JudikaturOGH

Ds2/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter hat am 3. Juli 1995 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Kuch, Dr.Massauer, und Dr.Maier als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer, in der Disziplinarsache gegen Dr.Karlheinz D*****, Präsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, wegen des Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RDG nach nichtöffentlicher Verhandlung am 24. November 1994 und am 3. Juli 1995 in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators als Disziplinaranwalt, Erster Generalanwalt Dr.Kodek, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Prof.Dr.Strigl sowie in der Verhandlung am 3. Juli 1995 des Sachverständigen Prim.Dr.Steinbrenner zu Recht erkannt:

Spruch

Dr.Karlheinz D***** ist schuldig, er hat dadurch, daß er

1. als Präsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien in der Zeit von Mitte April 1987 bis 3. Mai 1989 mit Schädigungsvorsatz seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er die als Leiterin der Präsidialkanzlei des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien beschäftigte Vertragsbedienstete Elisabeth G***** während ihrer Dienstzeit laufend und nicht bloß in unerheblichem Umfang zu Privatarbeiten unter Benützung der technischen Büroeinrichtungen des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien für sich heranzog, und

2. im Verfahren vor einem nach Art 53 B-VG eingesetzten Ausschuß, nämlich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß "zur Untersuchung der Tätigkeiten der am Verfahren Beteiligten bzw in dieses involvierten Behörden und der damit zusammenhängenden Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Strafverfahren in der Causa L***** sowie der Verantwortlichkeiten im österreichischen Bundesheer für die angebliche Überlassung von Sprengmitteln an Udo P*****", bei seiner formlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagte, und zwar

a) am 7. Feber 1989 durch die sinngemäße Angabe, er habe während eines am 25. Dezember 1988 angetretenen Fluges nach Bangkok zu Ing.Alfred W***** nie gesagt, er als einziger wisse, wo sich Udo P***** aufhalte, er habe vielmehr verneint, den Aufenthaltsort des Udo P***** zu kennen und lediglich geäußert, wenn er dessen Aufenthalt wüßte, wäre er der einzige, weil ihn nicht einmal dessen Anwälte wüßten,

b) am 20. April 1989 dadurch, daß er in Abrede stellte, mit Dipl.Ing.Norbert Z***** zwischen 15. und 28. Feber 1985 ein Gespräch sinngemäß darüber geführt zu haben, daß er (Dr. D*****) gemeinsam mit anderen viel zu tun habe, um Udo P***** aus der Untersuchungshaft zu bekommen, und daß er mit anderen Personen gemeinsam Belastungen betreffend Udo P***** entfernen müßte,

weswegen er mit dem am 28. September 1993 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1992, GZ 3 a Vr 2514/89-300, (zu 1.) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und (zu 2. a und b) des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt wurde,

die ihm nach § 57 Abs 1 und Abs 3 RDG obliegenden Pflichten, nämlich alle Gesetze unverbrüchlich zu beachten, die Pflichten seines Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, sich im und außer Dienst vorwurfsfrei zu benehmen und alles zu unterlassen, was das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlungen oder die Achtung vor dem Richterstand schmälern könnte, verletzt und mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlungen ein Dienstvergehen im Sinn des § 101 Abs 1 RDG begangen.

Über Dr.Karlheinz D***** wird hiefür gemäß § 104 Abs 1 lit e iVm § 108 Abs 1 RDG die Disziplinarstrafe

der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit einem um

25 von Hundert gemindertem Ruhegenuß

verhängt.

Gemäß § 137 Abs 2 RDG hat der Disziplinarbeschuldigte die mit 20.000 S (zwanzigtausend Schilling) bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Dr.Karlheinz D***** ist am 18. Oktober 1937 geboren; er wurde mit Wirksamkeit vom 1. Juni 1960 zum Richteramtsanwärter, sodann mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1963 zum Richter und zuletzt mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1987 zum Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ernannt. Er ist nach wie vor aktiver, wenngleich aus Anlaß des gegenständlichen Disziplinarverfahrens suspendierter Richter.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1992, GZ 3 a Vr 2514/89-300, wurde Dr. D***** wegen der im Spruch dieses Erkenntnisses im einzelnen angeführten Verhaltensweisen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des in zwei Fällen begangenen Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten und einer unbedingt verhängten Geldstrafe von 240 Tagessätzen a 1200 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Den gegen dieses Urteil von Dr. D***** ergriffenen Rechtsmitteln wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 28. September 1993, GZ 14 Os 135/92-20, nicht Folge gegeben, womit das eingangs bezeichnete Strafurteil gegen Dr. D***** in Rechtskraft erwachsen ist. Dieses Urteil ist, weil über den vom Verurteilten inzwischen gestellten Wiederaufnahmsantrag bisher nicht entschieden worden ist, nach wie vor unverändert rechtskräftig aufrecht.

In dem gegen Dr. D***** unter anderem wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilung eingeleiteten Disziplinarverfahren wurde nach Schluß der Disziplinaruntersuchung mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht für Richter vom 15. April 1994, ON 215, die Sache wegen der den Gegenstand dieses Erkenntnisses bildenden Anschuldigungspunkte zur mündlichen Verhandlung verwiesen; wegen aller übrigen gegen den Genannten erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe wurde das Verfahren hingegen in sinngemäßer Anwendung des § 57 StPO ausgeschieden, sodaß es abgesondert geführt wird.

Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Disziplinarverfahren ist demnach zu beurteilen, ob Dr. D***** dadurch, daß er Verhaltensweisen gesetzt hat, die zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen des im Dienst begangenen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt und wegen des außer Dienst in zwei Fällen verübten Vergehens der falschen Beweisaussage geführt haben, eine disziplinarstrafrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung begangen hat.

Über die diesbezügliche Anschuldigung fand zunächst am 24. November 1994 eine mündliche Verhandlung statt, nachdem Dr. D***** zuvor infolge akuter Erkrankung nicht verhandlungsfähig gewesen war. Nach Vernehmung des Genannten zur Sache und nach Vornahme der erforderlichen Feststellungen aus dem Strafakt AZ 3 a Vr 2514/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mußte die Verhandlung vertagt werden, weil der Disziplinarbeschuldigte sich gesundheitlich nicht mehr in der Lage fühlte, ihr weiter zu folgen. Es wurde deshalb die Einholung eines gerichtsärztlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten beschlossen. Nachdem der beigezogene Sachverständige Primarius Dr. Steinbrenner in seinem Gutachten vom 23. Mai 1995 den Disziplinarbeschuldigten als nunmehr verhandlungsfähig beurteilt hatte (ON 264), konnte die mündliche Verhandlung am 3. Juli 1995 unter Beiziehung des genannten Sachverständigen fortgesetzt und abgeschlossen werden.

Bei der disziplinarstrafrechtlichen Beurteilung hat das Disziplinargericht - ein Fall des § 27 StGB liegt nicht vor - im Sinn des § 136 RDG frei zu entscheiden, ob und welche disziplinarstrafrechtlichen Konsequenzen aus der strafgerichtlichen Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten zu ziehen sind; von der Tatsache der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung hat es dabei aber auszugehen. Denn andernfalls wäre die Bestimmung des § 144 RDG, welche das Ruhen des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluß eines gegen den Disziplinarbeschuldigten anhängigen strafgerichtlichen Verfahrens anordnet, jeder Sinnhaftigkeit entrückt. Daß im Disziplinarverfahren von der Tatsache der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung auszugehen ist, entspricht im übrigen der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht für Richter (SSt 47/57; SSt 53/21; Ds 6/88 vom 3. Oktober 1989).

Auf Grund des vom Disziplinarbeschuldigten als Faktum bezeichneten Inhalts des gegen ihn ergangenen rechtskräftigen Strafurteils steht solcherart auch für das Disziplinarverfahren in tatsachenmäßiger Beziehung fest, daß der Beschuldigte als Präsident eines Gerichtshofes erster Instanz im Dienst ein Verhalten gesetzt hat, das strafgerichtlich als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB beurteilt worden ist, und daß er überdies außerhalb des Dienstes in zweifacher Weise Anlaß zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB gegeben hat.

Ist aber nach dem Gesagten im Disziplinarverfahren von der Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten wegen der bezeichneten strafbaren Handlungen auszugehen, so kann im Disziplinarverfahren jener Sachverhalt, den das Strafgericht festgestellt und seinem Urteil zugrundegelegt hat, nicht abermals Gegenstand eines Beweisverfahrens sein. Demnach ist - entgegen der Rechtsansicht des Disziplinarbeschuldigten - im gegenständlichen Disziplinarverfahren nicht neuerlich zu prüfen und festzustellen, ob der Disziplinarbeschuldigte die ihm im Urteil des Strafgerichtes zur Last gelegten Taten begangen hat oder nicht.

Daraus folgt aber, daß all jene Beweisanträge des Disziplinarbeschuldigten, die darauf abzielen, unter Beweis zu stellen, daß er diese Taten nicht begangen habe, aus rechtlichen Erwägungen ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Disziplinarbeschuldigten abzuweisen waren. Im einzelnen handelt es sich dabei um die beantragte Vernehmung der Zeugen

Gleiches gilt für die vom Disziplinarbeschuldigten in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens AZ 3 a Vr 2514/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien angebotenen weiteren Beweismittel, auf welche er sich auch im gegenständlichen Disziplinarverfahren (global) berufen hat.

Aus dem oben Gesagten folgt weiters, daß auf all jene Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten in der Disziplinarverhandlung und im Schlußvortrag des Verteidigers, die sich auf den Sachverhalt des strafgerichtlichen Urteils beziehen, nicht einzugehen ist.

Zu prüfen bleibt demnach lediglich, ob der Beschuldigte dadurch, daß er jene Verhaltensweisen setzte, die ihm vom Strafgericht als Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt und als Vergehen der falschen Beweisaussage angelastet wurden, die ihm als Richter gemäß § 57 Abs 1 und Abs 3 RDG obliegenden Pflichten verletzt hat und ob er zutreffendenfalls dadurch eine als Dienstvergehen zu beurteilende Pflichtverletzung im Sinn des § 101 Abs 1 RDG begangen hat.

Wird berücksichtigt, daß Dr. D***** als Präsident eines Gerichtshofes erster Instanz Anlaß zu seiner Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB gegeben und überdies (außerhalb seiner Amtstätigkeit) in zwei Fällen das Vergehen nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB, somit eine strafbare Handlung gegen die Rechtspflege, begangen hat, so dokumentiert dies, daß Dr. D***** sowohl in der einen als auch in der anderen Beziehung den ihm als Richter obliegenden Pflichten, die § 57 Abs 1 und Abs 3 RDG normiert, zuwidergehandelt, sich mithin als Richter amts- und standespflichtwidrig verhalten hat. Diese Pflichtverletzungen stellen in ihrer Gesamtheit mit Rücksicht auf ihre Art und Schwere ein Dienstvergehen im Sinn des § 101 Abs 1 RDG dar, das gemäß § 104 RDG mit Disziplinarstrafe zu ahnden ist.

Auf die Einwände verfassungsrechtlicher Natur, die der Disziplinarbeschuldigte gegen seine strafgerichtliche Verurteilung vorbringt, ist im Disziplinarverfahren nicht einzugehen. Daher erübrigt sich insbesondere auch ein Eingehen auf die Anregung, die Verfassungsmäßigkeit der Strafbestimmung des § 288 Abs 3 StGB, soweit darnach Falschaussagen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß pönalisiert werden, durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen; dazu kommt, daß der Beschuldigte diese Anregung schon im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu 14 Os 135/92 vorgebracht hatte, wobei der erkennende Strafsenat die behauptete Verfassungswidrigkeit jedoch nicht zu erkennen vermochte (S 30 f in 14 Os 135/92-20).

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter hegt aber auch nicht jene Zweifel, die der Disziplinarbeschuldigte im gegenständlichen Verfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht gegen die Bestimmungen des § 133 Abs 1 RDG und des § 111 RDG sowie gegen die Bestimmung des § 101 Abs 1 RDG vorgetragen hat.

Gemäß § 133 Abs 1 RDG ist die mündliche Disziplinarverhandlung nicht öffentlich; dem Beschuldigten steht es jedoch frei, die Zulassung von drei Personen seines Vertrauens zu begehren. Von diesem Recht hat der Beschuldigte Gebrauch gemacht. Daß die mündliche Verhandlung in Richterdisziplinarsachen nicht öffentlich ist, ist mit der vom Beschuldigten ins Treffen geführten Vorschrift des Art 6 Abs 1 MRK vereinbar. Sieht doch auch Art 6 Abs 1 MRK vor, daß die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung unter anderem, wenn es im Interesse der öffentlichen Ordnung, des Schutzes des Privatlebens der Prozeßparteien oder, unter besonderen Umständen, im Interesse der Rechtspflege geboten ist, ausgeschlossen werden darf. In einem Richterdisziplinarverfahren sprechen aber im Regelfall Interessen der öffentlichen Ordnung und der Rechtspflege, aber auch des Schutzes des Disziplinarbeschuldigten für einen generellen Ausschluß der Öffentlichkeit, während durch die Möglichkeit, drei Vertrauenspersonen beizuziehen, gewährleistet ist, daß auch in Verfahren dieser Art keine "Geheimjustiz" betrieben und das Vertrauen in die Rechtsprechung der Disziplinargerichte, insbesondere auch in bezug auf ein faires Verfahren, gewährleistet wird. Selbst wenn daher im Sinn des Rechtsstandpunktes der Verteidigung davon ausgegangen wird, daß auch im Richterdisziplinarverfahren mit Rücksicht auf die Schwere der in § 104 Abs 1 RDG angedrohten (Disziplinar )Strafen (ebenso wie im Disziplinarverfahren gegen Angehörige freier Berufe) die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte gelten (siehe zum Meinungsstand ausführlich Ds 1/94-13 vom 1. Juli 1994), könnte daher § 133 Abs 1 RDG nicht als konventionswidrig erachtet werden.

Von alldem abgesehen ist vorliegend aber entscheidend, daß die Republik Österreich die in Rede stehende Konvention mit dem Vorbehalt ratifiziert hat, daß die Bestimmungen des Art 6 MRK mit der Maßgabe angewendet werden, daß die in Art 90 B-VG festgelegten Grundsätze über die Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt werden. Da Art 90 Abs 2 B-VG Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit in den vom Gesetz bestimmten Fällen zuläßt und § 133 Abs 1 RDG eine derartige Ausnahme darstellt, ist schon aus diesem Grund für den Rechtsstandpunkt der Verteidigung nichts gewonnen (vgl zum österreichischen Vorbehalt die Urteile des EGMR im Fall Ringeisen und im Fall Ettl, letzteres veröffentlicht in ÖJZ 1988, 23).

Was die Bestimmung des § 111 RDG betrifft, gegen deren Ziffer 2, wonach der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für alle nicht in der Ziffer 1 angeführten Richter zuständig ist, die Verteidigung verfassungsrechtliche Bedenken vor allem aus dem Gleichheitsgrundsatz hegt, so kann auch diesen Bedenken nicht beigepflichtet werden. Denn es ist sachlich gerechtfertigt, wenn für einen Richter höherer Ordnung, wie etwa für den Präsidenten eines Gerichtshofes erster Instanz, ein Disziplinargericht zuständig ist, das sich ausschließlich aus Mitgliedern des Höchstgerichtes zusammensetzt. Sachliche Differenzierungen sind aber nicht gleichheitswidrig. Daß gegen die Entscheidung des nur aus Mitgliedern des Höchstgerichtes zusammengesetzten Disziplinargerichtes in den Verfahrensgesetzen kein Rechtsmittel vorgesehen ist, ist gemäß Art 2 Z 2 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK (BGBl 1988/628) konventionsgemäß.

Schließlich begegnet aber auch die Bestimmung des § 101 Abs 1 RDG - entgegen dem Vorbringen der Verteidigung - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art 7 MRK, wie der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter bereits in seinem Erkenntnis zu Ds 1/94-13 vom 1. Juli 1994 dargelegt hat, worauf, um Wiederholung zu vermeiden, verwiesen wird.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich somit insgesamt weder in der einen noch in der anderen Richtung zu einer Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 B-VG veranlaßt. Soweit der Disziplinarbeschuldigte diesbezüglich formell eine solche Antragstellung beantragt hat, ist dieser Antrag mangels Antragslegitimation des Beschuldigten schon in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen worden.

Der Schuldspruch wegen Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RDG ist demnach begründet.

Bei der Bestimmung der wegen dieses Dienstvergehens verwirkten Disziplinarstrafe hat sich der Oberste Gerichtshof im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Bei der Strafbemessung fällt als erschwerend die in der Begehung zweier verschiedener strafbarer Handlungen dokumentierte Wiederholung der Pflichtverletzung ins Gewicht, zumal diese allein durch die Beurteilung des Fehlverhaltens als Dienstvergehen ihrem Unwertgehalt nach nicht aufgewogen wird (vgl hiezu Ds 1/89 vom 3. April 1989). Als mildernd ist hingegen die disziplinäre Unbescholtenheit des Beschuldigten sowie der Umstand zu werten, daß sich der Beschuldigte bis zu den inkriminierten Verfehlungen durchaus Verdienste als Richter und um die Justizverwaltung erworben hat.

Ausgehend von diesen besonderen Strafzumessungsgründen - im gegebenen Zusammenhang ist bei der Auslegung des § 101 Abs 1 und Abs 2 RDG analog § 93 BDG 1979 heranzuziehen, wobei nach dessen Abs 1 dritter Satz sinngemäß die Bestimmungen des StGB über die Strafbemessung (§§ 32 ff) anzuwenden sind (vgl Spehar/Jesionek/Fellner, RDG2 Anm 7 zu § 101) - und unter der gebotenen Bedachtnahme auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile - für welche (entgegen der Meinung des Disziplinarbeschuldigten) nicht der verschuldete materielle Schaden, sondern die Beeinträchtigung des Ansehens des Richterstandes und des Vertrauens in die Integrität der Richter maßgebend ist - sowie auf den Grad des Verschuldens erachtete der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht die Verhängung der Disziplinarstrafe des § 104 Abs 1 lit e RDG, mithin die Versetzung des Disziplinarbeschuldigten in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuß für schuldangemessen. Wiegen doch die Verfehlungen des Disziplinarbeschuldigten entsprechend schwer, weil er als leitender Justizfunktionär im Amt strafgerichtlich gefehlt und darüber hinaus, wenngleich außerhalb seiner Amtstätigkeit, in zweifacher Weise gegen eine Strafbestimmung zum Schutz der Rechtspflege verstoßen hat. Angesichts dessen war gemäß § 108 Abs 1 RDG die Versetzung in den Ruhestand für dauernd auszusprechen und überdies, gleichfalls gemäß § 108 Abs 1 RDG, die Minderung des Ruhegenusses mit dem höchstzulässigen Ausmaß von 25 von Hundert festzusetzen.

Die Höhe der mit 20.000 S bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens, die der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RDG zu ersetzen hat, entspricht dem Verfahrensaufwand und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Disziplinarbeschuldigten.

Es war demnach insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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