JudikaturOGH

2Ob539/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj.Michaela P*****, geboren am 26.12.1978, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft-Spittal/Drau, Tirolerstraße 16, 9800 Spittal/Drau, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 15.März 1995, GZ 3 R 29/95-172, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 7.Dezember 1994, GZ P 125/79-167, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen

Text

Begründung:

Die mj.Michaela ist das uneheliche Kind der Christine G*****, geborene P*****, und des Eduard S*****. Sie befindet sich seit ihrem ersten Lebensjahr in ständiger Pflege und Erziehung ihrer mütterlichen Großeltern Annemarie und Johann P*****; auf deren Antrag, welchem sich die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau gemäß § 215 ABGB angeschlossen hatte, übertrug ihnen das Erstgericht mit Beschluß vom 13.Dezember 1989 (ON 90) die Obsorge für die mj.Michaela. Gleichzeitig bestellte es die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau zum Unterhaltssachwalter des Kindes. Mit Beschluß vom 14. Mai 1990 (ON 104) wurde der Vater ab 1.April 1989 zu einem monatlichen Unterhalt von S 1.500 für die Minderjährige verpflichtet. Am 15.April 1992 (ON 116) beantragte die mj.Michaela, vertreten durch den Unterhaltssachwalter, die Erhöhung ihres monatlichen Unterhaltes ab 1.April 1992 auf S 2.500. Am 15.Mai 1992 teilte die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau dem Erstgericht mit, daß der mütterlichen Großmutter Annemarie P***** gemäß § 20 KtnJWG ab 1.Juni 1992 Pflegegeld für die mj.Michaela gewährt wird. Am 6.Dezember 1994 (ON 166) stellte die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau in Abänderung des Antrages ON 116 den Antrag, den mit Beschluß vom 14. Mai 1990 festgelegten Unterhalt von S 1.500 mit 31.März 1992 "einzustellen" und den Vater ab 1.April 1992 zu einem Kostenbeitrag von S 2.500 (monatlich) zu verpflichten. Ferner teilte es mit, daß die mj.Michaela das erste Lehrjahr absolviere.

Das Erstgericht verpflichtete mit Beschluß vom 7.Dezember 1994 (ON 167) den Vater zum Ersatz der Kosten der vollen Erziehung der mj.Michaela ab 1.April 1992 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Beendigung der vollen Erziehung, monatlich S 2.500 zu Handen der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau zu bezahlen, wobei die bis zum Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Kostenbeiträge abzüglich bereits geleisteter Beträge binnen vierzehn Tagen, die weiteren Beträge wenigstens auf einen Monat im voraus jeweils spätestens zum Ersten jeden Monats zu zahlen sind (Punkt I seines Beschlusses). Im Punkt II stellte es die vom Vater auf Grund des Beschlusses ON 104 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeträge von S 1.500 für die mj.Michaela mit Ablauf des 31.März 1992 ein. Es traf umfangreiche Feststellungen über die Beschäftigungszeiten, Dienstgeber, Zeiten von Krankenständen oder von Arbeitslosigkeit des Vaters, der zur Vernehmung bei Gericht nicht stellig gemacht werden konnte; es stellte weiters fest, daß die Mutter der Minderjährigen zu deren Unterhalt nichts beitrage, und ging bei seiner Entscheidung von folgender Rechtsauffassung aus: Gemäß § 33 JWG 1989 seien die Unterhaltspflichtigen zur Kostentragung und zum Kostenersatz der vollen Erziehung der Minderjährigen nach bürgerlichem Recht verpflichtet. Gemäß §§ 140 Abs 1, 166 ABGB seien dies die Eltern des Kindes, die zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse desselben unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen hätten. Während die Mutter bisher zum Kostenersatz nicht herangezogen werden habe können, sei dies beim Vater ausgehend von einem dem Anspannungsgrundsatz entsprechenden fiktiven Monatseinkommen von rund S 15.000 im Sinne des gestellten Antrages möglich. Da nach Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau für die mj.Michaela an deren mütterliche Großmutter Annemarie P***** ab 1.Juni 1992 ein monatliches Pflegegeld von S

3.500 (1992), bzw S 3.800 (1993), S 3.950 (1994) und S 4.070 (ab 1995) geleistet worden sei, sei der nunmehr festgesetzte Kostenersatz des Vaters gerechtfertigt.

Infolge Rekurses des Vaters, der eine monatlich S 1.000 übersteigende Kostenersatzpflicht bekämpfte, wies das Rekursgericht den S 1.000 übersteigenden Antrag für die Zeit vom 1.April 1992 bis 31.Mai 1995 (unbekämpft) ab; soweit der Vater zu einem 1.000 S monatlich übersteigenden Kostenersatz ab 1.Juni 1992 verpflichtet wurde, hob es den erstinstanzlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach weiters aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Es vertrat zum Aufhebungsbeschluß folgende Rechtsansichten: Gemäß § 33 JWG 1989 und § 32 Abs 2 KtnJWG 1991 haben der Minderjährige und seine Unterhaltspflichtigen die Kosten der vollen Erziehung nach bürgerlichem Recht zu tragen, gegebenenfalls rückwirkend für drei Jahre zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Die Unterhaltspflichtigen haben die Kosten auch insoweit zu ersetzen, als sie nach ihren Lebensverhältnissen zur Zeit der Durchführung der vollen Erziehung dazu imstande gewesen seien. Gemäß § 32 Abs 2 letzter Satz KtnJWG sei der Minderjährige jedoch nicht heranzuziehen, wenn der Ersatz der Kosten für ihn eine Härte bedeuten würde. Nach § 34 JWG 1989 und § 32 Abs 3 KtnJWG 1991 gehen Forderungen des Minderjährigen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung seines Unterhaltsbedarfs dienen, bis zur Höhe der Ersatzforderung auf den die volle Erziehung gewährenden Jugendwohlfahrtsträger unmittelbar kraft Gesetzes auf Grund einer Anzeige an den Dritten über. Der zweite Satz des § 1395 und des § 1396 ABGB sind sinngemäß anzuwenden.

Der Jugendwohlfahrtsträger begehre im vorliegenden Fall ausdrücklich einen Beitrag durch den unterhaltspflichtigen Vater zu den Kosten der vollen Erziehung. Die Übertragung der Unterhaltsansprüche der Minderjährigen auf ihn (im Sinne der §§ 34 JWG, 32 Abs 3 Ktn JWG) habe der Jugendwohlfahrtsträger nicht geltend gemacht, insbesondere habe er die darin vorgesehene Anzeige an den Dritten (den unterhaltspflichtigen Vater) nicht behauptet. Er mache demnach eine Kostenersatzforderung (Kostenbeitragsforderung) geltend, deren Höhe von der Unterhaltsverpflichtung des in Anspruch genommenen Vaters abhänge, nicht aber den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch der Minderjährigen (ÖA 1992, 163). Über diesen Anspruch sei gemäß § 40 JWG 1989 im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Da die Höhe des Kostenersatzanspruchs von der Unterhaltsverpflichtung des in Anspruch genommenen Elternteils abhänge, sei die Bestimmung des § 140 ABGB im Sinne der zutreffenden Ansicht des Erstgerichtes maßgeblich. Hier stehe die Obsorge für die Minderjährige aber den mütterlichen Großeltern zu, kein Elternteil leistet demnach einen Beitrag im Sinne des § 140 Abs 2 durch die Betreuung des Kindes. Anteilig bedeute aber, daß jeder Elternteil unter Berücksichtigung seiner eigenen Leistungsfähigkeit zum Unterhalt des Kindes beizutragen habe. Wenn nicht gegen beide Elternteile (wie hier) ein gemeinsamer Titel geschaffen werde, sei das Vorbringen jedes Teils, die Kräfte des anderen seien noch nicht ausgeschöpft beachtlich. In einem solchen Fall seien dann jedenfalls Feststellungen über die Leistungsfähigkeit beider Elternteile zu treffen (EvBl 1991/166). Dies habe das Erstgericht jedoch (hinsichtlich der Mutter) versäumt. Erst wenn im fortgesetzten Verfahren die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter feststehe, seien die Unterhaltsquoten der Eltern nach ihrer Leistungsfähigkeit zu bestimmen, wobei die Gesamtbeurteilung derart zu geschehen habe, daß alle Beteiligten in etwa gleichem Maß in der Lage sein sollten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Bei verschieden großer Leistungsfähigkeit seien vor der Aufteilung die für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge von der Bemessungsgrundlage abzuziehen und erst danach die für den zu ermittelnden Gesamtunterhaltsbedarf erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (EvBl 1991/166 mwN). Das Erstgericht habe aber auch außer Acht gelassen, daß die Minderjährige nach der Aktenlage in einem Lehrverhältnis stehe, sodaß die Lehrlingsentschädigung gemäß § 140 Abs 3 ABGB als zu berücksichtigendes Einkommen des Kindes festzustellen und im Sinne der Judikaturgrundsätze der Entscheidung EvBl 1993/12 (mwN) zu berücksichtigen sei. Errechne man lediglich das nach der Aktenlage vom Vater erzielte Durchschnittseinkommen von rund S 12.200, wäre er damit auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für die minderjährige Tanja Maria P***** (monatlich S 1.500) in der Lage, den begehrten Kostenbeitrag (Kostenersatz) von monatlich 2.500 S zu leisten.

Zwar habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 505/92 (ÖA 1992, 163) ausgesprochen, daß auf den Ersatzanspruch für die Kosten der vollen Erziehung nach § 33 JWG die Bestimmung des § 1418 Satz 2 ABGB, wonach Alimente wenigstens auf einen Monat im voraus bezahlt werden, nicht anzuwenden sei. Ob der Ersatzpflichtige schon im Vorhinein zur Zahlung noch nicht fälliger monatlicher Kosten der vollen Erziehung verhalten werden könne, obwohl § 406 Satz 2 ZPO nur für Ansprüche auf Alimente eine Ausnahme von dem Grundsatz mache, daß zu einer Leistung nur dann verurteilt werden kann, wenn die Fälligkeit in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt schon eingetreten sei, habe der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht weiter beurteilt, weil die Unterhaltspflichtigen den Beschluß des Erstgerichtes dort nicht angefochten hatten. Die Bestimmungen der §§ 33 JWG und 32 Abs 2 KtnJWG unterschieden ausdrücklich zwischen dem "Tragen" und dem rückwirkend für drei Jahre möglichen "Ersatz" der Kosten der vollen Erziehung. Dieser Gesetzeswortlaut lasse auf die Absicht des Gesetzgebers schließen, daß die Minderjährigen und ihre Unterhaltspflichtigen neben dem Ersatz bereits vom Jugendwohlfahrtsträger vorläufig getragener Kosten auch zur Tragung zukünftiger Kosten der vollen Erziehung verpflichtet werden können. Diese Kosten stünden im Fall der monatlichen Pflegegeldgewährung nach § 20 KtnJWG (wie hier) auch schon im Vorhinein fest. Die Bestimmung des § 406 Satz 2 ZPO, welche von der Rechtsprechung schon bisher unter Anerkennung besonderer Interessenslagen über die Ansprüche mit Alimentationscharakter hinaus angewendet worden sei, könne daher analog auf den Kostentragungsanspruch im Sinne der genannten Bestimmungen angewendet werden. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Ersatzpflichtigen nach § 33 JWG und § 32 Abs 2 KtnJWG schon im Vorhinein zur Zahlung noch nicht fälliger monatlicher Kosten der vollen Erziehung verhalten werden können, fehle.

In dem gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs führt die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau (Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 34 Abs 3 KtnJWG) den Vorinstanzen zustimmend im wesentlichen aus, die in § 406 Satz 2 ZPO für Alimente vorgesehene Ausnahme (der Verurteilung zu noch nicht fälligen Unterhaltsleistungen) müsse auch für den den Alimenten gleichgestellten Kostenersatzanspruch im Rahmen der §§ 33 JWG und 32 Abs 2 KtnJWG gelten; ohne auf die ausführliche Begründung des Gerichts zweiter Instanz für die (Teil )Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und die aufgetragene Verfahrensergänzung einzugehen, wiederholt die Rechtsmittelwerberin den Antrag, den Vater im Rahmen der Kostenersatzpflicht ab 1.Juni 1992 zu einem monatlichen Beitrag von S 2.500 zu verpflichten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig:

Obwohl zur grundsätzlichen Rechtsfrage der "analogen Anwendbarkeit" des § 406 Satz 2 ZPO bzw des § 1418 Satz 2 ABGB auf die Festsetzung der Kostenersatzpflicht gemäß § 33 JWG (§ 32 Abs 2 KtnJWG) eine der Rechtsauffassung der Vorinstanzen und der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau widersprechende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliegt (ÖA 1994, 31), erweist sich angesichts der gegebenen Anfechtungslage, daß diese vom Rekursgericht für die Zulassung des Revisionsrekurses ausersehene Rechtsfrage hier nicht zu lösen ist. Das vorliegende Rechtsmittel stellt sich nämlich als Zustimmung zur vorinstanzlichen Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage dar, es mangelt ihm daher insoweit die für jedes Rechtsmittel zu fordernde Beschwer (mit dem Ziel auf Abänderung oder Aufhebung der bekämpften Entscheidung - Fasching ZPR2 Rz 1667). Ebenso wie in der im angefochtenen Beschluß zitierten Entscheidung ÖA 1992, 163 bedarf mangels Anfechtung des vorliegenden zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschlusses durch den Vater die Frage, ob der Ersatzpflichtige schon im Vorhinein zur Zahlung noch nicht fälliger Kosten der vollen Erziehung verhalten werden kann, obwohl dies im § 406 Satz 2 ZPO nur für Ansprüche auf Alimente vorgesehen ist, keiner Untersuchung und Lösung.

Gegen die ausführliche und mit Rechtsprechungszitaten aus jüngster Zeit belegte zweitinstanzliche Begründung des Aufhebungsbeschlusses enthält das vorliegende Rechtsmittel keinerlei Ausführungen, sodaß auch insoweit keine Fragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zu lösen sind.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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