JudikaturOGH

3Ob111/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Margarete M*****, vertreten durch Dr.Otto Ackerl und Dr.Adalbert Laimer, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Christa K*****, vertreten durch Dr.Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 154.176,35 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25.April 1995, GZ 46 R 387/95-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Jänner 1995, GZ 69 E 1105/93-18, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der bezüglich der Aufschiebung der Exekution und der S 73.000,-- nicht übersteigenden Auferlegung einer Sicherheitsleistung als rechtskräftig unberührt bleibt, wird aufgehoben, soweit damit über die Auferlegung einer Sicherheitsleistung von S 73.000,-- entschieden wurde. Die Exekutionssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 27.7.1992 bewilligte das damals zuständige Exekutionsgericht Wien der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei zur Hereinbringung der Forderung von S 154.176,35 samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit 1.5.1983, der Kosten von S 65.057,-- und S 12.492,40 sowie der mit S 5.323,80 bestimmten Kosten des Exekutionsantrags die Fahrnisexekution. Die Pfändung wurde am 28.7.1992 gemäß § 257 Abs 1 EO durch Anmerkung auf dem vorhandenen Pfändungsprotokoll vollzogen. Sie erfaßte insgesamt 79 schon pfandweise verzeichnete und beschriebene Gegenstände. Hievon setzte der Gerichtsvollzieher für 65 Gegenstände gemäß dem noch anzuwendenden, durch die EO-Nov 1995 mit Wirkung ab 1.7.1996 aufgehobenen § 563 Abs 2 Geo einen Bleistiftwert von insgesamt S 45.703,-- ein und unterließ bei den übrigen Pfandgegenständen die Angabe eines Bleistiftwertes, und zwar in einem Fall offensichtlich versehentlich und in den übrigen Fällen mit dem Hinweis, daß die Schätzung durch einen Sachverständigen notwendig sei. Die Forderungen der betreibenden Gläubiger, deren Pfandrecht dem Pfandrecht der hier betreibenden Partei im Rang vorgehen, betragen nach dem vorliegenden Pfändungsprotokoll zusammen S 605.604,80 zuzüglich der Nebengebühren.

Am 7.6.1993 brachte die Verpflichtete beim Titelgericht gegen die betreibende Partei eine Oppositionsklage ein und stellte den am 8.6.1993 beim Erstgericht eingelangten Antrag, die Fahrnisexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Oppositionsklage aufzuschieben und "von der Festsetzung einer Sicherheitsleistung gemäß § 44 (2) 1 EO Abstand" zu nehmen.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab, weil die Aufschiebung nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt werden könne, die Verpflichtete aber ausdrücklich beantragt habe, die Exekution ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung aufzuschieben.

Das Rekursgericht schob infolge Rekurses der Verpflichteten die Exekution gegen eine Sicherheitsleistung von S 73.000,-- auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Aufschiebung müsse zwar bewilligt werden, weil dem Aufschiebungsantrag nicht zu entnehmen sei, daß die Verpflichtete die Aufschiebung nur ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung erreichen habe wollen. Gemäß § 44 Abs 2 Z 3 EO müsse die Aufschiebung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, zumal die Verpflichtete die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen den Anspruch stützen, nicht durch unbedenkliche Urkunden dargetan habe und daher § 44 Abs 2 Z 1 EO keine Anwendung finde. Bei der Festsetzung der zu leistenden Sicherheit sei auf die voraussichtliche Dauer der Aufschiebung und auf die Höhe der betriebenen Forderung einschließlich der Nebengebühren Bedacht zu nehmen. Hiebei sei "nach ständiger Judikatur" die Sicherheit mit einem Viertel der betriebenen Forderung samt Nebengebühren zu bestimmen.

Nach Vorliegen der Rekursentscheidung hat das Erstgericht den Verkauf der gepfändeten Gegenstände angeordnet. Der Versteigerungstermin wurde jedoch noch nicht bestimmt.

Gegen den angeführten Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten, mit dem der Beschluß "hinsichtlich seines formellen Mangels an Rechtskraftfähigkeit" und hinsichtlich der Festsetzung einer Sicherheitsleistung von S 73.000,-- angefochten wird. Das Rechtsmittel ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Rekursgericht von der Entscheidung SZ 62/23 abgewichen ist und weil der Entscheidungsgegenstand an Geld unabhängig von dem - demnach überflüssigen - Ausspruch des Rekursgerichtes S 50.000,-- übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Nicht nachvollziehbar sind allerdings die Ausführungen zur mangelnden Rechtskraftfähigkeit des angefochtenen Beschlusses. Die Verpflichtete beruft sich dabei offensichtlich auf die in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß angeführten Mängel, die ihrer Meinung nach dieser Beschluß aufweist. Solche Mängel sind aber für den Erfolg eines gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz gerichteten Revisionsrekurses ohne Bedeutung, zumal auch für den Revisionsrekurs gilt, daß Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die vom Rekursgericht verneint wurden, damit nicht mehr geltend gemacht werden können (Miet 35.438; ÖBl 1978, 146 ua).

Hier ist nicht mehr zu prüfen, ob die Aufschiebung der Exekution bewilligt werden hätte dürfen, obwohl nach nunmehr herrschender Auffassung die Unzulänglichkeit des Nachlasses schon im Titelverfahren einzuwenden ist (und von der verpflichteten Partei auch eingewendet wurde) und die Einwendung mit Oppositionsklage nur geltend gemacht werden kann, wenn sie nicht schon im Titelverfahren erhoben werden hätte können (NZ 1991, 248; JBl 1984, 317; SZ 49/77; 2 Ob 563/93; 8 Ob 626/93 ua; Welser in Rummel2 Rz 8 zu § 802; für den hier zu entscheidenden Fall auch Heller/Berger/Stix I 376). Da die Exekution rechtskräftig aufgeschoben wurde, ist hievon auszugehen und es bildet nur mehr die im Fall der Aufschiebung der Exekution zu leistende Sicherheit den Gegenstand der Entscheidung.

Nicht gefolgt werden kann ferner der Ansicht der Verpflichteten, § 44 Abs 2 Z 1 EO schließe die Auferlegung einer Sicherheitsleistung aus. Abgesehen davon, daß die Aufschiebung auch bei Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle festgelegten Voraussetzungen von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden darf (SZ 51/127), ist das Rekursgericht mit Recht davon ausgegangen, daß diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind. Die Verpflichtete stützt ihre Klage darauf, daß sie als bedingt erbserklärte Erbin für die betriebene Forderung wegen der Unzulänglichkeit des Nachlasses nicht hafte. Es liegt auf der Hand, daß diese Unzulänglichkeit mit den von der Verpflichteten vorgelegten Urkunden, wozu einer von ihr verfaßte "Darstellung" der Aktiven und Passiven des Nachlasses und das Rechtsgutachten eines Universitätsprofessors gehören, nicht im Sinn des § 44 Abs 2 Z 1 EO dargetan wird. Dabei ist selbstverständlich, daß eine vom Verpflichteten selbst verfaßte Urkunde nicht ausreicht, zumal dasselbe für eine von einem Dritten errichtete Privaturkunde gilt (RPflE 1988/130; EvBl 1963/453).

Da die Exekution hier rechtskräftig zur Gänze und somit auch bezüglich zukünftiger Exekutionsakte aufgeschoben wurde, ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß sich die Höhe der zu leistenden Sicherheit nach der Höhe der betriebenen Forderung und den schon angefallenen und während der Dauer der Aufschiebung voraussichtlich noch anfallenden Nebengebühren richtet, wozu noch der zu erwartende Verzögerungsschaden kommt (SZ 62/23). Wurden bereits Gegenstände gepfändet, so ist jedoch, wie in der angeführten Entscheidung dargelegt wird, der voraussichtlich hiefür zu erzielende Erlös abzuziehen, wobei gegebenenfalls vom Bleistiftwert ausgegangen werden kann, der abzuziehende Betrag jedoch unter Anwendung des § 273 ZPO im Hinblich auf eine zu erwartende Wertminderung im allgemeinen geringer anzusetzen ist. Gibt es für die Pfandgegenstände weder einen Schätz- noch einen Bleistiftwert und steht bis zum Versteigerungstermin noch ausreichend Zeit zur Verfügung, so sind gemäß § 55 Abs 2 und 3 EO durch geeignete Erhebungen, also vor allem durch Schätzung der Pfandgegenstände, die Grundlagen für die Bestimmung der Sicherheit zu ermitteln (zu allem SZ 62/23).

Nicht verständlich ist die Meinung der Verpflichteten, daß wegen der zugunsten anderer betreibender Gläubiger bestehenden Vorpfandrechte eine Sicherheitsleistung nicht auferlegt werden dürfe. Wird die Exekution nicht nur bezüglich der Pfandgegenstände, sondern, wie hier, zur Gänze aufgeschoben, so führt das Vorhandensein von Vorpfandrechten sogar dazu, daß der für die Pfandgegenstände voraussichtlich erzielbare Erlös bei der Festsetzung der zu leistenden Sicherheit nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden darf, wenn der Verpflichtete nicht wahrscheinlich macht, daß die Forderungen der vorrangigen betreibenden Gläubiger wegfallen werden; sonst kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Forderung des von der Aufschiebung betroffenen betreibenden Gläubigers durch die Pfandgegenstände gesichert ist. Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt, daß in dem angeführten Fall von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung auch dann nicht abgesehen werden darf, wenn die Aufschiebung nur bezüglich der bereits gepfändeten Gegenstände bewilligt wird. In diesem Fall muß nämlich, anders als bei der auch zukünftige Vollzugsakte betreffenden Aufschiebung, die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß die Forderungen wegfallen. Dies bedeutet aber, daß die Aufschiebung der Exekution die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zumindest gefährden kann, weshalb gemäß § 44 Abs 2 Z 3 EO die Aufschiebung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht daher den Wert der Pfandgegenstände, für die kein Bleistiftwert eingesetzt wurde, zu ermitteln haben. Hiezu sei darauf hingewiesen, daß die Kosten einer Schätzung der Verpflichtete vorzuschießen hat (SZ 62/23). Kommt die Verpflichtete einem ihr hiezu erteilten Auftrag nicht nach und weist sie auch sonst den Wert der Pfandgegenstände, für die kein Bleistiftwert eingesetzt wurde, nicht nach, so kann bei der Festsetzung der Sicherheit nur von jenen Pfandgegenständen ausgegangen werden, für die ein Bleistiftwert vorhanden ist. Von dem festgestellten Wert der Pfandgegenstände werden gegebenenfalls die Wertminderung und die Forderungen der vorrangigen betreibenden Gläubiger an Kapital und Nebengebühren, soweit deren Wegfall nicht wahrscheinlich gemacht wurde, abzuziehen sein. Die Differenz zwischen dem dann noch verbleibenden Betrag und der Forderung der betreibenden Partei an Kapital zuzüglich der Nebengebühren und des zu erwartenden Verzögerungsschadens bildet die Höhe der zu leistenden Sicherheit, wobei diese allerdings infolge der Rechtskraft mit dem vom Rekursgericht festgesetzten Betrag ihre Grenze findet.

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