10ObS10/95 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Andrea W*****, ohne Beschäftigungsangabe,***** vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Krankengeldes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.November 1994, GZ 33 Rs 95/94-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.April 1994, GZ 5 Cgs 66/93v-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 5.4.1993 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Auszahlung von Krankengeld für die Zeit vom 7.8. bis 6.11.1992 unter Berufung auf § 100 Abs 1 lit a, § 117 Abs 3, § 120 Abs 1 Z 2, § 138 Abs 1 und Abs 3 und § 143 Abs 1 Z 1 und Z 3 ASVG sowie Z 36 Abs 1 erster Halbsatz ihrer Krankenordnung ab. Die Klägerin sei nur bis 30.8.1992 arbeitsunfähig wegen Krankheit gewesen, habe aber bis dahin mehr als 50 vH des relevanten Entgeltes erhalten. Die (behauptete) Arbeitsunfähigkeit sei dem Versicherungsträger erst am 6.11.1992 gemeldet worden.
Das auf Zahlung des Krankengeldes im gesetzlichen Ausmaß bis 6.11.1992 gerichtete Klagebegehren stützt sich ua darauf, daß die Klägerin auch in der Zeit vom 31.8. bis 6.11.1992 arbeitsunfähig gewesen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Außer ihrer Bescheidbegründung wendete sie noch ein, die Klägerin habe bis 30.9.1992 Anspruch auf Weiterleitung des vollen Entgeltes gehabt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte ua fest, daß die Klägerin seit 14.8.1989 auf Grund eines mit 30.9.1992 gelösten Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert war und bis dahin volles Entgelt erhielt. Sie war bis 30.8.1992 arbeitsunfähig wegen Krankheit (Laparoskopie im Zuge eines stationären Krankenhausaufenthaltes in der Zeit vom 19. bis 21.8.1992 und Nähteentfernung am 28.8.1992). Durch die während dieses Aufenthaltes vorgenommenen Untersuchungen (Laparoskopie und Hysteroskopie) wurde kein pathologischer Befund, insbesondere keine Endometrioseherde, festgestellt. Vom 31.8. bis 6.11.1992 war die Klägerin weder krank noch arbeitsunfähig.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe der bis 30.8.1992 bestehende Anspruch auf Krankengeld nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG geruht. Für die Zeit vom 31.8. bis 6.11.1992 bestehe mangels Krankheit kein Anspruch auf die begehrte Leistung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Die behaupteten Verfahrensmängel lägen nicht vor; die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes sei richtig.
In der Revision macht die Klägerin Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil zu "beseitigen" und das erstgerichtliche Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder aufzuheben.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Art I Z 18 der Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz-Novelle 1994 - ASVG-Nov 1994 BGBl 624, durch den die §§ 44 bis 47 des Stammgesetzes geändert wurden, ist nach Art X § 2 leg cit nur anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz nach dem 31.12.1994 liegt. Die §§ 44 bis 47 ASGG sind daher im vorliegenden Fall noch in der Fassung vor der genannten Nov anzuwenden. Da das Krankengeld eine wiederkehrende Leistung ist, hätten die Aussprüche des Berufungsgerichtes über den Wert seines Entscheidungsgegenstandes (§ 45 Abs 1 Z 1 ASGG) und über die Zulässigkeit der Revision (Z 2 des zit Abs) nach dem Abs 4 leg cit zu unterbleiben gehabt. Die Revision ist nämlich nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig (vgl die zur Rechtslage vor der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 BGBl 343 ergangene E SSV-NF 2/47).
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Bei der im ersten Halbsatz des letzten Satzes der S 5 des Berufungsurteils "Da aber unbestritten der Ruhenstatbestand des § 143 Abs 1 Z 2 ASVG vorlag" zitierten Ziffer handelt es sich um einen berichtigungsfähigen Schreibfehler oder eine andere offenbare Unrichtigkeit iS des § 419 Abs 1 und 3 ZPO. Abgesehen davon, daß die Z 2 des § 143 Abs 1 ASVG durch Art II Z 19 der 50. ASVGNov BGBl 1991/676 mit 1.1.1992 aufgehoben wurde und deshalb auf den im vorliegenden Fall strittigen Zeitraum August bis November 1992 nicht mehr anzuwenden wäre, ergibt sich aus dem Zusammenhang, daß das Berufungsgericht nur die Z 3 gemeint haben kann. Für die Zeit bis 30.8.1992 (und darüber hinaus bis 30.9.1992) ist nämlich tatsächlich unbestritten, daß die Versicherte (auf Grund gesetzlicher Bestimmungen) Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 vH der vollen Bezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hatte (vgl die Ausführungen zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung S 3 letzter Abs der Berufung:
"Meiner Auffassung nach hätte die Beklagte das Krankengeld nach dem 30. September 1992 in jedem Fall bis zum 6.November 1992 zu bezahlen gehabt ...."). Dies führte nach richtiger Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zum Ruhen des bis 30.8.1992 unstrittigen Anspruches auf Krankengeld. Das Ruhen dieses Anspruches bis zum genannten Tag war auch Gegenstand des durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheides. Dessen Spruch, in dem ua § 143 Abs 1 Z 3 ASVG zitiert wurde, wurde durch den vorletzten Abs auf S 3 des Bescheides im genannten Sinn begründet.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit).
Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG). Das auf Zahlung (Leistung) des Krankengeldes im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ist nicht berechtigt. Bis 30.8.1992 ruht der bis dahin bestehende Anspruch - wie schon erwähnt - nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG zur Gänze. Für die Zeit vom 31.8. bis 6.11.1992 hat die Klägerin überhaupt keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 leg cit, weil sie während dieser Zeit nicht krank war. Insoweit die Rechtsrüge nicht von diesem festgestellten Umstand ausgeht und diesbezügliche Stoffsammlungsmängel geltend macht, ist sie nicht gesetzgemäß ausgeführt. Diese angeblichen Mängel wurden übrigens schon vom Berufungsgericht verneint und können daher in der Revision nicht neuerlich gerügt werden (stRsp zB SSV-NF 7/74).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.