Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Schindler, Mag.Strieder und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred K***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Mai 1995, GZ 5 d Vr 3465/95-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred K***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (1) sowie des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 und Z 3 WaffG (2) schuldig erkannt.
Darnach hat er
zu 1: am 18.März 1995 in Wien Zeljko J***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Eröffnung der linken Brusthöhle mit einer geringen Läsion der Lunge absichtlich zugefügt, indem er mit einer selbst hergestellten Stichwaffe auf ihn einstach und
zu 2: zugleich bei der zu 1 angeführten Tat eine verbotene Waffe (§ 11 WaffG) unbefugt besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.
Nur den Schuldspruch im Faktum 1 bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf Z 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.
Den Ausführungen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.
Die im Urteil verwertete (S 189) und ersichtlich als glaubwürdig beurteilte Aussage des Zeugen B*****, auf die sich der Beschwerdeführer bezieht ("Freddy hat dann die Schwingtüre aufgerissen und er hat sich den später verletzten Ausländer zuwigefaßt" - S 169 und 170, jeweils unten), steht der vom Angeklagten für sich reklamierten Notwehrsituation entgegen.
Daß der Zeuge P***** den Angeklagten nach dessen Attacke gegenüber J***** mit seiner Gürtelschnalle auf den Kopf geschlagen und dadurch verletzt hat, der Zeuge demnach ein Interesse hatte, wegen Körperverletzung nicht verfolgt zu werden und deshalb seine - den Angeklagten belastenden - Aussagen unglaubwürdig seien, ist zum einen nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben dieses Zeugen zu erwecken; vielmehr erweist sich das bezughabende Beschwerdevorbringen als unberechtigter Angriff auf die lebensnahe und mit den Denkgesetzen im Einklang stehende Beweiswürdigung der Tatrichter. Zum anderen vermag der Angeklagte in Ansehung seiner vorausgegangenen, mit der Stichwaffe geführten Attacke gegen den Zeugen J***** - der allein entscheidenden Tatsache iSd § 281 Abs 1 Z 5 a StPO - überhaupt auf keine aktenkundigen Beweisergebnisse zu verweisen, die seine (Notwehr )Verantwortung stützen könnten. Der Versuch des Angeklagten, aus seiner ihm nach dieser Attacke vom Zeugen P***** zugefügten Verletzung eine schon vor dem Angriff auf J***** bstehende Notwehrsituation zu begründen, ist erneut ein unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.
Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) zielt der Angeklagte auf die rechtliche Beurteilung seiner Tat im Faktum 1 als fahrlässige Körperverletzung ab, weil das Erstgericht zwar Feststellungen über die Wissenskomponente des Angeklagten in bezug auf die Schuldform der Absichtlichkeit getroffen habe, Konstatierungen dahin, daß der Angeklagte den Zeugen J***** verletzen wollte, jedoch nicht getroffen worden seien. Überdies habe das Schöffengericht § 5 Abs 2 StGB lediglich teilweise zitiert.
Dieser Nichtigkeitsgrund wird nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht, weil die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes stets den Vergleich des festgestellten Urteilssachverhalts in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert. Das Erstgericht hat folgende Feststellung getroffen: "Dem Angeklagten kam es darauf an, sein Opfer schwer zu verletzen, er handelte sohin absichtlich (§ 5 Abs 2 StGB)" (S 187). Da § 5 Abs 2 StGB lautet: "Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt", ist nicht verständlich, inwiefern die Tatrichter die erwähnte Gesetzesbestimmung nur teilweise zitiert hätten.
Die soeben wiedergegebene Urteilspassage, die somit mängelfrei die schwerste Vorsatzform, nämlich Absichtlichkeit in bezug auf die Zufügung einer schweren Verletzung feststellt, wird vom Angeklagten übergangen, wenn er für sich bloß fahrlässige Tatbegehung in Anspruch nehmen will. Absichtliches Handeln schließt begrifflich das Wissen und Wollen des Täters in bezug auf den verpönten Erfolg mit ein.
Außerdem geht der Beschwerdeführer von einer "Paniksituation" aus und führt insoweit prozeßordnungswidrig ein nicht festgestelltes Tatsachenelement ein.
Inwiefern die in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierte Entscheidung SSt 50/62 (die sich mit der Frage der Not beim Tatbestand der Entwendung nach § 141 StGB beschäftigt) für den Standpunkt des Angeklagten sprechen soll, bleibt unerfindlich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung ist demnach das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285 i StPO).
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