9ObA58/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter OR Mag.Eva Maria Sand und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Peter E*****, Oberarzt, ***** vertreten durch Dr.Helmar Feigl, Rechtsanwalt in Amstetten, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde A*****, vertreten durch den Bürgermeister *****, dieser vertreten durch Dr.Walter Eisl, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen Widerruf einer Dienstanweisung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Dezember 1994, GZ 31 Ra 163/94-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.April 1994, GZ 5 Cga 205/93p-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei als Dienstgeber des Klägers erließ am 17.5.1993 folgende Dienstanweisung Nr. 4/93:
"Hinsichtlich der Mittagspause wird festgelegt, daß im Sinne des Arbeitszeitgesetzes nach einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden mindestens eine halbstündige Ruhepause einzuschalten und, wenn der Tagdienst über sechs Stunden hinausgeht, vom Tagessaldo abzuziehen ist.
Geht die (der) Ärztin (Arzt) nach sechs Stunden mittagessen und ist ihr (sein) Dienst an diesem Tag zu Ende, so ist keine halbstündige Ruhepause abzuziehen.
Wenn die (der) Ärztin (Arzt) innerhalb der Tagesarbeitungszeit von sechs Stunden ein Mittagessen einnimmt, dann ist eine halbstündige Ruhepause vom Tagessaldo abzuziehen.
Erfolgt im Anschluß an einen Tagdienst ein Nachtdienst, so wird von einem Abzug einer halbstündigen Ruhepause Abstand genommen.
Ist es aus dienstlichen Gründen erforderlich, daß keine Mittagspause in Anspruch genommen werden kann (zB bei Operationen), dann ist ebenfalls keine halbstündige Ruhepause abzuziehen.
Diese Bestimmungen treten am 1.4.1993 in Kraft."
Der Kläger als Vertreter der Spitalsärzte des Krankenhauses Amstetten begehrt in seiner Eigenschaft als Spitalsärztevertreter stellvertretend für alle anderen Ärzte den Widerruf der Dienstanweisung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wendete ein, daß dem Kläger als Spitalsärztevertreter keine Verbandsklage zustehe und die Weisung nicht in wohlerworbene Rechte des Klägers eingreife.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsmeinung, daß die Bestimmungen des AZG über die Einhaltung der Ruhepausen auf das gegenständliche Dienstverhältnis nicht anzuwenden seien. In den Bestimmungen des NÖ SpitalärzteG 1992 sei keinerlei Verordnungsermächtigung vorhanden, die Ruhepausenregelung des AZG käme nicht zur Anwendung, so daß die Dienstanweisung der beklagten Partei ohne gesetzliche Grundlage erlassen worden sei. Im übrigen habe die beklagte Partei nicht dartun können, daß die Dienstanweisung weniger als drei Spitalsärzte betreffe, so daß die Klagslegitimation des Klägers gegeben sei.
Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab.
In rechtlicher Hinsicht komme dem Kläger keine Klagelegitimation nach § 54 ASGG zu, weil ein Vertreter der Spitalsärzte nicht als Organ der Arbeitnehmerschaft in § 40 ArbVG genannt sei. Diesem Umstand komme aber keine Bedeutung zu, weil der Kläger ohnehin auch im eigenen Namen die Feststellungsklage erhoben habe. Das Klagebegehren sei verfehlt, weil der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Widerruf einer Dienstanweisung habe und hiefür kein Rechtstitel zur Verfügung stehe. Im übrigen sei die Dienstanweisung durch das AZG gedeckt, so daß auch inhaltlich der Feststellungsklage kein Erfolg beschieden sein könne.
Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Dienstanweisung der Beklagten ist nichts anderes als eine generelle Weisung des Dienstgebers. Sie konkretisiert Inhalt und Umfang der Arbeitspflicht und kann auch die Arbeitszeit betreffen (Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR I3 142), hat sich aber im Rahmen von Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Kollektivvertrag und Gesetz zu halten (Martinek-M.und W.Schwarz AngG7, 43, 635).
Weisungen können demnach auch mit einer generellen Norm im Widerspruch stehen, was der Kläger im vorliegenden Fall durch den angeblichen Verstoß der Dienstanweisung gegen § 12 des NÖ SpitalärzteG 1992 (Landesgesetzblatt 9410-0) behauptet. Ob dies tatsächlich der Fall ist, braucht aber hier nicht geprüft zu werden.
Die Folgen der Rechtswidrigkeit einer Weisung können unter anderem die gerechtfertigte Nichtbefolgung oder das Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit sein. Beides ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Das Recht auf Widerruf des einseitigen vom Willen des Arbeitgebers abhängigen aus dem Arbeitsvertrag erfließenden Gestaltungsrechtes steht dem Arbeitnehmer mangels materiell rechtlicher Grundlage nicht zu. Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Dienstanweisung, die bereits mit 1.4.1993 in Kraft getreten ist. Ein rückwirkender Widerruf einer einmal in Vollzug gesetzten allgemeinen Weisung würde Dienstnehmern die rechtliche Basis ihrer dadurch gestalteten Arbeitsleistung entziehen, so daß der Arbeitgeber sie nicht widerrufen kann. Es könnte lediglich eine neue abändernde Gestaltungserklärung an ihre Stelle treten (Ostheim, Die Weisung des Arbeitgebers als arbeitsrechtliches Problem, Verhandlungen des 4. Österreichischen Juristentages 1970 Band I 4.Teil, 45).
Die Vorinstanz hat daher zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.