JudikaturOGH

11Os115/95(11Os116/95) – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Straf- und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin Luise R***** gegen Josef O***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung und die Antragsgegnerin Sch***** GesmbH wegen Anträgen nach dem Mediengesetz über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Dezember 1993, GZ 24 Vr 1655/93-19, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 7.September 1993, AZ 7 Bs 371/93, und vom 8.März 1994, AZ 7 Bs 16/94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr.Bassler, der Privatanklägerin und Antragstellerin Luise R***** und des Verteidigers und Vertreters der Haftungsbeteiligten Dr.Delazer, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 7.September 1993, AZ 7 Bs 371/93, sowie die - auf der Rechtsansicht dieses Beschlusses beruhenden - Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.Dezember 1993, GZ 24 Vr 1655/93-19, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 8. März 1994, AZ 7 Bs 16/94, verletzten das Gesetz in der Bestimmung des Art III Abs 1 der Mediengesetznovelle 1992 iVm § 37 MedienG (aF).

Text

Gründe:

Mit der am 19.Mai 1993 beim Landesgericht Innsbruck eingelangten Privatanklage gegen den Journalisten der Tiroler Tageszeitung Josef O***** wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB beantragte die Privatanklägerin (und Antragstellerin - in der Folge Privatanklägerin genannt) Louise R***** die Anordnung einer Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Innsbruck "als Mediengericht", Ladung des Beschuldigten Josef O***** zur Hauptverhandlung, die Vernehmung von Zeugen und Verlesungen, die Bestrafung des Beschuldigten wegen der angeführten Vergehen, die Verurteilung des Medieninhabers zu einem angemessenen Entschädigungsbetrag, die Anordnung der Urteilsveröffentlichung mit Spruch und gedrängter Darstellung der wesentlichen Entscheidungsgründe, sowie die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren mit Wiedergabe der unter Anklage gestellten Textstellen gemäß § 37 Abs 1 MedienG (ON 1 des Aktes 24 Vr 1655/93 des Landesgerichtes Innsbruck). Dieser Privatanklage liegt ein Artikel in der Tiroler Tageszeitung vom 13.April 1993, Nr 85, S 21 (im Teil "Osttirol aktuell") zugrunde.

In der Hauptverhandlung vom 21.Juni 1993 berichtigte der Vertreter der Privatanklägerin den letztangeführten Antrag insoferne, als er diesen nunmehr auf § 37 Abs 2 MedienG stützte (ON 6).

Mit dem am 6.August 1993 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Schriftsatz wurde der Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren mit Wiedergabe der unter Anklage gestellten Textstellen wiederholt (ON 8).

Mit Beschluß vom 16.August 1993 wies das Landesgericht Innsbruck den Antrag der Privatanklägerin auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren mit Wiedergabe der unter Anklage gestellten Textstellen ab (ON 9). Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß die Verfahrensmitteilung nach § 37 MedienG nur unter denselben Voraussetzungen zulässig sei, wie eine Beschlagnahme, ausgenommen die Interessenabwägung. Die Anordnung der Verfahrensmitteilung setze somit die Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens gegen eine bestimmte Person oder ein selbständiges Einziehungsverfahren voraus. Mit dem Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung oder mit Einbringung der Anklageschrift/des Strafantrages müsse das ausdrückliche Einziehungsbegehren verbunden sein. Infolge Fehlens eines ausdrücklichen Einziehungsbegehrens sei daher die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 MedienG nicht zulässig.

Der dagegen vom Vertreter der Privatanklägerin (mit neuerlicher Korrektur der bezogenen Gesetzesstelle auf § 37 Abs 1 MedienG idF BGBl 1993/20) erhobenen Beschwerde (ON 11) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 7.September 1993, AZ 7 Bs 371/93 (ON 14 des Vr-Aktes) Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Beschlußfassung auf.

Das Beschwerdegericht führte zur Begründung wörtlich aus:

"Das Erstgericht hat seine Entscheidung auf die vor dem 1.Juli 1993 geltende Gesetzeslage gegründet. Mit der Mediengesetznovelle 1992, BGBl 1993/20, wurde ua auch die Bestimmung über die Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren, § 37 MedienG, geändert. Gemäß Art III dieser Novelle, welcher das Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen mit 1.Juli 1993 vorsieht und Übergangsbestimmungen enthält, ist über den vorliegenden Antrag nach der neuen Fassung des § 37 MedienG zu entscheiden. Darnach ist Voraussetzung für eine vom Ankläger beantragte Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren die Annahme, daß der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist, während ein Einziehungsbegehren nicht (mehr) erforderlich ist."

An diese Rechtsansicht gebunden trug das Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 3.Dezember 1993 dem Medieninhaber "Sch***** GesmbH" (auf die im § 13 MedienG vorgesehene Weise und unter der Sanktion des § 20 MedienG) die Veröffentlichung einer (gegenüber dem Antrag gekürzten) Mitteilung gemäß § 37 Abs 2 MedienG (binnen fünf Werktagen ab Zustellung des Beschlusses) auf (ON 19).

Einer dagegen vom Beschuldigten Josef O***** und der Medieninhaberin Sch***** GesmbH als Haftungsbeteiligte erhobenen Beschwerde (ON 20) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 8.März 1994, AZ 7 Bs 16/94 (= ON 23 des Vr-Aktes), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 7.September 1993, AZ 7 Bs 371/93, sowie die - auf der vom Oberlandesgericht im genannten Beschluß geäußerten Rechtsansicht basierenden - Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.Dezember 1993, GZ 24 Vr 1655/93-19, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 8.März 1994, AZ 7 Bs 16/94, stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach Art III Abs 1 der Mediengesetz-Novelle 1992, BGBl 1993/20, treten die materiellrechtlichen Bestimmungen der Mediengesetz-Novelle 1992 mit 1.Juli 1993 in Kraft. Lediglich die verfahrensrechtlichen Änderungen durch die Mediengesetz-Novelle 1992 sind auch in Verfahren anzuwenden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits anhängig waren (Abs 4 leg. cit.).

Demgemäß sind die (materiellrechtlichen) Bestimmungen des § 37 MedienG idF der Mediengesetz-Novelle 1992 - entgegen der Meinung des Oberlandesgerichtes Innsbruck im Beschluß vom 7.September 1993 - nur auf Veröffentlichungen anwendbar, die nach dem 1.Juli 1993 erschienen sind. Die Annahme, daß die durch die Mediengesetz-Novelle 1992 geänderten Anspruchsvoraussetzungen des § 37 Abs 1 (neu) bereits auf die gegenständliche Veröffentlichung in der Tiroler Tageszeitung vom 13. April 1993 anzuwenden wären und es daher für die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren eines Einziehungsbegehrens nicht (mehr) bedarf (§ 37 Abs 1 MedienG aF), ist daher verfehlt.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren somit die unterlaufenen Gesetzesverletzungen festzustellen und spruchgemäß zu erkennen.

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