen. Als Haftgründe wurden Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 175 Abs 1 Z 2, 3 und 4 StPO herangezogen.

Nach Mitteilung, daß Regis R***** am 5.August 1992 in einem Krankenhaus in Bochum festgenommen und in das Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg überstellt worden sei, wurde im vorgesehenen Wege die Auslieferung des Regis R***** zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl beschriebenen Straftaten begehrt und das zuständige deutsche Gericht um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft ersucht. Die am 9.September 1992 vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erteilte und dem Landesgericht Innsbruck am 21.September 1992 zur Kenntnis gebrachte Auslieferungsbewilligung (ON 258 des Aktes AZ 20[vormals 34] Vr 225/92 des Landesgerichtes Innsbruck) wurde am 8.Oktober 1992 vollzogen, und Regis R***** in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert (ON 274).

Nach Kundmachung des oben bezeichneten Beschlusses auf Einleitung der Voruntersuchung sowie Einvernahme zur Sache und den Haftgründen wurde über Regis R***** am 9.Oktober 1992 wegen des dringenden Verdachtes der Hehlerei (in bezug auf die gestohlenen Waffen und Geräte), des Ansammelns von Kampfmitteln und der versuchten Neutralitätsgefährdung aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO die Untersuchungshaft verhängt. Der Beschluß blieb unangefochten (ON 275).

Eine in der Folge eingebrachte Haftbeschwerde wurde in der Haftverhandlung vom 12.November 1992 zurückgezogen (ON 340).

Nach Abschluß der Voruntersuchung wurde am 14.Jänner 1993 gegen Regis R***** und sieben weitere Personen Anklage vor dem Geschworenengericht beim Landesgericht Innsbruck erhoben, wobei Regis R***** die bereits im Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft genannten Delikte zur Last gelegt wurden, und die Staatsanwaltschaft die gegen den leugnenden Regis R***** erhobenen Vorwürfe vorwiegend auf die ihn eindeutig belastenden Angaben des Mitangeklagten Ing.Karl M***** stützte. Dieser änderte jedoch in der Hauptverhandlung am 25. Februar 1993 seine Regis R***** betreffenden Angaben, woraufhin dieser enthaftet, das Verfahren gegen ihn gemäß § 57 StPO ausgeschieden und gesondert unter der AZ 20 Vr 1387/93 fortgesetzt wurde.

Nach Einvernahme zweier Zeugen im Rechtshilfeweg und der sodann am 27. Dezember 1994 erfolgten Anklagerückziehung wurde das Verfahren gegen Regis R***** mit Beschluß vom 2.Jänner 1995 eingestellt.

In seiner im Sinne des § 6 Abs 3 StEG abgegebenen schriftlichen Stellungnahme erklärte Regis R*****, daß seine Anhaltung durch ein gesetzwidriges Auslieferungsersuchen veranlaßt und auch - mangels Vorliegens eines dringenden Tatverdachtes - gesetzwidrig angeordnet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Innsbruck ausgesprochen, daß dem Regis R***** für die Zeit seiner strafgerichtlichen Anhaltung vom 5.August 1992 bis 26.Februar 1993 kein Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 lit a StEG zusteht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Regis R*****, die indes unberechtigt ist.

Das Oberlandesgericht Innsbruck ist im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverfahren keineswegs von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen. Das Oberlandesgericht erwähnt selbst (S 8 des Beschlusses), daß das die vorläufige Auslieferungshaft bewilligende Oberlandesgericht Hamm in seiner Entscheidung vom 11.August 1992 (S 111 ff/II) - ebenso wie das (österreichische) Bundesministerium für Justiz in seinem Schreiben ON 223 im Akt AZ 20 Vr 225/92 - das Verbrechen der Neutralitätsgefährdung als nicht auslieferungsfähiges Delikt bezeichnet haben, verweist aber auch darauf (S 3 des Beschlusses), daß die Auslieferung im vereinfachten Verfahren unter Verzicht auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität (§ 70 ARHG, Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens BGBl 1969/320) bewilligt worden ist (ON 258 in AZ 20 Vr 225/92) und daß dem Verbrechen der Hehlerei statt jenem des schweren Diebstahls durch Einbruch nur eine andere rechtliche Beurteilung desselben Sachverhalts zugrundelag.

Sohin geht der Vorwurf eines im Zusammenhang mit der Auslieferung unterlaufenen Rechtsirrtums ins Leere.

Aber auch der Vorwurf, die Annahme des höheren Grades an Wahrscheinlichkeit der Begehung der strafbaren Handlungen sei nicht nachvollziehbar - die zutreffend angenommenen Haftgründe werden an sich gar nicht bestritten - erfolgt nicht zu Recht. Denn der gegen Regis R***** bestehende Tatverdacht war auf Grund der eindeutigen und ihn wiederholt belastenden Aussage des Ing.M***** und zweier weiterer Zeugen, bis zur Änderung dieser Aussagen und der daraufhin erfolgten Enthaftung als dringend einzustufen. Das alles hat das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung entsprechend der seinerzeitigen Beweislage - auf welche abzustellen ist - auch detailliert und unter aktenkonformer Bezugnahme auf die Aussagen des Ing.M***** und weiterer Mitbeschuldigten bzw Mitangeklagten zutreffend dargelegt (s. S 6 f der Beschlußbegründung), denen der Beschwerdeführer entscheidende Umstände nicht entgegenzuhalten vermag: Einzelne aus dem Zusammenhang gelöste Sätze aus einer der belastenden Aussagen können nämlich nicht den in ihnen innewohnenden Gesamtvorwurf gegen Regis R***** verändern.

Daß dem Beschwerdeführer jetzt (rückblickend) diese Beweismittel nicht ausreichend erscheinen, um daraus - bis zu seiner Enthaftung - einen dringenden Tatverdacht abzuleiten, vermag (objektiv) eine Gesetzwidrigkeit der Anhaltung in Auslieferungs- bzw Untersuchungshaft ebensowenig zu begründen wie sein Vorbringen, daß er enthaftet worden sei, ohne daß neue Beweisergebnisse zutage getreten seien. Ist doch, wie schon ausgeführt, auf den Erhebungsstand und die Sachlage im Zeitpunkt der als gesetzwidrig erachteten Entscheidung abzustellen, wobei sich im vorliegenden Fall erst unmittelbar vor der Enthaftung die Beweislage entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers verändert hat.

Zutreffend verneinte sohin das Oberlandesgericht Innsbruck das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 lit a StEG, sodaß der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.

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