JudikaturOGH

9ObA35/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Warnung und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sigrid H*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Michael Augustin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Dr.Heimo S*****, Rechtsanwalt, ***** wegen S 78.265,- brutto s.A, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.November 1994, GZ 8 Ra 57/94-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.März 1994, GZ 22 Cga 117/93b-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Klägerin wegen ungebührlichen Vorenthaltens des Entgelts im Sinne des § 26 Z 2 AngG berechtigt vorzeitig ausgetreten ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, die bedingte Lösungserklärung sei nicht wirksam gewesen, die Klägerin hätte die Zahlungsverzögerung nicht zum Anlaß eines plötzlichen Austritts nehmen dürfen, die gesetzte Nachfrist sei zu kurz gewesen und ihn treffe am verspäteten Zugang des Schecks kein Verschulden, entgegenzuhalten, daß er damit nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgeht.

Nach diesen wurde das Gehalt der Klägerin auf ihr Gehaltskonto überwiesen. Die Überweisungen erfolgten sukzessive immer später, so daß ihr das Entgelt (entgegen § 15 AngG) jeweils erst zwischen dem

20. und 25. des Folgemonats zukam. Manchmal übergab ihr der Beklagte auch einen Scheck. Als Anfang Jänner 1993 noch das Gehalt vom 1. bis 24.11.1992 und die Entgeltfortzahlung ab 25.11.1992 ausständig waren, mahnte sie diese Beträge unter Fristsetzung bis 22.1.1993 ein. Es erfolgten zwar Zahlungen an die Klägerin, doch haftete Anfang April 1993 noch immer die Entgeltfortzahlung von Dezember 1992 bis Februar 1993 unberichtigt aus. Die Klägerin setzte dem Beklagten mit Schreiben vom 6.4.1993 eine "letztmalige" Frist bis 20.4.1993 und drohte für den Fall des neuerlichen Verzuges ihren vorzeitigen Austritt an. Da die Klägerin in der Folge, nämlich mittels eines an sie am 14.4.1993 übersendeten Schecks lediglich den Fortzahlungsbetrag für Dezember 1992 erhielt, sandte sie am 23.4.1993 ein Schreiben an den Beklagten, in dem sie feststellte, daß die offenen Entgeltansprüche für Jänner und Februar noch immer nicht bezahlt seien. Sie forderte den Beklagten auf, ihr das gebührende Entgelt bis längstens 29.4.1993 zu zahlen und zwar so, daß das Geld bis zu diesem Zeitpunkt in ihren Händen sei. Sollte sie bis längstens 29.4.1993, 12.00 Uhr, nicht im Besitz sämtlicher offener Entgeltansprüche sein, könne der Beklagte das Dienstverhältnis per 29.4.1993 als durch vorzeitigen Austritt gemäß § 26 Abs 2 AngG als aufgelöst betrachten. Ein gesondertes Austrittsschreiben werde nicht mehr erfolgen. Dieses Schreiben kam den Beklagten jedenfalls am 26.4.1993 zu (Seite 137).

Am 28.4.1993 stellte der Beklagte einen Scheck aus, den er am Abend mit einem einfachen Brief an die Klägerin zur Post gab. Am 29.4.1993 fand die Klägerin weder diesen Brief vor, noch konnte sie einen Eingang auf ihrem Gehaltskonto feststellen. Den Brief des Beklagten, in dem sich der Scheck befand, erhielt sie erst am 30.4.1993. Mit Schreiben vom 5.5.1993 hielt die Klägerin daraufhin fest, daß zufolge der Nichtzahlung ihrer offenen Entgeltansprüche binnen der gesetzten Nachfrist von ihrem gerechtfertigten vorzeitigen Austritt per 29.4.1993 auszugehen sei.

Bei diesem Sachverhalt kann keine Rede davon sein, die Klägerin wäre überraschend vorzeitig ausgetreten (vgl infas 1992 A 76 uva). Sie hat die groben Zahlungsverzögerungen wiederholt eingemahnt und ihren vorzeitigen Austritt bereits mit Schreiben vom 6.4.1993 unmißverständlich angedroht. Der Beklagte hätte hinreichend Gelegenheit gehabt, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Soweit die Klägerin schon in ihrem Schreiben vom 23.4.1993 ihren vorzeitigen Austritt für den Fall der weiteren Nichtzahlung erklärte, setzte sie eine zulässige, da vom Willen des Beklagten abhängige, Potestativbedingung (vgl Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 543 f mwH). Einer zusätzlichen Austrittserklärung bedurfte es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sohin nicht mehr.

Es ist weiters unerheblich, ob die Übersendung des Schecks bereits den Zahlungsverzug hätte beseitigen können, da dieser erst einen Tag nach Ablauf der hinreichenden Nachfrist bei der Klägerin eingelangt ist. An dieser Verspätung trifft den Beklagten auch ein Verschulden, da es an ihm gelegen wäre, dafür zu sorgen, daß der ausstehende Betrag rechtzeitig in die Hand der Klägerin gelangen werde. Darauf, daß ein "am Abend" oder "gegen Abend" aufgegebener Brief den Adressaten jedenfalls noch am nächsten Tag erreichen werde, durfte sich der Beklagte nicht verlassen. Die erst rund eineinhalb Monate später ausgesprochene "Entlassung" konnte das Dienstverhältnis nicht mehr beenden, da dieses bereits aufgelöst war.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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