JudikaturOGH

8ObA304/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Hofrat Robert List als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heidemarie H*****, vertreten durch Dr.Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** Nagelstudio, Inhaberin Rosemarie B*****, vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 12.309,56 S sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Juni 1995, GZ 9 Ra 51/95-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. September 1994, GZ 25 Cga 133/94z-9,abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 3.248,44 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 541,44 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte mit ihrer als "Titelergänzungsklage" bezeichneten Klage die Feststellung, daß das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.Dezember 1992 zu 25 Cga 339/92 sowie der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien zu dieser Geschäftszahl vom 6. August 1993 auch gegen Rosemarie B***** vollstreckt werden kann. Die Klägerin brachte vor, sie sei vom 12.November 1990 bis 9.März 1992 bei der ehemaligen Betreiberin des Nagelstudios L*****, Rosemarie G***** beschäftigt gewesen. Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.Dezember 1992 und Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 6.August 1993 seien ihr Dienstnehmeransprüche von 12.903,56 S sA und Kosten von 8.839,52 S zugesprochen worden. Bei einer Pfändung habe sich herausgestellt, daß Rosemarie G***** das gesamte Unternehmen am 1.Jänner 1993 ihrer Tochter Rosemarie B***** übergeben habe. Diese hafte gemäß § 1409 ABGB für die Verbindlichkeiten des übernommenen Unternehmens.

Mit Versäumungsurteil vom 19.September 1994 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.Jänner 1995 gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß nur dann von einem Übergang einer Verpflichtung auf eine andere Person im Sinne des § 9 EO gesprochen werden könne, wenn statt des bisher Verpflichteten ein anderer Verpflichteter eintrete, etwa im Falle einer privativen Schuldübernahme. Nach § 1409 ABGB werde auch der Übernehmer eines Vermögens oder Unternehmens - unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers - den Gläubigern der zum Unternehmen oder Vermögen gehörenden Schulden, die der Übernehmer bei Übernahme kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Hiebei handle es sich nicht um eine Schuldübernahme, sondern um einen gesetzlichen Schuldbeitritt, da der Veräußerer weiter Schuldner bleibe. Das Exekutionsverfahren sei daher auch weiter gegen den Veräußerer zu führen und es werde keine Rechtsnachfolge im Sinne des § 9 EO bewirkt. Schon im Hinblick auf Art 6 MRK sei eine ausdehnende Interpretation dieser Bestimmung nicht geboten, da die Erstreckung der Rechtskraftwirkung durch die §§ 9 und 10 EO dazu führe, daß der Rechtsnachfolger keinerlei Einwendungen gegen die Berechtigung des Anspruches erheben könne, sondern Prozeßgegenstand nur die Rechtsnachfolge sei. § 9 EO sei daher auf jene Fälle einzuschränken, in denen gegen den bisherigen Schuldner nicht mehr Exekution geführt werden könne.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens, hilfsweise, es dahin abzuändern, daß die beklagte Partei schuldig erkannt werde, der Klägerin einen Betrag von 12.903,56 S samt 4 % Zinsen seit dem 23.6.1992 und 8.839,52 S an Kosten sowie die Kosten des gegenständlichen Verfahrens zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, begründet die Haftung des Übernehmers eines Unternehmens nach § 1409 ABGB keinen Übergang der Verpflichtung im Sinne des § 9 EO, da die Haftung des bisherigen Schuldners aufrecht bleibt; es genügt daher, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG), wobei den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten ist, daß in der von ihr zitierten Entscheidung ÖBA 1994, 159 zwar zur Haftung des Vermögensübernehmers nach § 1409 ABGB, nicht aber zur hier entscheidungswesentlichen Frage Stellung genommen wird, ob diese Haftung mit Titelergänzungsklage nach den §§ 9 und 10 EO geltend zu machen ist. Nach Lehre (Heller-Berger-Stix Komm EO4 I 225 und 237 f; Klicka, Zivilprozessuale Fragen bei Unternehmensveräußerung, ecolex 1990, 205 ff [207]) und Rechtsprechung (SZ 2/4; Rsp 1931/322 sowie JBl 1958, 340) bewirkt eine Vermögensübernahme nach § 1409 ABGB aber nur einen Schuldbeitritt und nicht einen Übergang der Verpflichtung im Sinne des § 9 EO, da die Haftung des Veräußerers aufrecht bleibt.

Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, das Erstgericht hätte in Stattgebung des Antrages der Klägerin auf Fällung eines Versäumungsurteils ein vom erhobenen Feststellungsbegehren abweichendes Leistungsurteil fällen müssen, ist sie auf die Bestimmung des § 405 ZPO zu verweisen (vgl auch EvBl 1974/238; 1 Ob 16/93 sowie1 Ob 516/93).

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