5Ob518/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silvia H*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Karl S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 64.484,83 s.A., infolge Rekurses beider Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 20.Jänner 1994, GZ 2 R 574/93-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 18.Oktober 1993, GZ 32 C 54/91t-20, abgeändert wurde folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beide Rekurse werden als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten ursprünglich die Zahlung von S 46.000,- und S 24.343,- mit der Begründung, der Beklagte habe sich im Scheidungsvergleich verpflichtet, diese Verbindlichkeiten der Streitteile bei der G***** und bei der P***** allein zu übernehmen und die Klägerin diesbezüglich klag- und schadlos zu halten. Tatsächlich habe jedoch die Klägerin diese Kreditverbindlichkeiten allein abgedeckt. In der Tagsatzung vom 23.10.1991 wurde das Klagebegehren und die vom Kläger erhobene Gegenforderung aus einer von ihm an die Steiermärkische Bank geleistete Zahlung von S 8.323,17 eingeschränkt und um einen von der Klägerin ausgelegten, vom Beklagten zu ersetzenden Betrag von S 2.374,- ausgedehnt (AS 27). Das Klagebegehren wurde mit S 64.484,83 s.A. (statt rechnerisch richtig mit S 64.393,83) aufrechterhalten.
Der Beklagte gab als richtig zu, daß er nach den getroffenen Vereinbarungen die von der Klägerin geltend gemachten Beträge "übernommen" habe (AS 6 ff und 27), stellte das eingeschränkte Klagebegehren der Höhe nach und bezüglich des Zinsenbeginnes mit 16.7.1991 außer Streit, wendete aber Gegenforderungen von S 140.533,16 (Einlage im Christbaumhandel der Klägerin von S 100.000,-; Reparaturkosten für LKW S 20.000,-; Rechnung aus Christbaumeinkauf S 10.389,56; Rechnung für Werbematerial S 2.000,-; Zahlung an die Steiermärkische Bank S 8.143,66) aufrechnungsweise ein.
Im Scheidungsvergleich sei festgelegt worden, daß der von der Klägerin unter der nicht protokollierten Firma "Silvia S***** Kleinhandel mit Christbäumen" geführte Betrieb sich in Liquidation befinde und daß nach dem Ergebnis der Liquidation, mit deren Abschluß gegen Ende 1990 gerechnet werden könne, die beiden Parteien dasselbe im Verhältnis 50 : 50 zu realisieren hätten. Das heiße, daß im Falle eines aktiven Abschlusses jede der beiden Parteien die Hälfte des Aktivsaldos zu übernehmen habe, bei einem negativen Abschluß jede der Parteien 50 : 50 des Mankos zu tragen habe. Ausdrücklich sei im Vergleich angeführt, daß der Beklagte in das Unternehmen einen ihm von seiner Dienstgeberin gewährten Gehaltsvorschuß von S 100.000,-
eingebracht habe, welcher Betrag in die Liquidation und Endabrechnung einzubeziehen sei. Die Liquidationsbilanz sei im April 1991 erstellt worden, doch habe die Klägerin den Beklagten davon nicht informiert. Es sei also von einem Liquidationsergebnis von Null auszugehen.
In der Tagsatzung vom 2.11.1992 wurde "festgehalten" daß die Liquidationsbilanz mangels Vollständigkeit noch keine endgültige sei und daß die Klägerin die Erstellung einer neuen Liquidationsbilanz veranlassen werde, wobei die Parteienvertreter dem Gericht die endgültige Liquidationsbilanz vorlegen würden.
Die Klägerin bestritt die Gegenforderungen dem Grunde und der Höhe nach. Sie schulde dem Beklagten weder aus der Liquidationsbilanz noch sonst etwas. Eine etwaige Einlage in den Christbaumhandel sei zurückgezahlt worden (AS 28 und 29). Die mangelnde Fälligkeit der Gegenforderung ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Vergleiches, weil die Liquidationsbilanz noch nicht erstellt sei (AS 85).
Das Erstgericht hat
1.) die eingeklagte Forderung mit S 64.484,83 als zu Recht bestehend,
2.) die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und demnach
3.) den Beklagten für schuldig erkannt, der Klägerin S 64.484,83 samt 4 % Zinsen seit 16.7.1981 zu zahlen und die mit S 25.810,48 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen;
4.) das Zinsenmehrbegehren abgewiesen.
Das Erstgericht stellte zusätzlich zum unbestrittenen Sachverhalt folgendes fest:
Die Streitteile betrieben während aufrechter Ehe in den Jahre 1987 bis 1989 einen Christbaumhandel, wobei das Einzelhandelsunternehmen auf den Namen der Klägerin geführt wurde.
Der Christbaumeinkauf wurde immer über einen Gehaltsvorschuß des Beklagten finanziert.
Für den Christbaumverkauf zu Weihnachten 1989 lieferte die S***** Forstverwaltung Fichtenschnittbäume und übermittelte die Rechnung hiefür an die Klägerin, welche allerdings nicht bezahlte. Da der Beklagte den diesbezüglichen Lieferschein unterfertigt hatte und ihm mit Klage gedroht worden war, zahlte er schließlich im September 1989 den Betrag von S 10.389,56.
Ferner leistete der Beklagte eine Teilzahlung von S 2.000,- für von einer Druckerei im November 1989 gelieferte Flugblätter für den Christbaumverkauf.
Am 5.2.1990 leistete der Beklagte für die Reparatur des Firmen-LKW eine Anzahlung von S 20.000,-. Es war vereinbart, daß sie bei Verkauf des LKW's rückzahlbar sei.
Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 13.3.1990 geschieden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Christbaumhandelsunternehmen in Liquidation. In Punkt 8.) des Scheidungsvergleiches wurde daher vereinbart, daß nach Vorliegen der Liquidationsbilanz durch das Steuerberatungsbüro Dr.Haidinger das Ergebnis zwischen den Streitteilen im Verhältnis 1 : 1 aufzuteilen sei. Im zweiten Absatz des Punktes 8.) dieses Vergleiches wurde festgehalten, daß der aushaftende Gehaltsvorschuß des nunmehr Beklagten mit S 100.000,- "in die Endabrechnung unter den Ausgaben einzubeziehen" sei.
Eine Liquidationsbilanz für das Unternehmen der Klägerin liegt noch nicht vor.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Gegenforderung des Beklagten mangels Fälligkeit nicht zu Recht bestehe, so daß der Beklagte zur Bezahlung der nicht strittigen eingeklagten Forderung zu verpflichten gewesen wäre, allerdings nur unter Berücksichtigung des gesetzlichen Zinssatzes.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes, das "hinsichtlich der Feststellung des Bestands der Klagsforderung mit S 64.484,83 (Pkt 1.) und der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens als Teilurteil unangefochten und in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, im übrigen hinsichtlich der Gegenforderung (Pkt 2.) und in der Kostenentscheidung (Pkt 3.)" auf, verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Aus der gebotenen Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes als Einheit, in dessen Spruch die als
unangefochten gebliebenen Teile des Urteiles des Erstgerichtes - in Einklang mit § 391 Abs 3 ZPO - angeführt sind und in dem die Aufhebung "im übrigen" ausgesprochen wird, folgt, daß in der näheren (bloß illustrativen) Beschreibung des Inhaltes des aufgehobenen Teiles bei Punkt 3. die Anführung des klagestattgebenden Leistungsurteiles offenbar versehentlich unterblieb. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch den Umstand bestätigt, daß in der Begründung des Aufhebungsbeschlusses ausgeführt wird, die Berufung des Beklagten habe sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung des eingeklagten Betrages wegen Nichtzurechtbestehens der Gegenforderung gerichtet und sie sei (uneingeschränkt) im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.
Das Berufungsgericht begründete seinen Aufhebungsbeschluß im wesentlichen wie folgt:
Da der Beklagte die Feststellung des Erstgerichtes, eine Liquidationsbilanz liege noch nicht vor, unbestritten gelassen habe und da nach dem festgestellten Inhalt des Punktes 8.) des Scheidungsvergleiches die Fälligkeit der Gegenforderung des Beklagten durch die Erstellung einer Liquidationsbilanz aufschiebend bedingt gewesen sei, bedürfe es wegen des eindeutigen Wortlautes dieses Vergleichspunktes zumindest nach dem bisherigen Vorbringen des Beklagten keiner zusätzlichen Erforschung des Parteiwillens im Sinne des § 914 ABGB.
Allerdings gelte nach der Rechtsprechung zu § 897 ABGB die Bedingung als eingetreten, wenn sie von demjenigen, zu dessen Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und Glauben vereitelt worden sei (Rummel in Rummel, ABGB1, Rz 7 zu § 897). Diese Rechtsfolge wäre auch aus der Bestimmung des § 904 ABGB abzuleiten (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 352). Es könne nicht im Belieben der Klägerin liegen, den Eintritt der Fälligkeit der Gegenforderung endlos hinauszuschieben. In diesem Zusammenhang fehlten allerdings mangels entsprechender Erörterung sowohl klares und ausreichendes Parteienvorbringen als auch Beweisaufnahmen und Feststellungen über die andeutungsweisen Behauptungen des Beklagten, daß es an der Klägerin gelegen sei, daß die Liquidationsbilanz bisher nicht erstellt worden sei. Wieweit dazu die Vertreter der Parteien im Scheidungsverfahren Aussagen machen könnten, werde ebenfalls noch zu erörtern sein.
Die in der Berufungsbeantwortung begehrte Feststellung, daß die Liquidationsbilanz im Sinne des § 154 HGB (Straube, HGB-Kommentar, 556) bisher nicht vorliege, sei ohnedies getroffen worden. Ob die Fälligkeit des Aufteilungsanspruches damit gegeben sei, stelle eine Rechtsfrage dar. Sofern die Fälligkeit der Gegenforderung nach den Ergebnis dieser ergänzenden Beweisaufnahmen grundsätzlich anzunehmen wäre, müßten auch noch weitere Beweise und Feststellungen zur Höhe der eingewendeten Gegenforderung von S 100.000,- und zur Höhe des Saldos aus der Liquidationsbilanz getroffen werden. Für den Umstand, daß die Liquidationsbilanz einen Negativsaldo ergebe, der nach Punkt
8.) des Scheidungsvergleiches zur Hälfte den Beklagten zuzurechnen wäre, sei die Klägerin beweispflichtig, die diesbezüglich auch einen Sachverständigenbeweis angeboten habe.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel ließen eine abschließende Beurteilung der erhobenen Gegenforderung nicht zu.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil vor allem im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten auch eine grundsätzlich andere rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes denkbar wäre.
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse
a) der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil der ersten Instanz wieder herzustellen;
b) des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes - mit Ausnahme der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - zur Gänze (also auch hinsichtlich des Punktes 1.) des Urteiles des Erstgerichtes) aufzuheben und die Rechtssache auch insofern zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Gegenschriften zu den Rekursen wurden von den Parteien nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind unzulässig.
1.) Zum Rekurs des Beklagten:
Der Beklagte hatte in seinem primären Antrag an das Berufungsgericht die Abänderung des Urteiles des Erstgerichtes dahin begehrt, daß die eingeklagte Forderung mit S 64.484,83 als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung als mit S 140.533,16 gleichfalls als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren daher abgewiesen werde.
Diesem Begehren entsprach das Berufungsgericht insoweit, als es Punkt
1.) des Urteiles des Erstgerichtes als unangefochten behandelte. Durch eine solche, seinem Antrag entsprechende Entscheidung wird der Beklagte nicht beschwert, und zwar umso weniger, als das Berufungsgericht zutreffend kein Teilurteil als Leistungsurteil über die als zu Recht bestehend erkannte eingeklagte Forderung erließ (s Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 15 zu § 392 mwN), sodaß dem Beklagten das Rechtsschutzinteresse zur Erhebung eines Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes fehlt (EFSlg 70.254 ua). Der primäre Berufungsantrag des Beklagten entsprach im übrigen auch seinem Vorbringen in erster Instanz. Dort hatte er die eingeklagte Forderung zwar nur "der Höhe nach" außer Streit gestellt, im übrigen aber die Abweisung der Klage nur wegen der eingewendeten Gegenforderungen begehrt. Die eingeklagte Forderung war daher für sich gesehen (und ohne Rücksicht auf die eingewendete Gegenforderung) auch dem Grunde nach nicht bestritten worden.
Der Revisionsrekurs des Beklagten war daher mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen.
2.) Zum Rekurs der Klägerin:
Die Klägerin bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im wesentlichen unter zwei Gesichtspunkten:
a) Die Bestimmung des Punktes 8.) des Scheidungsvergleiches sei keine Bedingung, sondern höchstens eine Befristung, zumal die Wirkung des Scheidungsvergleiches nicht von der Erstellung der Liquidationsbilanz abhängig gemacht worden sei.
b) Für die Gegenforderung und deren Fälligkeit sei ausschließlich der Beklagte behauptungs- und beweispflichtig. Dieser Pflicht sei der Beklagte zumindest nicht in hinlänglich konkreter Weise nachgekommen.
Dem ist folgendes zu erwidern:
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ist der Rekurs an
den Obersten Gerichtshofes nur bei Vorliegen einer erheblichen
Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zulässig (§ 519 Abs 2
ZPO), wobei der Oberste Gerichtshof an den diesbezüglichen
Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden ist (§
526 Abs 2 ZPO).
Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in der hier zu beurteilenden
Rechtssache nicht vor, weil es sich um Vertragsauslegung im
Einzelfall handelt (s Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 502
ZPO mwN). Das Berufungsgericht ging nämlich zutreffend davon aus,
daß die Fälligkeit der eingewendeten Gegenforderung von der
Erstellung der Liquidationsbilanz durch die Klägerin - als
Betreiberin des Unternehmens - abhängig ist. Es handelt sich dabei
selbstverständlich nicht um einen bedingten Abschluß des
Scheidungsvergleiches selbst, wohl aber um ein Hinausschieben der
Fälligkeit des diesbezüglichen Anspruches des Beklagten bis zum
Vorliegen der Liquidationsbilanz, deren Erstellung von der Klägerin
als Unternehmerin zu veranlassen ist. In dieser Vergleichsbestimmung
kann aber die Erstellung der Liquidationsbilanz als eine vom Willen
der Klägerin abhängige Bedingung für den Eintritt der Fälligkeit
gesehen werden. Ebenso kann aber - wie vom Berufungsgericht
dargestellt - vom Verzug der Klägerin mit der Erstellung der
Liquidationsbilanz ausgegangen werden, welche mangels näherer
Bestimmung im Vergleich gemäß § 904 ABGB unverzüglich zu erstellen
gewesen wäre, sodaß dies nunmehr im Prozeß im Rahmen der
Vorfragenbeurteilung zu geschehen hat. Beide Betrachtungsweisen sind
auf das Ergebnis dieses Verfahrens von gleichem Einfluß.
Da das Berufungsgericht - ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht - noch eine Ergänzung bisher undeutlichen Vorbringens und eine Erweiterung der Tatsachengrundlage durch zusätzliche - gegebenenfalls aucherst durch das verdeutlichte Vorbringen notwendige Beweisaufnahmen für erforderlich hält, kann dem der Oberste Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (MGA JN-ZPO14 § 519 ZPO/E 49).
Auch der Rekurs der Klägerin war daher als unzulässig zurückzuweisen.