4Ob85/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****gesellschaftmbH, ***** vertreten durch Braunegg, Hoffmann Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "M*****", ***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 27.April 1994, GZ 2 R 90/94-14, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 21.Februar 1994, GZ 3 Cg 378/93f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Beklagte handeln mit Brillenfassungen und Optikbedarf. Die Beklagte versandte am 10.8.1993 ein Werbeschreiben (direct mailing), in dem sie anbot, bei einer Abnahme von Brillenfassungen im Wert von S 10.000,-- Brillenetuis im Wert S 2.200,-- und bei einer Abnahme von Brillenfassungen im Wert von S 20.000,-- Brillenetuis im Wert von S 5.500,-- unentgeltlich mitzuliefern. Am 25.8.1993 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin, es zu unterlassen, Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien), die gegen die Bestimmungen des Zugabengesetzes verstoßen, anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren; insbesondere verpflichtete sie sich, es zu unterlassen, Unternehmern anzubieten, Handelsware bei einem entsprechenden Einkauf von Brillenfassungen bis S 45.000,-- gratis zu überlassen.
Christa F***** ist bei der Beklagten im Außendienst tätig. Die Beklagte setzte sie von der Unterlassungsverpflichtung in Kenntnis und wies darauf hin, daß derartige Anbote nicht mehr zu machen seien. Dessen ungeachtet wiederholte Christa F***** am 8.9.1993 in einem Telefonat mit Peter G***** das in der Werbeaussendung vom 10.8.1993 enthaltene Zugabenanbot; sie wollte ein Geschäft abschließen. Peter G***** ist Inhaber eines Optikgeschäftes sowie Geschäftsführer der P***** GesellschaftmbH und der KG P*****.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, in schriftlichen oder mündlichen Werbeanboten an Optikunternehmen oder artverwandte Betriebe neben Waren oder Dienstleistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren; insbesondere der Beklagten zu untersagen, im Falle der Abnahme von Brillenfassungen (unabhängig welcher Art) im Wert von zumindest S 10.000,-- die Gratisauswahl von Brillenetuis im Wert von S 2.200,--, im Falle des Bezuges von Brillenfassungen im Wert von zumindest S 20.000,-- die Gratisauswahl von Handelsware, insbesondere Brillenetuis im Wert von S 5.500,-- aus einem achtseitigen Prospekt anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren.
Die Beklagte habe bereits im August 1993 mit undatiertem Schreiben österreichische Optikfachgeschäfte in Kenntnis gesetzt, daß sie "Handelsware zum Nulltarif" abgebe und daß der jeweilige Käufer bei Abnahme eines Postens Handelsware bis S 45.500,-- "gratis auswählen könne". Die Klägerin habe die Beklagte aufgefordert, sich zur Unterlassung zu verpflichten. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung habe die Beklagte ihr wettbewerbswidriges Verhalten fortgesetzt.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.
Sie habe nach Abgabe der Unterlassungserklärung sämtliche Mitarbeiter angewiesen, in Hinkunft Unternehmern keine Zugabe mehr anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Christa F***** habe keine Zugabe angeboten; ein allfälliges Anbot sei entgegen der ausdrücklichen Weisung der Geschäftsleitung oder irrtümlich erfolgt. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung.
Mit dem Anbot einer Zugabe habe die Beklagte gegen § 9 a Abs 1 Z 2 UWG verstoßen. Die als Zugabe in Aussicht gestellten Brillenetuis seien weder geringwertig noch eine Verpackung. Christa F***** habe im Betrieb des Unternehmens gehandelt; für ihr Verhalten habe die Beklagte einzustehen. Die Beklagte habe den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Verwertung einer Tonbandabschrift als Bescheinigungsmittel habe keine verfassungsmäßig geschützten Rechte der Beklagten oder Christa F***** verletzt. Ob Peter G***** mit dem Tonbandmitschnitt des mit Christa F***** geführten Telefongespräches strafgesetzwidrig gehandelt habe, sei zumindest zweifelhaft. Es sei nur eine Tonbandabschrift veröffentlicht worden; § 120 Abs 2 StGB verlange aber die Veröffentlichung der Tonbandaufnahme selbst. Die Klägerin sei überdies in einer schwierigen Beweislage gewesen, so daß im Sinne einer Gesamtabwägung die Strafbarkeit eher zu verneinen sein werde. Auch der Persönlichkeitsschutz nach § 16 ABGB hindere die Verwertung des Bescheinigungsmittels nicht. Es sei auch nicht auszuschließen, daß das Erstgericht seine Feststellungen allein auf die Aussage der Auskunftsperson Peter G***** hätte gründen können.
Das Rekursgericht teile die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Ob Peter G***** als Testkäufer das Telefonat ohne Zustimmung Christa F***** auf Band aufgenommen habe, sei nicht von Bedeutung, weil dieses Verhalten für den Wettbewerbsverstoß der Beklagten nicht kausal gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Mit Erkenntnis vom 28.9.1995, G 208/94-10, 14/95-9, hat der Verfassungsgerichtshof die Anträge des Obersten Gerichtshofes und des Oberlandesgerichtes Linz abgewiesen, § 9 a Abs 1 Z 2 UWG als verfassungswidrig aufzuheben. Nach dieser Bestimmung kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wer Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt.
§ 9 a Abs 1 Z 2 UWG ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden; die Bedenken des erkennenden Senates gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gegenstandslos geworden.
Die Beklagte bekämpft die einstweilige Verfügung als zu weitgehend. Die einstweilige Verfügung stütze sich nur darauf, daß Christa F***** in einem Telefonat mit Peter G***** eine Zugabe angeboten habe; daß die Zugabe angekündigt und gewährt worden wäre, sei nicht festgestellt. Die Tonbandabschrift hätte nicht verwertet werden dürfen, weil es grob sittenwidrig und rechtswidrig sei, Gespräche heimlich auf Tonband aufzunehmen.
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat die Beklagte die Zugabe nicht nur durch ihre Angestellte in einem Telefongespräch angeboten, sondern (auch) in einer Werbeaussendung (direct mailing) angekündigt, auf die sich die Anruferin bezog. Während nach § 9 a Abs 1 Z 1 UWG gegenüber Verbrauchern nur Zugabenankündigungen in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, untersagt sind, erfaßt § 9 a Abs 1 Z 2 UWG das Ankündigen von Zugaben gegenüber Unternehmern ohne jede Einschränkung. Anders als gegenüber Verbrauchern (s ecolex 1993, 824 = MR 1993, 196 = ÖBl 1993, 250 = WBl 1994, 33 - Penaten-Creme) sind gegenüber Unternehmern auch solche Ankündigungen verboten, die nicht in öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen erfolgen, welche für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, sofern insoweit überhaupt noch von einem Ankündigen gesprochen werden kann und nicht schon ein Anbieten vorliegt. Dies war vom Gesetzgeber beabsichtigt, wird doch in den Materialien (RV 92 bei Schönherr/Wildschek, UWG6 45 f, FN 3) dieser Unterschied sogar besonders hervorgehoben: "In diesem Fall setzt das Ankündigungsverbot nicht voraus, daß die Ankündigung für einen größeren Personenkreis bestimmt ist" (s dazu Kucsko, Heimliche Zugabenankündigung, ecolex 1992, 421, der zutreffend betont, daß es sehr schwerfallen wird, hier eine sinnvolle Abgrenzung zu finden).
Nach dem Vorbringen der Klägerin hat die Beklagte österreichische Optikfachgeschäfte davon in Kenntnis gesetzt, daß sie "Handelsware zum Nulltarif abgebe" und daß der jeweilige Käufer bei Abnahme eines Postens Brillenfassungen Handelsware bis S 45.500,-- "gratis auswählen könne". Das Erstgericht hat festgestellt, daß diese Mitteilung die Grundlage für das Zugabenanbot war, das Christa F***** Peter G***** telefonisch machte. Die Beklagte geht - entgegen dem Akteninhalt - davon aus, daß bloß das telefonische Anbot festgestellt sei. Wäre dies richtig, so könnte tatsächlich nicht auch das Ankündigen von Zugaben verboten werden (s Kucsko aaO 422). Die Beklagte hat aber Zugaben einzelnen Kunden angeboten und in einer Werbeaussendung an Optikerfachgeschäfte auf dieses Angebot hingewiesen; es kann ihr daher beides, aber auch das Gewähren von Zugaben verboten werden: Das Ankündigen oder Anbieten von Zugaben rechtfertigt schon unter dem Gesichtspunkt der vorbeugenden Unterlassungsklage ein Verbot des Gewährens, ist doch nach der Lebenserfahrung anzunehmen, daß derjenige, der eine Zugabe ankündigt oder anbietet, diese auch gewähren wird (ecolex 1992, 487 [Kucsko] = MR 1992, 125 [Korn] - EGO; s ÖBl 1987, 163 - Ladenspiel; s auch Anm Schönherr zu ÖBl 1979, 83 - Sparbuch mit Höchstverzinsung).
Den von der Klägerin behaupteten Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens - Bescheinigung des Sachverhalts (auch) durch die Abschrift eines heimlichen Tonbandmitschnittes - hat das Rekursgericht mit zutreffender Begründung verneint. Der Mangel kann daher im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (s Kodek in Rechberger ZPO § 528 Rz 1 mwN).
Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.