10ObS198/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Hübner und Dr.Heinrich Basalka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria K*****, vertreten durch Dr.Arne R.Schlossar, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Juni 1995, GZ 8 Rs 53/95-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.November 1994, GZ 30 Cgs 83/94v-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 13.1.1994 den auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension ab 1.12.1993 gerichteten Antrag der am 15.1.1950 geborenen Klägerin ab.
Dem dagegen erhobenen Klagebegehren gab das Erstgericht statt, stellte fest, daß ab 1.12.1993 Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension dem Grunde nach in gesetzlicher Höhe zu Recht bestehe und setzte eine vorläufige Leistung von S 1.000,-- monatlich fest.
Es legte seiner Entscheidung zugrunde, daß die Klägerin an einem Lumbal- und Zervikalsyndrom ohne neurologische Ausfallserscheinungen leide. Der psychische Befund stehe mit Hemmung, Depressivität, Weinerlichkeit, Überlagerung und Antriebsverminderung im Vordergrund. Die Klägerin könne leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen verrichten. Verweisungsfähigkeit sei gegeben, doch dürften nur durchschnittliche Anforderungen an die praktische Intelligenzleistung gestellt werden. Akkordarbeiten oder Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck sowie Arbeiten in Produktions- und Fertigungsbetrieben seien derzeit ausgeschlossen. Pendelarbeiten seien derzeit nicht zumutbar, woraus sich ergebe, daß der Klägerin umsoweniger ein Wohnsitzwechsel zugemutet werden könne. Eine Besserung des depressiven Zustandsbildes sei möglich, wobei die Therapie nicht unbedingt stationär vorgenommen werden müsse. Diese Therapie sei zumindest durch sechs Monate durchzuführen und sei im höchsten Fall zu 70 bis 80 vH von Erfolg gekrönt. Bei Erfolg der Therapie wären der Klägerin auch Pendelarbeiten wieder zumutbar.
Die Klägerin sei ab 1980 als selbständige Kleinlandwirtin tätig gewesen und habe den Betrieb 1993 verpachtet.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin die Tätigkeit einer Kleinlandwirtin, die gerichtsbekanntermaßen mit einer mittelschweren bis schweren körperlichen Belastung verbunden sei, nicht mehr ausüben könne. Sie sei zwar verweisungsfähig und könnte unter Zugrundelegung ihres Leistungskalküls die Tätigkeit einer Kassiererin im Sitzen, einer Parkhauskassiererin oder einer Garderobierin ausüben; da Pendelarbeiten bzw eine Wohnsitzverlegung ausgeschlossen seien, gäbe es jedoch keinerlei Verweisungstätigkeiten im Wohnbereich der Klägerin in annähernd genügender Anzahl. Sie sei daher dauernd außerstande, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, so daß der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension zu Recht bestehe.
Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge und wies in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles das Klagebegehren ab. Auch wenn die die Erwerbsunfähigkeit bewirkende Gesundheitsstörung bei einer der Versicherten zumutbaren Behandlung voraussichtlich erst nach einem Jahr behoben oder im Sinne einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert werden könne, liege noch keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor, weil es sich noch nicht um einen ungewöhnlich langen oder unabsehbaren Zeitraum handle. Die von der Klägerin zu verlangende Therapie in der Dauer von mindestens einem halben Jahr würde mit 70 bis 80 %iger Wahrscheinlichkeit wieder eine Verweisungsfähigkeit der Klägerin herbeiführen, so daß die Voraussetzungen für die dauernde Erwerbsunfähigkeit derzeit nicht gegeben seien.
Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Rüge der Aktenwidrigkeit der Feststellung einer ambulanten Therapie muß schon deshalb ins Leere gehen, weil die Revisionswerberin lediglich vom schriftlichen Gutachten des Sachverständigen ausgeht, ohne die mündliche Ergänzung des Gutachtens in der Verhandlung vom 18.11.1994 zu beachten, in der der Sachverständige ausführt, daß die Therapie nicht unbedingt stationär vorgenommen werden müsse. Damit ist auch ihr unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobener Einwand, es könne ihr nicht zugemutet werden, eine zumindest 6-monatige stationäre Therapie in Graz zu absolvieren, widerlegt.
Im übrigen ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - dauernde Erwerbsunfähigkeit selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Erwerbsunfähigkeit bei einer der Versicherten zumutbaren Behandlung voraussichtlich erst nach einem Jahr behoben oder im Sinne einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert werden kann, weil es sich dabei noch immer nicht um einen ungewöhnlich langen oder nicht absehbaren Zeitraum handelt (SSV-NF 5/63, 8/114 mwN).
Während nach § 254 Abs 1 Z 1 bzw § 271 Abs 1 Z 1 ASVG die Pension bis zu jenem Zeitpunkt vorübergehend (§ 256 ASVG) zuzuerkennen ist, für den mit Sicherheit oder mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der Invalidität oder Berufsunfähigkeit vorhergesagt werden kann (SSV-NF 8/100 mwN; 10 Ob S 253/94), fehlt die Möglichkeit des Zuspruchs einer vorübergehenden Erwerbsunfähigkeitspension im BSVG. Daher führt die hohe Wahrscheinlichkeit der Besserung des Leidenszustandes der Klägerin bei einer Therapiedauer von zumindest sechs Monaten mit einer Erfolgsquote von 70 bis 80 vH (SSV-NF 8/100) dazu, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension bei ihr nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.