10Ob502/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 25.10.1988 geborenen Minderjährigen Verena H*****, Vorschülerin, ***** hier vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft-Jugendamt-St.Veit an der Glan (Jugendwohlfahrtsträger) als Sachwalter gemäß § 212 Abs 2 ABGB, infolge Revisionsrekurses des Vaters Hartwig Z*****, Installateur, ***** vertreten durch Dr.Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 28.November 1994, GZ 3 R 504/94-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Veit an der Glan vom 27.September 1994, GZ 1 P 43/94-5, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Am 22.8.1994 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter, den vom ue Vater seit 15.11.1988 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.300 S ab 1.9.1994 auf 2.000 S zu erhöhen. Der Unterhaltspflichtige beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von 14.669,80 S und habe für ein weiteres (ue) Kind monatlich 2.000 S zu zahlen. Die Bedürfnisse des Kindes seien seit der fast sechs Jahre zurückliegenden letzten Unterhaltsfestsetzung gestiegen; das Kind beginne mit der Vorschule. Die Familienbeihilfe von 1.400 S beziehe die Mutter.
Das Erstgericht forderte den Vater auf, sich zum beigelegten Unterhaltserhöhungsantrag binnen zehn Tagen nach Zustellung schriftlich oder mündlich zu äußern. Sollte er sich nicht äußern, werde angenommen, daß er dem Unterhaltserhöhungsantrag keine Einwendungen entgegensetze. Diese Aufforderung wurde dem Vater am 14.9.1994 zu eigenen Handen zugestellt, so daß die um den Samstag und Sonntag verlängerte (§ 1 Abs 1 BGBl 1961/37) Äußerungsfrist bis 26.9.1994 (Montag) dauerte.
Der erstgerichtliche Beschluß, mit dem der vom Vater zu leistende monatliche Unterhaltsbeitrag ab 1.9.1994 von 1.300 S auf 2.500 S (vom Rekursgericht auf 2.000 S berichtigt) erhöht wurde, trägt das Datum 27.9.1994; er langte an diesem Tag in der Geschäftsabteilung ein und wurde am 11.10.1994 abgefertigt. Infolge der Nichtäußerung des Unterhaltspflichtigen sah das Erstgericht das tatsächliche Vorbringen im Erhöhungsantrag als zugestanden an. Der erhöhte Unterhaltsbeitrag liege unter der im Hinblick auf die weitere Sorgepflicht anzunehmenden Prozentkomponente von 15 % der Bemessungsgrundlage.
In einem am 27.9.1994, also nach Ablauf der Äußerungsfrist, verfaßten und zur Post gegebenen, am 28.9.1994 eingelangten Schriftsatz wurde im Auftrag eines Villacher Rechtsanwaltes bekanntgegeben, daß er den Antragsgegner vertrete. Da sich der Vertreter bis 8.10.1994 auf Urlaub befinde, wurde ersucht, die (bereits abgelaufene) zehntägige Äußerungsfrist zum Unterhaltserhöhungsantrag bis 10.10.1994 zu verlängern. Auf diese Eingabe reagierte das Erstgericht nur mit einem (internen) Hinweis vom 6.10.1994 auf den bereits am 27.9.1994 gefaßten Erhöhungsbeschluß.
Am 11.10.1994 langte eine mit 10.10.1994 datierte und offensichtlich am letztgenannten Tag zur Post gegebene Äußerung des Vaters ein. Darin nahm er zum Erhöhungsantrag Stellung und beantragte, ihn abzuweisen. Diese Äußerung wurde vom Erstgericht zwar am Tag des Einlangens mit dem Vermerk "gesehen" versehen, blieb jedoch für den am selben Tag abgefertigten Erhöhungsbeschluß ohne Auswirkung.
In seinem rechtzeitigen Rekurs machte der Vater als Verfahrensmangel, allenfalls sogar Nichtigkeit geltend, daß seine im Hinblick auf den Fristverlängerungsantrag als rechtzeitig zu beurteilende Äußerung vom 10.10.1994 nicht berücksichtigt wurde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß es den erhöhten Unterhaltsbetrag auf 2.000 S berichtigte; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei.
Nach Ansicht des Rekursgerichtes widerspreche es dem Zweck des § 185 Abs 3 AußStrG, eine nach Ablauf der Äußerungsfrist und nach Abgabe der Entscheidung einlangende Äußerung zu berücksichtigen. Selbst wenn man davon ausgehe, daß der Außerstreitrichter durch die Abgabe der Entscheidung zur Ausfertigung nicht in gleicher Weise gebunden sei wie der Streitrichter, sei eine Bindung nach Abgabe der Entscheidung zur Ausfertigung bei zulässiger Anwendung der genannten Bestimmung anzunehmen. Das Wohl des minderjährigen Unterhaltsberechtigten spreche nämlich gegen die Einschränkung der auch im Außerstreitverfahren grundsätzlich geltenden Bindungswirkung (SZ 38/147 = RZ 1966, 33 mwN). Deshalb sei das Erstgericht zutreffend von den ausreichenden Angaben im Erhöhungsantrag ausgegangen. Auf dieser Tatsachengrundlage habe es den erhöhten Unterhaltsbeitrag im berichtigten Ausmaß von 2.000 S richtig bemessen.
Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG sei zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, wie lange eine verspätete Äußerung zu berücksichtigen ist, uneinheitlich sei.
Im Revisionsrekurs macht der Antragsgegner Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; er beantragt, den angefochtenen, allenfalls auch den erstgerichtlichen Beschluß aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und den Unterhaltserhöhungsantrag abzuweisen; allenfalls möge die angefochtene Entscheidung aufgehoben und einer Vorinstanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen werden.
Der Revisionsrekurs ist nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig. Die Entscheidung hängt von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts ab, der im Hinblick auf die E des OGH vom 26.11.1992, 1 Ob 503/93 EFSlg 70.543 = NRsp 1993/60 = ÖA 1993, 140/U 78 zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Im damaligen Unterhaltserhöhungsverfahren lief die Äußerungsfrist am 17.6.1992 ab, der erstgerichtliche Erhöhungsbeschluß wurde am 22.6.1992 gefaßt und langte am folgenden Tag in der Geschäftsabteilung ein. Bereits am Tag der Beschlußfassung wurde eine (allerdings verspätete) Äußerung überreicht, die dem beschlußfassenden Rechtspfleger jedoch erst am folgenden Tag vorgelegt wurde, als der Erhöhungsbeschluß bereits der Geschäftsabteilung übergeben war. Der 1.Senat führte daher aus, daß die Äußerung zum Unterhaltserhöhungsantrag zwar nach Ablauf der gesetzten Frist, jedoch noch vor dem Zeitpunkt einlangte, ab dem das Erstgericht an seine Entscheidung gebunden war. Daß die Äußerung dem Rechtspfleger erst nach Abfassung und Übergabe seiner Entscheidung an die Geschäftsabteilung vorgelegt wurde, müsse angesichts des Zweckes des § 185 Abs 3 AußStrG ebenso außer Betracht bleiben wie die Tatsache, daß sie nicht in der gesetzten Frist erstattet wurde. Die zit Bestimmung solle in dringenden außerstreitigen Angelegenheiten eine Verfahrensbeschleunigung bewirken und eine möglichst rasche Sachentscheidung ermöglichen. Äußere sich der Aufgeforderte zwar nicht in der gesetzten Frist, aber noch vor der Entscheidung des Gerichtes, so diene seine Stellungnahme immer noch dem § 185 Abs 3 AußStrG zugrundeliegenden Zweck.
Ob sich der erkennende Senat der in der zit Entscheidung vertretenen Rechtsansicht anschließt, kann dahingestellt bleiben. Das vorliegende Unterhaltserhöhungsverfahren unterscheidet sich nämlich ua dadurch wesentlich von dem zu 1 Ob 503/93 entschiedenen, daß die verspätete Äußerung damals vor der Abgabe des Unterhaltserhöhungsbeschlusses zur Ausfertigung einlangte. Im nunmehrigen Verfahren wurde die verspätete Äußerung jedoch erst zwei Wochen nach der Abgabe des Unterhaltserhöhungsbeschlusses zur Ausfertigung zur Post gegeben.
Die Rechtsansicht des Rekurswerbers, seine Äußerung wäre wegen seines Antrages auf Verlängerung der Äußerungsfrist bis 10.10.1994 fristgerecht erstattet worden, ist unrichtig. Eine Fristverlängerung wird nicht schon durch die diesbezügliche Antragstellung bewirkt, die keine aufschiebende Wirkung hat, sondern erst durch den Bewilligungsbeschluß (Fasching II § 128 Anm 8; ders, ZPR2 Rz 555); ein solcher wurde nicht gefaßt und hätte auch nie gefaßt werden dürfen. Da der Fristverlängerungsantrag erst nach Ablauf der zu verlängernden Frist zur Post gegeben wurde, war er nach dem gemäß § 7 Abs 1 AußStrG auch in Angelegenheiten außer Streitsachen geltenden § 128 Abs 3 ZPO verspätet und wäre deshalb zurückzuweisen gewesen (Fasching aaO).
Das Rekursgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die erst nach der Abgabe des schriftlich abgefaßten Unterhaltserhöhungsbeschlusses an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung zur Post gegebene verspätete Äußerung nicht mehr zu berücksichtigen war. Das Gericht konnte daher nach § 185 Abs 3 AußStrG annehmen, daß der Vater dem Unterhaltserhöhungsantrag keine Einwendungen entgegensetzt.