JudikaturOGH

Ds2/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter hat am 19. September 1995 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Maier als weitere Richter, in Gegenwart der Richterin Dr.Pichler als Schriftführerin, in der Disziplinarsache gegen Dr. Karlheinz D*, Präsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien i.R., wegen des Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RDG nach Anhörung der Generalprokuratur als Disziplinaranwalt in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das gegen den Disziplinarbeschuldigten Dr. Karlheinz D* mit Beschluß vom 3. April 1989 (ON 62) eingeleitete und mit den Beschlüssen vom 2. Mai 1989 (ON 86), 11. Dezember 1989 (ON 137) und 21. Mai 1990 (ON 155) ausgedehnte Disziplinarverfahren wird wegen jener Vorwürfe, die Gegenstand der mit Beschluß vom 15. April 1994 (ON 215) verfügten Verfahrensausscheidung waren, mithin wegen der Vorwürfe zu I/a bis I/g in ON 62, des Vorwurfs in ON 86, der Vorwürfe zu a), b) und d) in ON 137 und der Vorwürfe zu a) und b) in ON 155, gemäß § 130 RDG eingestellt.

2. Hinsichtlich des Vorwurfes, der Disziplinarbeschuldigte habe eine Nebenbeschäftigung nicht gemeldet und hiedurch seine Standes- oder Amtspflichten verletzt (§ 101 Abs 1 RDG), wird von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens in sinngemäßer Anwendung des § 90 StPO aus dem Grund des § 34 Abs 2 StPO abgesehen.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht für Richter vom 3. April 1989 (ON 62) wurde gegen den (damaligen) Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien Dr. Karlheinz D* gemäß § 123 Abs 1 RDG die Disziplinaruntersuchung mit der Begründung eingeleitet, er stehe im Verdacht, die im § 57 Abs 3 RDG festgelegte allgemeine Dienstpflicht, sich als Richter im und außer Dienst vorwurfsfrei zu benehmen und alles zu unterlassen, was das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlungen und die Achtung vor dem Richterstand schmälern könnte, verletzt und hiedurch das Dienstvergehen nach § 101 RDG begangen zu haben, und zwar durch

I/a wiederholte Telefongespräche mit Udo P* auch noch nach der (im Mai 1988 eingeleiteten) internationalen Fahndung nach dem Genannten, ohne der zuständigen Behörde den Gesprächsinhalt förmlich Mitteilung zu machen, weiters durch die Erwähnung dieser Gespräche gegenüber dem Journalisten Alfred W* mit der Behauptung, den Aufenhaltsort des Udo P* zu kennen, wodurch in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen konnte, der Präsident eines österreichischen Gerichtshofes stehe mit einer steckbrieflich gesuchten Person in Verbindung und begünstige diese;

I/b Verwendung von Briefpapier mit dem unter dem Bundeswappen befindlichen Aufdruck "Republik Österreich, Arbeits- und Sozialgericht Wien. Der Präsident Dr. Karlheinz D*", obwohl insoweit nicht die Interessen des Arbeits- und Sozialgerichtes, sondern private Interessen, insbesondere des C* und des Ö* wahrgenommen wurden;

I/c Interventionen beim Landesgericht für Strafsachen Wien, insbesondere zu Gunsten des Peter K*;

I/d rasche Einleitung von (Streichungs-)Verfahren gemäß § 10 SDG bezüglich der Sachverständigen Alexander S* und Dipl. Ing. Dr. techn. Manfred B*****ayerl (die im Strafverfahren gegen Udo P* für diesen ungünstige Gutachten erstattet hatten) ungeachtet des Umstandes, daß die bezüglichen Anträge der befaßten Rechtsanwälte keine stichhältigen und substantiierten Vorwürfe enthielten, und obwohl Dr. Karlheinz D* mit Udo P* befreundet und daher nicht unbefangen war;

I/e beratende Tätigkeit für die Anwälte des steckbrieflich gesuchten Udo P*, nach eigenen Angaben bis in die jüngste Zeit;

I/f abfällige Äußerungen über die Justiz, Untersuchungsrichter und Staatsanwalt, insbesondere gegenüber dem Journalisten Alfred W* und

I/g "Entfernung" von Udo P* belastender Papiere im Jahre 1985 bzw Berühmung eines derartigen Vorhabens gegenüber dem Dipl. Ing. Norbert Z*.

Mit Beschluß vom 2. Mai 1989 (ON 86) wurde die Disziplinaruntersuchung dahin ausgedehnt, Dr. Karlheinz D* habe - damals Vizepräsident des Landesgerichtes für ZRS Wien - das Dienstvergehen gemäß § 101 RDG (auch) dadurch begangen, daß er die Weisung des Bundesministers für Inneres Karl B* vom 19. November 1984, die vom Adressaten Ministerialrat Dr. Robert K* dahin verstanden wurde, die Erhebungstätigkeit durch Beamte der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich, betreffend Udo P* einzustellen, durch Intervention beim Bundesminister für Inneres (mit-)veranlaßte bzw durch seine Anwesenheit bei Erteilung der Weisung den Anschein einer solchen Interventionstätigkeit setzte.

Mit Beschluß vom 11. Dezember 1989 (ON 137) erfolgte eine weitere Ausdehnung der Disziplinaruntersuchung dahin, Dr. Karlheinz D* sei des Dienstvergehens gemäß § 101 RDG (überdies) auch deshalb verdächtig, weil er

a) unmittelbar nach der am 15. Februar 1985 erfolgten Verhaftung des Udo P* anläßlich eines Zusammentreffens mit Vorstandsmitgliedern des C* in B* die Weiterleitung eines Briefes des (damaligen) Präsidenten des Nationalrates Leopold G* an Udo P* übernahm,

b) Kassiber des Udo P* in Empfang nahm,

c) Justizbedienstete zur Erledigung rein privater Korrespondenz heranzog und

d) in der Strafsache 12 b Vr 10757/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Zeuge vernommen eine falsche Aussage dadurch ablegte, daß er erklärte, er kenne den Verein "B*", sei aber nicht Mitglied bzw Vorstand oder Kapitular dieses Vereines; die einzige Verbindung zum "Orden" sei eine Auszeichnung des B*, - wogegen er tatsächlich nicht nur Mitglied der bezeichneten Vereinigung sei, sondern die Funktion eines Kommandeurs bzw Großreferendars bekleiden soll.

Letztlich wurde mit Beschluß vom 21. Mai 1990 (ON 155) die Disziplinaruntersuchung abermals ausgedehnt und zwar dahin, daß Dr. Karlheinz D* des Dienstvergehens gemäß § 101 RDG (auch) deshalb verdächtigt wird, weil er

a) Ablichtungen von Entscheidungen des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien weiterverkaufte, den Erlös jedoch nicht ärarisch vereinnahmt, sondern der Küchenkasse zur Verfügung gestellt hat, und

b) von den strafbaren Handlungen der Fachinspektorin Edeltraud K*, die in der Zeit von Mai 1987 bis Mitte November 1988 in mehrfachen Angriffen unter Ausnützung der ihr durch ihre Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit ein ihr anvertrautes Gut, nämlich zumindest 50.582 S Bargeld sich mit dem Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung zugeeignet hat, indem sie das Geld, das ihr in ihrer Eigenschaft als Kassierin der Küchenkasse übergeben worden war, nicht ordnungsgemäß an den Küchenausschuß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ablieferte, sondern es für sich behielt, bereits zu Weihnachten 1988 Kenntnis erlangt hat, jedoch weder Strafanzeige noch Disziplinaranzeige erstattete.

Mit Beschluß vom 15. April 1994 (ON 215) wurde die Sache gemäß §§ 130 Abs 2 und 123 Abs 4 RDG wegen nachstehender Beschuldigungspunkte zur mündlichen Verhandlung verwiesen:

Dr. Karlheinz D* habe

1. als Präsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, sohin als Beamter, in der Zeit von Mitte April 1987 bis 3. Mai 1989 mit Schädigungsvorsatz seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er die als Leiterin der Präsidialkanzlei des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien beschäftigte Vertragsbedienstete Elisabeth G* während ihrer Dienstzeit laufend und nicht bloß in unerheblichem Umfang zu Privatarbeiten unter Benützung der technischen Büroeinrichtungen des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien für sich heranzog, und

2. im Verfahren vor einem nach Art 53 des B-VG idF von 1929 eingesetzten Ausschuß, nämlich vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß "zur Untersuchung der Tätigkeit in der am Verfahren beteiligten bzw in dieses involvierten Behörden und der damit zusammenhängenden Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Strafverfahren in der Causa L* sowie der Verantwortlichkeit den im Österreichischen Bundesheer für die angebliche Überlassung von Sprengmitteln an Udo P*" bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und zwar

a) am 7. Februar 1989 durch die sinngemäße Angabe, er habe während eines am 25. Dezember 1988 angeführten Fluges nach Bangkok zu Ing. Alfred W* nie gesagt, er als einziger wisse, wo sich Udo P* aufhalte, er habe vielmehr verneint, den Aufenthaltsort des Udo P* zu kennen und lediglich geäußert, wenn er dessen Aufenthalt wüßte, wäre er der einzige, weil ihn nicht einmal dessen Anwälte wüßten,

b) am 20. April 1989 dadurch, daß er in Abrede stellte, mit Dipl. Ing. Norbert Z* zwischen 15. und 28. Februar 1985 ein Gespräch sinngemäß darüber geführt zu haben, daß er (Dr. D*) gemeinsam mit anderen viel zu tun habe, um Udo P* aus der Untersuchungshaft zu bekommen und daß er mit anderen Personen gemeinsam Belastungen betreffend Udo P* entfernen müßte.

Wegen aller übrigen gegen den Disziplinarbeschuldigten erhobenen und den Gegenstand der gegen ihn eingeleiteten Disziplinaruntersuchung bildenden Vorwürfe wurde das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 57 StPO ausgeschieden und abgesondert geführt.

Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht für Richter vom 3. Juli 1995 (ON 278) wurde Dr. Karlheinz D* wegen der im Verweisungsbeschluß ON 215 näher bezeichneten Handlungen, derentwegen er mit dem am 28. September 1993 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1992, GZ 3 a Vr 2514/89-300, des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt worden war, des Dienstvergehens im Sinn des § 101 Abs 1 RDG schuldig erkannt. Gemäß § 104 Abs 1 lit e iVm § 108 Abs 3 RDG wurde hiefür über Dr. Karlheinz D* die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit einem um 25 von 100 geminderten Ruhegenuß verhängt.

Insoweit ist das Verfahren somit rechtskräftig abgeschlossen.

Offen ist das Verfahren demnach nur wegen jener Vorwürfe, auf die sich der Ausscheidungsbeschluß vom 15. April 1994 bezieht. Hiezu hat nunmehr der Generalprokurator als Diszplinaranwalt die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 130 RDG beantragt, und zwar teils mangels Erweislichkeit einer Pflichtwidrigkeit, teils im Hinblick auf das verurteilende Erkenntnis vom 3. Juli 1995 in sinngemäßer Anwendung des § 34 Abs 2 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Antrag kommt Berechtigung zu. Wie der Disziplinaranwalt mit Recht ausführt, liegen die Tatzeiten der betreffenden Vorwürfe bis zu zehn Jahre zurück, womit aber eine verläßliche Klärung des Sachverhalts kaum mehr zu erwarten ist. Im übrigen ist angesichts des im Vergleich zu den dem schuldigsprechenden Disziplinarerkenntnis zugrunde liegenden Verfehlungen nicht so wesentlich ins Gewicht fallenden Unrechtsgehalts der weiteren Anschuldigungspunkte, selbst wenn (auch) insoweit eine Pflichtverletzung erweislich wäre, anzunehmen, daß im Falle eines Schuldspruchs von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen würde. Demnach war in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des § 34 Abs 2 StPO, die auch im Disziplinarverfahren zu berücksichtigen sind, die Verfahrenseinstellung hinsichtlich der nicht vom Schuldspruch erfaßten Vorwürfe, die Gegenstand der Disziplinaruntersuchung waren, zu verfügen.

Mit Schreiben vom 21. Juni 1995 setzte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien das Disziplinargericht davon in Kenntnis, daß einem Artikel im Wirtschaftsmagazin "Wirtschaftswoche", Nr 24 vom 8. Juni 1995 zu entnehmen sei, der Disziplinarbeschuldigte Dr. D* sei als Konsulent der in G* etablierten G* GmbH tätig, und daß der Genannte diese Nebenbeschäftigung nicht gemeldet habe (ON 273).

Hinsichtlich dieses Vorwurfs war - ebenfalls im Sinne der Antragstellung des Disziplinaranwaltes - von der Einleitung des Disziplinarverfahrens in sinngemäßer Anwendung des § 90 StPO aus dem Grund des § 34 Abs 2 StPO abzusehen, weil angesichts des relativ geringen Unrechtsgehaltes der diesbezüglich gegebenenfalls vorliegenden Verfehlung bei Bedacht auf das Gewicht der im oben zitierten schuldigsprechenden Disziplinarerkenntnis angeführten Tathandlungen anzunehmen ist, daß auch diesfalls von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen würde.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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