13Os158/95(13Os159/95) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 18.September 1995 (AZ 10 Bs 234/95) und einen Vorgang aus dem Verfahren AZ 24 Vr 1067/95 des Landesgerichtes Linz nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, und des Verteidigers Mag.Neumann, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren 24 Vr 1067/95 des Landesgerichtes Linz verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 498 Abs 2 vorletzter Satz StPO
1. der Vorgang, daß das Landesgericht Linz die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO ergangenen Beschluß vor Ablauf der Frist für die Erstattung einer Gegenausführung des Verurteilten dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung vorlegte;
2. der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 18.September 1995, AZ 10 Bs 234/95.
Der genannte Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht Linz aufgetragen, gesetzesgemäß zu verfahren.
Text
Gründe:
Mit dem - auch einen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23.August 1995, GZ 24 Vr 1067/95-32, wurde Andreas H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 vierter und fünfter Fall SGG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem sprach das Erstgericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO aus, daß die Verurteilung keinen Anlaß für den Widerruf der in den Verfahren 34 Hv 28/94 (= 34 Vr 1126/94) und 35 Hv 108/90 (= 35 E Vr 1641/90) des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Stafnachsichten biete, und verlängerte gemäß § 494 a Abs 6 StPO iVm § 53 Abs 1 (richtig: Abs 2) StGB die Probezeit aus dem Verfahren 34 Hv 28/94 (34 Vr 1126/94) auf fünf Jahre, erteilte dem Angeklagten gemäß §§ 50, 51 StGB eine Weisung und bestellte ihm gemäß §§ 50 und 52 StGB einen Bewährungshelfer.
Während das Urteil in Rechtskraft erwuchs, erhob die Staatsanwaltschaft gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO ergangenen Beschluß in bezug auf das Absehen vom Widerruf der zu 34 Vr 1126/94 des Landesgerichtes Linz gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht und der damit verbundenen Verlängerung der Probezeit (S 231 des Vr-Aktes) Beschwerde. Der Vorsitzende verfügte am 12.September 1995 sowohl die Zustellung einer Gleichschrift der Beschwerde an den Verteidiger als auch die Vorlage des Rechtsmittels an das Oberlandesgericht Linz (3 c, 235). Dieses gab der Beschwerde mit Beschluß vom 18.September 1995, AZ 10 Bs 234/95 (GZ 24 Vr 1067/95-36 des Landesgerichtes Linz), Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO der im Verfahren 34 Vr 1126/94, 34 Hv 28/94 des Landesgerichtes Linz bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Das Vorgehen sowohl des Landesgerichtes als auch des Oberlandesgerichtes steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß § 498 Abs 2 vorletzter Satz StPO ist nämlich die Beschwerde gegen die im Abs 1 genannten Beschlüsse - damit auch die Beschwerde gegen das Absehen vom Widerruf einer bedingten Nachsicht und die (hier damit verbundene) Verlängerung der Probezeit samt Erteilung einer Weisung und Bestellung eines Bewährungshelfers - dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen eine Gegenausführung überreichen könne.
Mit dieser durch das Strafprozeßänderungsgesetz 1993 neu geschaffenen Bestimmung wollte der Gesetzgeber - dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs entsprechend - die Gegenpartei in die Lage versetzen, ihren Standpunkt vor der endgültigen Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes in das Verfahren einzubringen (RV 924 BlgNR XVIII.GP, 44). Derartige Beschwerden sind daher zweiseitige Rechtsmittel (s Foregger-Kodek, StPO6, § 280 Erl IV). Das erfordert aber, daß schon mit der Rechtsmittelvorlage an die Instanz umso mehr aber mit der Entscheidung durch diese solange zugewartet werden muß, bis die Gegenausführung erstattet bzw die hiefür offen stehende Frist verstrichen ist.
Im gegebenen Fall hätte daher der Vorsitzende des Schöffengerichtes die Vorlage der Beschwerde an das Oberlandesgericht Linz vor Ablauf der genannten Frist nicht verfügen und das Beschwerdegericht nicht entscheiden dürfen.
Dies wirkte sich für den Verurteilten im vorliegenden Fall besonders nachteilig aus, weil die Gründe des Erstgerichts für das Absehen vom Widerruf dem Beschwerdegericht verborgen blieben. Denn die Urschrift (§ 78 StPO) des gemeinsam mit Beschluß verkündeten (rechtskräftigen) Urteils war im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch nicht erstellt (s S 225, Anhang zu ON 35).
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher wie im Spruch zu entscheiden.