6Ob573/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien 1. Rotraud E*****, vertreten durch Dr.Gerhard Schweiger, Rechtsanwalt in Graz, 2. Siegfried D*****, 3. Erika V*****, beide vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen freiwilliger Feilbietung nach §§ 272 ff AußStrG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der zweit- und drittantragstellenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 7.Februar 1995, AZ 5 R 367/94 (ON 22), womit über Rekurs der erstantragstellenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. Oktober 1994, GZ 20 Nc 201/94-19, ersatzlos behoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Elfriede D***** war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch W*****, mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Sie schenkte mit Schenkungsvertrag vom 14.12.1989 ihrer Tochter, der Erstantragstellerin, einen Hälfteanteil an der Liegenschaft. Die Geschenknehmerin räumte der Geschenkgeberin eine nicht zu verbüchernde Servitut des Wohnens an der im Parterre des Hauses gelegenen Wohnung ein, die Geschenkgeberin hingegen räumte ihrer Tochter eine gleichartige Servitut an einer Wohnung im ausgebauten Keller sowie an einer im ersten Stock gelegenen Wohnung ein (P 7. des Schenkungsvertrages ON 12).
Die Geschenkgeberin verstarb am 30.3.1991. Ihr Nachlaß wurde am 8.5.1992 den erblasserischen Kindern zu je einem Drittel eingeantwortet. Durch die Schenkung und die Einantwortung wurde die Erstantragstellerin Miteigentümerin der Liegenschaft zu zwei Dritteln, der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin wurden durch die Einantwortung Miteigentümer zu je einem Sechstel.
In einem vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz anhängig gemachten Zivilteilungsverfahren wurde Anfang 1994 hinsichtlich der angeführten Liegenschaft ein Teilungsurteil erlassen.
Mit dem am 29.4.1994 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrten die Miteigentümer übereinstimmend die freiwillige Feilbietung der Liegenschaft "unter Zugrundelegung der unter einem gemeinsam erarbeiteten vorgelegten Versteigerungsbedingungen". Danach soll die Liegenschaft an den Ersteher frei von Mietrechten und sonstigen Bestand-, Nutzungs- und Benützungsrechten Dritter übergehen. Das geringste Gebot beträgt S 3,2 Mill. Vom Ersteher sind keine Dienstbarkeiten, Ausgedinge oder Reallasten zu übernehmen (ON 4).
Mit Beschluß vom 7.6.1994 bewilligte das Erstgericht die freiwillige Feilbietung der Liegenschaft gemäß § 269 AußStrG iVm der Feilbietungsordnung und iVm § 2 Abs.1 Z 1 Ger KommG, genehmigte die vorgelegten Feilbietungsbedingungen und bestellte einen Notar zum Gerichtskommissär (ON 7).
Am 21.6.1994 erließ das Erstgericht ein Feilbietungsedikt. Danach sollte die Feilbietung am 26.7.1994 in der Amtskanzlei des Gerichtskommissärs stattfinden (ON 9).
Einen Tag vor dem Versteigerungstermin erschien die Erstantragstellerin beim Gerichtskommissär und verwies auf die ihr im zitierten Schenkungsvertrag eingeräumten Wohnrechte an den Wohnungen im Keller und im ersten Stock des Hauses. Diese Rechte seien bei der Erstellung der Bedingungen für die freiwillige Feilbietung nicht berücksichtigt worden. Die Erstantragstellerin widerrief ihre Zustimmung zur freiwilligen Feilbietung. Diesen Sachverhalt gab der Gerichtskommissär den beiden anderen Antragstellern in dem zur Feilbietung anberaumten Termin bekannt. Diese beantragten die Durchführung der freiwilligen Feilbietung. Die Feilbietung wurde am anberaumten Termin nicht durchgeführt. Mehrere erschienene Kaufinteressenten entfernten sich wieder.
Unter Hinweis auf die Rechtskraft des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7.6.1994 und auf den Umstand, daß damit der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin Rechte erlangt hätten, beantragten diese Miteigentümer am 2.8.1994 die Anberaumung eines neuen Versteigerungstermins zur Versteigerung nach den vorgelegten Versteigerungsbedingungen (ON 15). Die Erstantragstellerin beantragte die Abweisung dieses Antrages und stellte selbst den Antrag, "abzuklären", ob zwischen den Parteien ein Konsens über die Abänderung der Versteigerungsbedingungen bestehe, verneinendenfalls das Feilbietungsverfahren eingestellt werden möge (ON 17).
Mit Beschluß vom 4.10.1994 trug das Erstgericht dem Gerichtskommissär auf, einen neuen Versteigerungstermin unter Einladung der zum ersten Versteigerungstermin erschienenen Bieter anzuberaumen und die Versteigerung gemäß den mit Beschluß vom 7.6.1994 genehmigten Feilbietungsbedingungen durchzuführen. Es vertrat die Ansicht, daß das Feilbietungsverfahren die Einigkeit der Miteigentümer über die Feilbietung und über alle Bedingungen, unter denen diese durchgeführt werden solle, voraussetze. Die Erstantragstellerin habe das ihr mit Schenkungsvertrag vom 14.12.1989 eingeräumte Wohnrecht nicht verbüchern lassen. Dies gehe zu ihren Lasten. Das erforderliche Einverständnis zur Feilbietung müsse nicht "bis zur letzten Sekunde des Verfahrens erhalten bleiben". Jeder der bisherigen Verfahrensschritte sei vom Willen aller Parteien getragen worden und einverständlich erfolgt. Das Versehen der Erstantragstellerin hinsichtlich ihres Wohnrechtes habe keine Auswirkungen auf das Feilbietungsverfahren.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erstantragstellerin statt, hob den Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs.1 AußStrG nicht zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, daß das Einvernehmen der Miteigentümer über die Feilbietung während des gesamten Verfahrens vorliegen müsse. Wenn ein einzelner Miteigentümer seine Verkaufsabsicht widerrufe oder erkläre, daß er nicht verkaufe, sei der Verkauf nicht durchzuführen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Zweitantragstellers und der Drittantragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage der einseitigen Widerruflichkeit der Zustimmung eines Miteigentümers zur freiwilligen Feilbietung der gemeinsamen Liegenschaft eine oberstgerichtliche Judikatur fehlt. Der Rekurs ist auch berechtigt.
Es kann dem Rekursgericht zugestimmt werden, daß die nach den Vorschriften der §§ 272 bis 280 AußStrG durchzuführende freiwillige Feilbietung einer Liegenschaft, die im Miteigentum mehrerer Personen steht, voraussetzt, daß sich die Miteigentümer sowohl über die Feilbietung als auch über die Feilbietungsbedingungen, insbesondere den Ausrufungspreis, einig sind (SZ 35/4; Gamerith in Rummel ABGB2 Rz 11 zu § 843). Der Verkauf der Liegenschaft gehört nicht zur ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 833 ABGB. Darunter sind nur Maßnahmen zur Erhaltung des gemeinsamen Gutes zu verstehen. Genauso wie zur Naturalteilung einer gemeinsamen Sache nach aufgehobener Gemeinschaft Stimmeneinhelligkeit erforderlich ist (§ 841 ABGB), setzt die Zivilteilung durch freiwillige Feilbietung das Einverständnis aller Miteigentümer voraus. Dieses Einverständnis muß auch für die Gestaltung des Verfahrens vorliegen, also hinsichtlich der Schätzung (SZ 33/124), der Versteigerungsbedingungen (SZ 35/4) oder des Ediktes (5 Ob 547/91). Das Fehlen des Einverständnisses bewirkt die Nichtigkeit des trotzdem durchgeführten Verfahrens (NotZ 1968, 60; 5 Ob 547/91).
Die Revisionsrekurswerber vertreten die Ansicht, daß dem Widerruf einer einmal erteilten Zustimmung eines Miteigentümers zur freiwilligen Versteigerung die Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses entgegenstehe, womit die freiwillige Versteigerung und die Versteigerungsbedingungen genehmigt worden waren. Die Erstantragstellerin hätte diese Genehmigung nicht in Rechtskraft erwachsen lassen dürfen. Durch den Genehmigungsbeschluß seien den Rekurswerbern Rechte erwachsen.
Daß der Genehmigungsbeschluß mit bindender Wirkung über den Fortgang des Verfahrens bis zur Versteigerung nicht abspricht, ist zumindest für den Fall nicht zu bezweifeln, daß alle Miteigentümer von der Versteigerung abstehen. Der Antrag auf Feilbietung kann zurückgezogen werden. Das Verfahren ist dann einzustellen. Zur Beurteilung des vorliegenden Falls kann unerörtert bleiben, bis zu welchem Zeitpunkt der (oder die) Antragsteller eine Liegenschaft, deren Feilbietung vom Außerstreitrichter bewilligt wurde, von der Feilbietung wieder zurückziehen könne. Hier sind nur die Fragen zu lösen, die sich aus dem Miteigentum mehrerer an der feilzubietenden Liegenschaft ergeben.
In den Verfahrensvorschriften des Außerstreitgesetzes finden sich keine Anhaltspunkte für die einseitige Widerruflichkeit der Zustimmungserklärung eines Miteigentümers.
Zur Zurückziehung des Antrages durch nur einen der Miteigentümer vertritt Feil in seinem Handkommentar, Verfahren außer Streitsachen die Ansicht, daß ein späterer Widerruf der Zustimmung zur Feilbietung möglich sei (Feil aaO 734), diese Ansicht wird aber nicht näher begründet und von der dazu zitierten Judikatur auch nicht gestützt. In der Entscheidung EvBl 1946/278 wird die Frage der Widerruflichkeit einer schon erteilten Zustimmung zur Feilbietung überhaupt nicht behandelt. In der Entscheidung SZ 33/124 wurde ausgesprochen, daß eine Liegenschaft nur auf Antrag sämtlicher Miteigentümer freiwillig geschätzt werden kann; dazu erachtete es der Oberste Gerichtshof aber als erheblich, daß nach Bewilligung der freiwilligen Schätzung und Bestellung eines Schätzmannes drei Miteigentümer gegen die restlichen Anteilseigentümer die Exekution (offenbar im Sinne des § 352 EO) beantragt und bewilligt erhalten haben, und daß (deshalb) die Rückziehung des Schätzungsantrags durch einen der beiden
Verpflichteten beachtlich wäre: Der Entscheidung RPflSlg A 3892 (= 8
Ob 24/62 = SZ 35/4 = EvBl 1962/206) ist lediglich der schon zitierte
Rechtssatz zu entnehmen, daß die freiwillige Feilbietung nur bei Einigkeit der Miteigentümer über die Einleitung des Verfahrens und die Versteigerungsbedingungen durchzuführen ist, nicht aber, bis wann diese Einigkeit vorliegen muß. Lediglich der Entscheidung SZ 20/183 könnte entnommen werden, daß der Oberste Gerichtshof die Widerruflichkeit der Zustimmung zum Verkauf durch nur einen Miteigentümer unterstellt. Diese Ansicht wurde allerdings nur obiter in einer Abhandlungssache geäußert, wo das Abhandlungsgericht über Antrag von erbserklärten Miterben eine freiwillige Versteigerung genehmigt hatte. Der Oberste Gerichtshof wies den auf Widerruf ihrer Zustimmungserklärung gestützten Aufschiebungsantrag zweier Miterben ab, weil das Abhandlungsgericht eine freiwillige Feilbietung von Liegenschaften weder anzuordnen noch aufzuheben habe.
In dem unstrittig zur Einleitung des Verfahrens erforderlichen Einverständnis aller Miteigentümer über die Feilbietung sowie über die Feilbietungsbedingungen ist eine privatrechtliche Vereinbarung zu erblicken, von der wieder nur bei Stimmeneinhelligkeit abgegangen werden kann. Die Willenseinigung über den Verkauf der Liegenschaft ist materielle Voraussetzung für die Durchführung des Verfahrens. Der Wegfall der Willenseinigung kann nicht - wie bei jedem anderen Vertrag auch - einseitig erklärt werden. Vor erfolgreicher Anfechtung des unter den Miteigentümern über den Verkauf der gemeinsamen Sache geschlossenen Vertrages (etwa wegen Irrtums) und dessen rückwirkender Aufhebung ist jeder Miteigentümer an seine vertragliche Zustimmungserklärung gebunden.
Rein verfahrensrechtlich ist dabei folgendes wesentlich: Steht eine feilzubietende Liegenschaft im Anteilseigentum mehrerer, ist die ganze Liegenschaft Feilbietungsgegenstand und nicht etwa die Summe der einzelnen Miteigentumsanteile, über die die jeweiligen Teilhaber im Sinne des § 829 ABGB selbständig verfügungsberechtigt wären. Insofern sind die mehreren Miteigentümer einer gemäß §§ 272 ff AußStrG feilzubietenden Liegenschaft als Miteigentümergemeinschaft verfahrensbeteiligt. Sie können deshalb auch nur als solche wirksame Verfahrenserklärungen abgeben. Das setzt - im Hinblick auf das materielle Recht (§§ 833 ff ABGB) - Übereinstimmung nicht nur beim Antrag auf Einleitung des Feilbietungsverfahrens und bei der Festlegung der Feilbietungsbedingungen, sondern auch bei einer allfälligen Antragsrückziehung voraus. Die verfahrensrechtliche Stellung der Miteigentümer im Feilbietungsverfahren ist derjenigen von einheitlichen Streitgenossen im Zivilprozeß (§ 14 ZPO) vergleichbar. Von einem der Streitgenossen gegen den Willen der anderen vorgenommene Prozeßhandlungen, wie beispielsweise die Klagsrücknahme, haben keine Wirkung (SZ 23/134).
Dem Revisionsrekurs war stattzugeben. Der erstinstanzliche Beschluß war wiederherzustellen.