JudikaturOGH

9ObA29/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Georg A*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 1,465.257,90 sA und Feststellung (Streitwert S 600.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.November 1994, GZ 5 Ra 176/94-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.Juni 1994, GZ 42 Cga 78/94f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stand seit 2.1.1969 als technischer Angestellter in einem Dienstverhältnis zur beklagten Partei. Sein örtlicher Verwendungsbereich war das Bundesamt für Zivilluftfahrt-Luftsicherungsstelle Innsbruck, Sendezentrale Igls. Auf sein Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für die Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt und das Angestelltengesetz anzuwenden. Mit Schreiben des Bundesamtes für Zivilluftfahrt vom 2.11.1993 wurde er entlassen.

Mit der am 1.4.1994 eingebrachten Klage begehrt der Kläger Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung in Höhe von S 1,465.257,90 brutto sA sowie die Feststellung des Altersversorgungszuschusses. Seine Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt und im übrigen verspätet ausgesprochen worden.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil zufolge § 4 Abs 1 des Bundesgesetzes vom 28.12.1993, BGBl 1993/898, ua sämtliche Verbindlichkeiten mit Ablauf des 31.12.1993 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH (Austro Control GmbH) übergegangen seien. Im übrigen sei die Entlassung im Sinne des § 27 AngG dadurch gerechtfertigt, daß der Kläger während seines angeblichen Krankenstandes mehrmals als Musiker des "Alpenland-Trios Tirol" aufgetreten sei.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Nach Art I § 4 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Austro Control Gesellschaft mbH, BGBl 1993/898, seien alle Aktiven und Passiven mit Ablauf des 31.12.1993 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Austro Control GmbH übergegangen. Der Bundesminister für Finanzen sei ermächtigt worden, einen Sacheinlagevertrag abzuschließen, wobei Gegenstand der Sacheinlage neben den in Abs 1 genannten Vermögensgegenständen und Schulden auch diejenigen Verpflichtungen seien, die gemäß § 7 Abs 2 des Gesetzes mit Ablauf des 31.12.1993 auf die Austro Control GmbH übergegangen sind. Dabei handle es sich um die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestehenden kollektivvertraglichen und einzelvertraglichen Rechte und Verbindlichkeiten, für die anläßlich der Ausgliederung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt keine Änderung eintrete. Aufgrund dieser Gesamtrechtsnachfolge hafte die beklagte Partei nicht mehr für diese Verbindlichkeiten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unter einer Universalsukzession verstehe man den automatischen (eo ipso) und einheitlichen (uno actu) Übergang sämtlicher Rechte und Verbindlichkeiten, wie sie im Zeitpunkt des Überganges bestanden hätten. Der Rechtsnachfolger repräsentiere nunmehr den Rechtsvorgänger. Damit finde ein Austausch der Rechtsträger statt, so daß die Weiterhaftung des früheren Repräsentanten nicht mehr fortdauere und es auch keiner gesonderten gesetzlichen Entlassung aus der Haftung bedürfe. Da es sich bei der Austro Control GmbH um eine 100 %ige Gesellschaft der Republik Österreich handle und das Dienstverhältnis des Klägers bereits aufgelöst sei, komme es im Hinblick auf die Abwicklungsansprüche des Klägers zu keiner wesentlichen Einschränkung des Haftungsrahmens. Die im Gesetz angeführte Ermächtigung zum Abschluß eines Sacheinlagevertrages stehe der Gesamtrechtsnachfolge mit 31.12.1993 nicht entgegen, weil der allenfalls im Zuge einer Kapitalerhöhung abzuschließende Sacheinlagevertrag nur der Konkretisierung der Sacheinlage und gesellschaftsrechtlichen Durchführung der vom Gesetz bereits angeordneten und vollzogenen Gesamtrechtsnachfolge diene.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der beiden Unterinstanzen zurückzuverweisen. Hilfsweise wird eine Abänderung im Sinne des Klagebegehrens begehrt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber führt im wesentlichen aus, daß der Zweck einer Universalsukzession zwar darin bestehe, daß die Rechtsnachfolge durch einen einzigen Erwerbsakt eintrete, die Frage der Haftung des Rechtsvorgängers mangels gesonderter gesetzlicher Regelung aber unberührt bleibe, so daß für den Schuldnerwechsel § 1405 ABGB und im übrigen die Bestimmungen der §§ 1409 ABGB und 25 HGB maßgeblich seien. Abgesehen davon sei eine Gesamtrechtsnachfolge vom Abschluß eines Sacheinlagevertrages abhängig gemacht worden. Da ein solcher Vertrag noch nicht abgeschlossen worden sei, sei es noch zu keiner Rechtsnachfolge gekommen. Die gesetzliche Regelung verstoße auch gegen die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte der Freiheit des Eigentums und der Erwerbsfreiheit. Im Fall der Liquidierung der Austro Control GmbH durch Konkurs hätte der Kläger keine Möglichkeit mehr, auf die Republik Österreich zurückzugreifen, obwohl der Insolvenz-Ausfallgeldfonds nicht alle Ansprüche abdecke. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten:

Nach § 4 Abs 1 des Gesetzes über die Austro Control Gesellschaft mbH, mit dem das Luftfahrtgesetz und das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr geändert wurde, BGBl 1993/898 (kurz ACGG), gehen die im Eigentum des Bundes stehenden von der betriebsähnlichen Einrichtung Bundesamt für Zivilluftfahrt verwalteten Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten mit Ablauf des 31.12.1993 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in das Eigentum der Austro Control GmbH über. Gemäß § 7 ACGG werden alle Bediensteten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes beim Bundesamt für Zivilluftfahrt beschäftigt sind und für die der Kollektivvertrag des Bundesamtes für Zivilluftfahrt gilt, Bedienstete der Austro Control GmbH. An den bestehenden kollektivvertraglichen und einzelvertraglichen Rechten und Pflichten tritt anläßlich der Ausgliederung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt keine Änderung ein. Nach § 8 ACGG werden alle öffentlich-rechtlichen Bediensteten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes beim Bundesamt für Zivilluftfahrt beschäftigt sind, in den Planstellenbereich des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr übernommen. Nach den EB zur RV, 1247 Blg 18. GP, 12, dürfe die Änderung der Rechtsform des Dienstgebers nicht zu einer Schlechterstellung der Bediensteten führen. Dieses auch durch die arbeitsgerichtliche Judikatur abgesicherte Prinzip komme mit der Überbindung des geltenden Kollektivvertrags auf die Austro Control GmbH zum Ausdruck.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, liegt es im Wesen einer Gesamtrechtsnachfolge, daß auch der Übergang der Verpflichtungen ex lege erfolgt, ohne daß es dazu einer rechtsgeschäftlichen Schuldübernahme bedürfte, die gemäß § 1405 ABGB die Zustimmung des Gläubigers erfordert; für eine Vertragsübernahme, die nur mit Einwilligung des Vertragspartners wirksam wäre, bleibt kein Raum. § 1409 ABGB und § 25 HGB sind nicht anwendbar (vgl Hügel, Gesamtrechtsnachfolge und Strukturverbesserungsgesetz (1982) 22 ff mwH; Nowotny, Handels- und gesellschaftsrechtliche Probleme einer Unternehmensteilung, DRdA 1989 93 ff, 102 f; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 728; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 488 ff; Rebhahn in Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 336 ff mwH; Kastner, Zur Fortentwicklung des österreichischen Gesellschaftsrechts durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre, JBl 1983, 457 ff, 459; Welser in Rummel2, ABGB §§ 797, 798 Rz 5; auch Klang, § 1409 ABGB in der Rechtsübung, JBl 1948, 437 ff, 445; SZ 25/266; SZ 41/112 ua). Nach dem beiliegenden Firmenbuchauszug wurde die Austro Control GmbH aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 15.12.1993 und des Antrages vom 28.12.1993 am 30.12.1993 registriert, so daß dem Übergang aller Rechtspositionen mit 31.12.1993 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch kein Registrierungsmangel entgegensteht. Da § 4 Abs 1 ACGG einen umfassenden Übergang aller Aktiven und Passiven - mit Ausnahme hier nicht wesentlicher Verbindlichkeiten gegenüber Eurocontrol und Forderungen gegenüber Dienstnehmern - anordnet, kommt der Ermächtigung zum Abschluß eines allenfalls zu einer Kapitalerhöhung führenden (§ 4 Abs 4 ACGG) Sacheinlagevertrages über die in § 4 Abs 1 ACGG genannten Vermögensgegenstände und Schulden und der Verpflichtungen gemäß § 7 Abs 2 ACGG keine gründungs- und haftungsrelevante Bedeutung mehr zu.

Auch der Einwand, der Kläger sei in seinen Abwicklungsansprüchen durch die Möglichkeit einer Insolvenz der neu gegründeten Gesellschaft gefährdet, ist nicht zielführend. Die Austro Control GmbH ist als Non-Profit-Organisation konzipiert und hat als beliehenes Unternehmen auch hoheitliche Aufgaben zu erfüllen. Die Republik Österreich ist im Rahmen internationaler Verträge zur Aufrechterhaltung der Flugsicherung verpflichtet (1247 BlgNR 18. GP, 11). Gemäß § 2 Abs 1 ACGG hat die Austro Control GmbH sämtliche dem Bundesamt für Zivilluftfahrt im Luftfahrtgesetz sowie in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen bisher übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Für diese Aufgaben besteht Betriebspflicht. Eine Liquidierung der Gesellschaft durch Konkurs ist insofern ausgeschlossen. Dementsprechend sieht das ACGG auch die Bildung entsprechender Rückstellungen im Sozialkapitalbereich für die zu übernehmenden Dienstnehmer des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, Beiträge des Bundes an die Altersversorgungs- und Versorgungszuschußempfänger und kostendeckende Entgeltleistungen des Bundes vor (§§ 4 Abs 4 und 7, 9 Abs 1 und 11 ACGG). Eine allenfalls erforderliche Zuführung von Kapital ist gewährleistet (1247 BlgNR 18. GP, 13). Im Hinblick auf die Ansprüche des Klägers ist somit keine Verringerung des Haftungsfonds zu erkennen, so daß seinen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht näher getreten werden kann.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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