Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic, sowie die fachkundigen Laienrichter Ministerialrat Dr.Edith Sellner und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Othmar S*****, em. Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr.Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,424.199,55, und S 1,582.521,80 sA und Feststellung (Streitwert S 150.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1995, GZ 33 Ra 177, 178/94-64, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17.Jänner 1994, GZ 4 Cga 218/93v-58, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger war neben seiner Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt aufgrund eines Sondervertrages vom 10.10.1969 mit einem Nachtrag vom 9.12.1974 in der Zeit vom 1.1.1970 bis zum 31.12.1987 angestellter Syndikus der beklagten Partei bzw einer ihrer Rechtsvorgängerinnen.
Das Erstgericht gab den aufgrund dieser Verträge vom Kläger geltendgemachten Leistungs- und Feststellungsbegehren - abgesehen von der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 15.872,63 brutto samt 4 % Zinsen seit 17.8.1988, die in Teilrechtskraft erwachsen ist - Folge.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages Folge und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil eine Rechtsprechung zur erheblichen Rechtsfrage der Auslegung eines Angestelltendienstvertrages eines selbständigen Rechtsanwaltes fehle und führte aus:
Das Verfahren erster Instanz sei wegen diverser primärer und sekundärer Mängel ergänzungsbedürftig, es fehle insbesondere die eine Auslegung des Vertrages ermöglichende Feststellung zum Umfang des (stillschweigenden) Einverständnisses des Klägers zur Betrauung anderer Rechtsanwälte, für welchen Fall ihm - außer in ausnahmsweisen Sonderfällen - eine Verdoppelung seines Entgelt gebühre. Ebenso fehlten Feststellungen über die Tatsache und dem Grund des vom Kläger behaupteten Rückganges der "Bankakten" (Fälle der erforderlichen anwaltlichen Vertretung der beklagten Partei durch den Kläger), zur möglichen Kollision als Grund einer Behinderung des Klägers, als Anwalt tätig zu werden, zu möglichen unterschiedlichen Auffassungen der Streitteile in der Frage der zulässigen Betrauung anderer Rechtsanwälte sowie über das Ausmaß der Pensionszahlungen an die als Bezugspersonen für die Person des Klägers bezeichneten "anderen Personen".
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, dem Erstgericht "unter Aufrechterhaltung der Aufhebung" eine andere Rechtsansicht zu überbinden.
Der Kläger beantragte in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Syndikus (vgl Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages, 104, 120) ist regelmäßig eine Typenvermengung einer freiberuflichen Tätigkeit mit einem freien Arbeitsvertrag (vgl Hofmann, Der "angestellte Rechtsanwalt", AnwBl 1993, 889; AnwBl 1994, 10 und 94, insbes 96). Zum freien Arbeitsvertrag gibt es in Lehre (Wachter, Der sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 1984, 405; F.Bydlinski Verträge über ärztliche Leistungen, FS Kralik, 345, 349 mwN; Martinek ua AngG7, 46; Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag DRdA 1992, 93) und Rechtsprechung (Arb 10.055; RdW 1984, 85 = DRdA 1984/18, 442) ausreichende Stellungnahmen, ebenso wie zu anderen freien Arbeitsverträgen (zB Vorstandmitgliedern, Betriebsärzten "freien" Mitarbeitern ua). Soweit das Berufungsgericht den Sachverhalt als unzureichend geklärt beurteilte, kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten.
Der Gleichstellungsgrundsatz von ausdrücklichen und stillschweigenden Erklärungen (Rummel-Rummel, ABGB2 Rz 9 f zu § 863) gilt auch im Arbeitsrecht mit der sich aus der Abhängigkeit des Arbeitnehmers ergebenden Besonderheit in der Handhabung des § 863 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB. Insoweit bedeutsam ist der von F.Bydlinski erstattete Vorschlag zu § 11 Abs 1 eines Entwurfes eines allgemeinen Teiles des Arbeitsrechtes (ZAS 1982, 113), wonach bei der Auslegung von Arbeitsverträgen und sonstigen arbeitsrechtlichen Rechtsgeschäften, vor allem bei der Beurteilung schlüssiger Willenserklärungen, auch auf die abhängige Stellung des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen ist (vgl auch F.Bydlinski, Gedanken zum allgemeinen Teil der österreichischen Arbeitsrechtskodifikation, FS Strasser I 37, 44).
Bei der Stellung des Klägers als "freier Arbeitnehmer" ist aber typologisch das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit weniger stark ausgeprägt als bei einem "typischen", dh abhängigen Arbeitnehmer, sodaß vor dem Hintergrund eines freien Arbeitsverhältnisses stillschweigende Zustimmungserklärungen (zur Betrauung) anderer Rechtsanwälte zur Vertretung der Bank, anders zu beurteilen sind.
Im übrigen bedarf es eingehender Feststellungen zu den die anwaltliche Vertretung erfordenden Agenden der beklagten Partei während des Vertragsverhältnisses der Streitteile, um danach das Vorliegen von "ausnahmsweisen Sonderfällen" beurteilen zu können. Hiezu gehört auch die Prüfung der Gründe, weshalb ein "ausnahmsweiser Sonderfall" anzunehmen sei. Dabei sind die besonderen Verpfichtungen des Klägers gemäß § 10 Abs 1 RAO (Verbot der Doppelvertretung) und das Bestreben, auch nur den Anschein einer Interessenkollision zu vermeiden, zu beachten. Standespflichten stehen der Annahme eines freien Arbeitsverhältnisses nicht entgegen (Tomandl, aaO, 78, 104; siehe nunmehr die Neufassung von § 5 RL-BA; Hofmann aaO 96).
Ergänzend ist auch, wie das Berufungsgericht schon zutreffend ausgeführt hat, der Erklärungswert des Verhaltens des Klägers bei der Betrauung anderer Rechtsanwälte zu prüfen. Denn nach Treu und Glauben ist auch eine stillschweigende Zustimmung hiezu zu erwägen, ohne daß damit die Rechtsfolge der Entgeltverdoppelung verknüpft wäre. Durch diese Regelung sollte der Kläger wohl gegen das "Ausgebootet-Werden" abgesichert werden, ihm aber nicht jedenfalls, sollten die "Anwaltscausen" insgesamt erheblich zurückgegangen sein oder besondere Gründe (Kollision, unterschiedliche Einschätzung der rechtlichen Erfolgsaussichten von Rechtssachen ua) die Betreuung anderer Rechtsanwälte rechtfertigen, das Entgelt ohne erkennbaren Grund erhöht werden.
Zur Auslegung des Nachtragsübereinkommens betreffend die Vertragspension genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG). Nach der Stellung des Klägers in der Hierachie der beklagten Partei, insbesondere des früheren, von der beklagten Partei aufgenommenen Bankhauses, iVm der Meistbegünstigungsklausel erweist es sich als zutreffend, daß mit dem Ausdruck "andere Personen" auch leitende Angestellte und Vorstandmitglieder zu verstehen sind. Daran ändert die Rechtsform des früheren Arbeitgebers des Klägers als Kommanditgesellschaft nichts, denn hinsichtlich des Standards von vertraglichen Ruhegenüssen sind Gesellschafter (Komplementäre) mit Vorstandsmitgliedern durchaus vergleichbar, selbst wenn der (frühere) Arbeitgeber des Klägers (vor der Verschmelzung mit der beklagten Partei) erst 1977 zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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