Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Tamara S*****, geboren am 30.August 1978, HTL-Schülerin, in Obsorge der Mutter Rosa S*****, kfm. Angestellte, ***** im Verfahren wegen Gewährung von Vorschüssen nach dem UVG vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 4., 5.Bezirk, als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28.November 1994, AZ 43 R 806/94 (ON 102), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31.August 1994, GZ 8 P 174/87-91, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Begründung:
Der Minderjährigen wurden in der Zeit vom 1.7.1991 bis 30.6.1994 Titelvorschüsse von zuletzt S 2.400,-- monatlich gewährt. Ein Weitergewährungsantrag noch während der Laufzeit wurde nicht gestellt. Der Unterhaltsschuldner, dessen Aufenthalt und gelegentliche kurzfristige Beschäftigungen jahrelang nur durch zahlreiche Anfragen mit Mühe eruiert werden konnten, hatte, vertreten durch seine bevollmächtigte Lebensgefährtin, am 25.5.1994 mit dem Unterhaltssachwalter eine Vereinbarung nachstehenden Inhaltes geschlossen: "Ich werde am 1.6.1994 den Unterhaltsbeitrag von S 2.400,-- einzahlen und ab 15.6.1994 jeden Monat S 5.000,--, das sind S 2.400,-- auf die laufende Verpflichtung und S 2.600,-- auf den Rückstand leisten. Bis spätestens 20. jeden Monates wird das Geld einlaufen, weil er sein Gehalt immer am 15. erhält. Sollte einmal eine Zahlung nicht oder nur ungenügend noch einlangen, muß Herr S***** (d.i. der Unterhaltsverpflichtete) mit Zwangsmaßnahmen rechnen. Diese Vereinbarung gilt bis auf Widerruf."
Der Vater hat, wie das Rekursgericht erhoben hat, im Juni 1994 S 7.400,--, im Juli 1994 S 4.000,-- an den Unterhaltssachwalter bezahlt, welcher die im Juni einlangenden Zahlungen sowie aus der Julizahlung S 1.600,-- als Rückzahlungen an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien und S 2.400,-- als laufenden Unterhalt für Juli 1994 an die Mutter der Minderjährigen überwies. Im August 1994 erfolgte keine Zahlung durch den Unterhaltsschuldner.
Der Unterhaltssachwalter stellte daher am 23.8.1994 beim Erstgericht den Antrag auf (neuerliche) Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Höhe von S 2.400,-- monatlich nach §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1.8.1994 bis 31.7.1997 und führte darin aus, "die Führung einer Exekution scheint aussichtslos, weil der Vater ständig seine Arbeitsstellen wechselt und freiwillig nur sehr unregelmäßige Zahlungen leistet. Der Unterhalt scheint daher absolut gefährdet."
Das Erstgericht bewilligte den Antrag mit Beschluß vom 31.8.1994.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Unterhaltsschuldners, der auf die abgeschlossene Vereinbarung und seine "in den letzten vier Monaten geleisteten Zahlungen" verwies, inhaltlich daher geltend machte, es liege keine Unterhaltsverletzung vor, folge und wies den Antrag auf Gewährung von Titelvorschüssen ab. Es stellte fest, daß der Unterhaltsschuldner nicht nur im Juni und Juli 1994 Zahlungen geleistet, sondern auch im September und Oktober 1994 je S 4.000,-- an den Unterhaltssachwalter überwiesen hatte.
Rechtlich führte es aus, nach § 27 Abs.1 UVG habe der Jugendwohlfahrtsträger zunächst die Forderung des Kindes auf laufende Unterhaltsbeiträge, soweit auf sie keine Vorschüsse gewährt werden, dann die Forderung des Kindes auf die innerhalb von sechs Monaten vor der Stellung des Antrages auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge, dann die Forderung des Bundes auf Rückzahlung der Vorschüsse und schließlich die Forderungen des Kindes auf sonstige rückständige Unterhaltsbeiträge zu befriedigen. Damit übereinstimmend lege § 3 Z 2 UVG für die Gewährung von Vorschüssen auch fest, daß im Exekutionsweg hereingebrachte Unterhaltsrückstände auf den laufenden Unterhalt anzurechnen seien.
Entscheidend sei hier, ob für den Monat August 1994, für welchen kein Vorsschuß gewährt worden und in welchem auch keine Zahlung des Unterhaltsschuldners erfolgt sei, eine Unterhaltsverletzung angenommen werden könne. Ausgehend von § 3 Z 2 UVG komme es darauf an, ob der Unterhalt für August 1994 durch hereingebrachte Rückstände in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung am 25.8.1994 habe gedeckt werden können. Dies sei zu bejahen, weil durch Zahlungen im Juni und Juli 1994 insgesamt S 11.400,-- zur Verfügung gestanden seien. Nach Verwendung von S 2.400,-- als Unterhaltsbeitrag für den nicht mehr bevorschußten Juli 1994 sei noch eine ausreichende Deckung für August 1994 verblieben. Das Gesetz sage nicht, wielange auf hereingebrachte Rückstände zurückgegriffen werden dürfe. Es spreche nur von hereingebrachten Unterhaltsrückständen, was an sich zeitlich unbegrenzt sei. Jedenfalls sprächen keine Erwägungen dagegen, Rückzahlungen aus ein oder zwei Vormonaten heranzuziehen. Ein Abstellen auf einen hereingebrachten Rückstand nur im Monat der Antragstellung könne dem Gesetz nicht unterstellt werden, weil dies mehr auf einen Zufall als auf reale Gegebenheiten bezogen wäre. Nach § 3 Abs.2 Z 2 UVG könne dem Gesetzgeber aber unterstellt werden, daß jedenfalls auf die Hereinbringung in den letzten sechs Monaten abzustellen sei. Wie der Unterhaltssachwalter tatsächlich mit den eingehenden Geldern verfahren sei, sei ebensowenig entscheidend wie eine Widmung des Unterhaltsschuldners in der Zahlungsvereinbarung, denn die gesetzlichen Bestimmungen seien zwingend.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen in der Qualität des § 14 Abs.1 AußStrG nicht vorlägen.
Der Revisionsrekurs ist wegen unrichtiger Gesetzesanwendung durch das Rekursgericht im Interesse der Rechtsssicherheit zulässig, er ist auch berechtigt.
§ 27 Abs.1 UVG regelt, wie die beim Unterhaltssachwalter eingehenden Beträge, sei es durch Zahlungen des Unterhaltsschuldners oder auch im Exekutionswege, zu verwenden sind. Danach hat der Sachwalter aus den hereingebrachten Unterhaltssbeiträgen zunächst die Forderung des Kindes auf laufende Unterhaltsbeiträge, soweit auf sie keine Vorschüsse gewährt werden, dann die Forderung des Kindes auf die innerhalb von sechs Monaten vor der Stellung des Antrages auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge, weiter die Forderung des Bundes auf Rückzahlung der Vorschüsse und schließlich die Forderung des Kindes auf sonstige rückständige Unterhaltsbeiträge zu befriedigen. Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, aber auch aus der im § 27 Abs.2 UVG normierten Pflicht des gesetzlichen Unterhaltssachwalters, die von ihm hereingebrachten Unterhaltsbeiträge, soweit aus ihnen die Forderung des Bundes auf Rückzahlung der Vorschüsse zu befriedigen ist, monatlich dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes samt einer den Unterhaltsschuldner betreffenden Aufstellung zu überweisen, ergibt sich klar, daß - bei fehlender Vorschußgewährung - hereingebrachte Beiträge nur auf bereits fälligen laufenden Unterhalt (oder in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung fällig gewordenen Unterhalt) angerechnet werden dürfen. Es ist dem Unterhaltssachwalter keineswegs anheimgestellt, etwa weil er befürchtet, daß der Unterhaltsschuldner künftig fällig werdende Zahlungen nicht einhalten werde, auf den Rückstand hereingebrachte und im vorliegenden Fall sogar ausdrücklich hiefür gewidmete Beträge zurückzuhalten (beliebig lange?) und mit erst in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeiträgen zu verrechnen. Das Gesetz trägt ihm vielmehr unmißverständlich die monatliche Abrechnung und Überweisung auf.
Es liegt daher eine Unterhaltsverletzung des Unterhaltsschuldners vor. Da durch den Akteninhalt auch die Antragsbehauptungen im Sinne des § 4 Z 1 UVG bescheinigt sind, war in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
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