JudikaturOGH

10ObS73/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Hartmann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Hilflosenzuschusses und Pflegegeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Februar 1995, GZ 7 Rs 151/94-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7.Juni 1994, GZ 35 Cgs 137/93w-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Das Bezirksgericht für ZRS Graz wird durch Übersendung des Aktes 35 Cgs 137/93w des Landesgerichtes für ZRS Graz und der diesem angeschlossenen Akten 35 Cgs 61/92 des Landesgerichtes für ZRS Graz sowie 3585070429 der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter nach § 6a ZPO davon verständigt, daß sich bei der Klägerin Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf diesen Rechtsstreit ergeben.

2. Das genannte Pflegschaftsgericht wird ersucht, dem Revisionsgericht ehestens mitzuteilen, ob ein (einstweiliger) Sachwalter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird.

3. Bis zu dieser Mitteilung des Pflegschaftsgerichtes wird das Revisionsverfahren ausgesetzt.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 22.6.1993 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 5.4.1993 auf Hilflosenzuschuß unter Berufung auf § 366 Abs 2 ASVG ab. Die Klägerin habe trotz Belehrung über die Säumnisfolgen der Anordnung des Versicherungsträgers, sich am 27.4. bzw. 26.5.1993 ärztlich untersuchen zu lassen, nicht entsprochen, ohne einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen.

Das Begehren der von der Klägerin selbst rechtzeitig erhobenen Klage richtet sich auf Pflegegeld zur Pension ab 27.4.1993. Es stützt sich darauf, daß die Klägerin wegen verschiedener Leiden mehrere Verrichtungen des täglichen Lebens nicht allein vornehmen könne.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe die Klägerin mit Schreiben vom 12.5.1993 unter Androhung von Säumnisfolgen aufgefordert, zur ärztlichen Begutachtung zu erscheinen. Die Klägerin habe dies mit Schreiben vom 21.5.1993 abgelehnt und auch eine "Hausbegutachtung" verweigert. Deshalb habe angenommen werden müssen, daß sie nicht hilflos sei.

Am 13.5.1994 wurde der Klägerin die Ladung zur für den 7.6.1994, zunächst 14.50 Uhr im Gerichtsgebäude anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zugestellt. Dabei wurde ihr mitgeteilt, daß die Tagsatzung um 16.00 Uhr in ihrer Wohnung stattfinden werde, falls sie sich krankheitsbedingt oder unentschuldigt nicht zur erstgenannten Zeit einfinden sollte. Am 24.5.1994 teilte die Klägerin telefonisch mit, daß sie nicht zur Verhandlung kommen könne (schwindlig, könne nicht gehen). Sollte die Verhandlung in ihrer Wohnung stattfinden, werde sie "sowieso" nicht zu Hause sein. In einer schriftlichen Eingabe vom 25.5.1994 teilte sie mit, sie sei 7 bis 8 Monate nicht anwesend. Sie sei nicht in ihrer Wohnung, sondern in Pflege bei Verwandten. Zwei weitere Eingaben vom 30. und 31.5.1994 haben einen ungeordneten Inhalt.

In der Tagsatzung vom 7.6.1994 ließ sich die Klägerin durch einen von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und begründete dies mit § 366 ASVG. Aus dem bisherigen Akteninhalt und dem amtsbekannten Akteninhalt des Vorverfahrens ergebe sich, daß die Klägerin, bei der keine Anzeichen einer geistigen Erkrankung vorlägen, sich offensichtlich weigere, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

In der Revision macht die Klägerin Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl aus den angeschlossenen Akten als auch aus dem Verhalten der Klägerin in und außerhalb des nunmehrigen Verfahrens ergeben sich gewichtige Anzeichen, daß sie wegen einer psychischen Krankheit ua ihre Angelegenheiten als Prozeßpartei nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag. Vor allem fällt auf, daß die Klägerin einerseits mit großer Intensität einen Hilflosenzuschuß bzw ein Pflegegeld anstrebt und immer wieder behauptet, schwerst krank zu sein, sich aber anderseits keinesfalls von einem ärztlichen Sachverständigen untersuchen lassen will. Auch die teilweise wirren Eingaben deuten darauf hin, daß die Voraussetzungen des § 273 ABGB vorliegen könnten.

Davon ist nach § 6a Satz 1 ZPO das nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin zuständige Pflegschaftsgericht (§ 109 Abs 1 JN) zu verständigen.

Dieses wird dem Revisionsgericht ehestens mitzuteilen haben, ob ein (einstweiliger) Sachwalter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird (§ 6a Satz 2 leg cit).

Bis zu dieser Mitteilung ist das Revisionsverfahren auszusetzen (SSV-NF 6/57 mit Judikatur- und Literaturnachweisen; Fucik in Rechberger, ZPO § 6a Rz 3).

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