JudikaturOGH

12Os193/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. März 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E. Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Madersbacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef M***** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 27. Oktober 1994, GZ 33 Vr 2219/94-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, und des Verteidigers Dr.Romauch, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Ausspruch, daß gemäß § 22 Abs 1 StGB die Unterbringung des Angeklagten Josef M***** in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wird, aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Josef M***** wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB eingewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef M***** wurde des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 3. September 1994 in Mattsee am Anwesen des Franz S***** ohne dessen Einwilligung eine Feuersbrunst zu verursachen versuchte, indem er in der Gartenhütte eine Matratze anzündete.

Er wurde hiefür nach § 169 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und gemäß § 22 Abs 1 StGB in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen.

Die Voraussetzungen für die von der Staatsanwaltschaft beantragten (ON 21, S 231) Unterbringung des zur Tatzeit zurechnungsfähigen Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB erachtete das Erstgericht deshalb für nicht gegeben, weil dessen schwere (geistig und seelische) Abnormität "aus seinem Alkoholismus bzw einer akuten Alkoholisierung resultiert" (US 10).

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen die Anordnung des Maßnahmenvollzuges nach § 22 Abs 1 StGB aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 11 (der Sache nach nur Z 11) StPO gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Liegen die Voraussetzungen für eine Anstaltsunterbringung nämlich sowohl nach § 22 Abs 1 StGB als auch nach § 21 Abs 2 StGB vor, so prävaliert nach der zwingenden Vorschrift des § 22 Abs 2 zweiter Fall StGB die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Entwöhung kann nämlich auch in dieser Anstalt erreicht werden, wogegen die notwendigen strengen Sicherheitsmaßnahmen in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nicht immer hinreichend erfüllt werden können. Entfällt die für eine Anhaltung nach § 21 Abs 2 StGB maßgebende Gefährlichkeit durch eine geglückte Entwöhnung, so ist die (allerdings nur bedingte) Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug nach den Vorschriften des § 25 StGB ohnedies gewährleistet (13 Os 33/77, RZ 1990/96).

Auf Grund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen (213 f) nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß die einfach strukturierte, kindlich-naive Persönlichkeit des Angeklagten von einem gesteigerten Bedürfnis nach Bestätigung und Zuwendung gekennzeichnet ist, das in (destruktiven) Primitivreaktionen, wie etwa der des Brandlegens zum Ausdruck kommt. Dieses Persönlichkeitsmerkmal war nach den erstgerichtlichen Feststellungen neben dem chronischen Alkoholismus und einer aktuellen Beeinträchtigung durch Alkohol- und Medikamentenenfluß für die Tatbegehung mitbestimmend (US 5 und 6) und ist als geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades zu beurteilen (vgl das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen 221, 229). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß diese Abnormität nur unter der enthemmenden Wirkung des Alkohols zum Tragen kommt (US 10).

Im Hinblick auf diese Persönlichkeitsstruktur und die Art der Anlaßtat gelangte das Schöffengericht zur Prognose, daß im Falle des Unterbleibens einer Anstaltsunterbringung mit großer Wahrscheinlichkeit die Begehung strafbedrohter, etwa der Anlaßtat vergleichbarer Handlungen mit schweren Folgen durch den Angeklagten zu befürchten ist (US 10).

Damit sind - entgegen dem weiteren, nicht näher substantiierten Beschwerdevorbringen der Anklagebehörde - die Voraussetzungen für die Einweisung des Josef M*****in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB vollständig festgestellt, sodaß das Erstgericht nach der zwingenden Vorschrift des § 22 Abs 2 zweiter Fall StGB diesen Maßnahmenvollzug anzuordnen gehabt hätte.

Ein Verstoß gegen diese Bestimmung bedeutet eine Überschreitung der Strafbefugnis, die nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall, 435 Abs 2 StPO Nichtigkeit des Urteiles im davon betroffenen Teil des Ausspruches über die Strafe zur Folge hat.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war demnach Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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