Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Köttner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ivan V***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.September 1994, GZ 6 a Vr 13256/92-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivan V***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt, weil er am 1.Oktober 1994 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt hat, indem er dem abgesondert verfolgten Valentin M***** 992,4 Gramm Kokain verkaufte, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge das 25-fache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge übersteigt.
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 3, 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 3) erblickt der Beschwerdeführer vorerst in der Verwertung der Ergebnisse zweier am 5. Oktober 1992 in Anwesenheit eines Polizeidolmetsch sowie eines Erhebungsbeamten der Polizei mittels eines (auf Außenlautsprecher geschalteten) "Handys" zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M***** geführter Gespräche, deren "Überwachung" ohne gerichtliche Anordnung oder Genehmigung, somit entgegen den Vorschriften über die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach §§ 149 a bis c StPO vorgenommen worden und damit unzulässig gewesen sei.
Dabei verkennt der Beschwerdeführer aber, daß es sich bei diesen Gesprächen um Telefonate gehandelt hat, die der Gesprächsteilnehmer M***** führte, wobei von diesem ein Zuhören und die Mitteilung des Gesprächsinhaltes an die beim Gespräch anwesenden Personen, Insp.K***** und (den Polizeidolmetsch) Peter Z*****, von vorneherein geplant war. Ein derartiges Gespräch fällt aber nicht unter die Voraussetzungen der Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach §§ 149 a bis c StPO, weil eine solche Maßnahme die Überwachung, Aufnahme und Aufzeichnung der - (auch ihrer Zahl nach) von vorneherein nicht bekannten - Telefongespräche unter Mitwirkung der (grundsätzlich zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichteten - vgl § 4 FernmeldeG 1993; zur Zeit des Vorganges § 17 FernmeldeG 1949) Fernmeldebehörde (oder der von dieser beauftragten Personen) voraussetzt (Foregger-Kodek StPO6 § 149 c Erl I), sodaß die Verwertung dieser Ergebnisse dieser Telefonate, deren Inhalt ein nicht zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichteten Gesprächsteilnehmer von vornherein anderen Personen zugänglich machte, keinen Verstoß gegen § 281 Abs 1 Z 3 StPO darstellt (Foregger-Kodek aaO § 149 c StPO Erl III).
Demnach sei nur noch am Rande darauf hingewiesen, daß der Zeuge Insp.K***** im voraus die Zustimmung des Untersuchungsrichters zu dem in Rede stehenden Vorgang eingeholt hatte (219/II); selbst bei einer Betrachtung des Vorganges unter dem Blickwinkel der §§ 149 a ff StPO wäre demnach eine Unterlassung der Einholung einer Genehmigung der Ratskammer als bloße Verletzung einer Förmlichkeit ohne Nichtigkeitssanktion geblieben (Foregger-Kodek aaO Erl III).
Als weiteren Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer unter Heranziehung dieses Nichtigkeitsgrundes, daß der Zeuge M***** über die Voraussetzungen seines Entschlagungsrechtes nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12.Juli 1994, 14 Os 82/94 (unrichtig) belehrt, nicht ausdrücklich auf sein Entschlagungsrecht verzichtet habe, sodaß die Verwertung seiner Aussage gegen § 152 Abs 5 StPO verstoße.
Aus den Akten ergibt sich dazu folgendes:
In dem vorerst gegen Valentin M*****, Ivan V*****, Martina R***** und Rudolf K***** unter AZ 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemeinsam geführten Verfahren stand Valentin M***** (unter anderem) in Verdacht, am 1.Oktober 1992 (von Ivan V***** übernommenes) Suchtgift, nämlich 992,4 Gramm Kokain an Martina R***** übergeben zu haben. Er war zu diesem Vorwurf durchwegs geständig (Polizei 91/I ff, Untersuchungsrichter: ON 10/I, HV: 383/I, 23/II jeweils des Aktes 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) und wurde - unter Berücksichtigung seines Geständnisses - mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Mai 1993, GZ 6 e Vr 12.453/92-105, (unter anderem) des vollendeten Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt, weil er am 1.Oktober 1992 in Wien der Martina R***** 992,4 Gramm Kokain übergeben hatte und nach § 12 Abs 3 SGG zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er ließ diesen Schuldspruch unbekämpft, seine gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung blieb erfolglos, zwischenzeitig hat er einen achtzehnmonatigen Teil dieser Freiheitsstrafe verbüßt und wurde am 29. Juli 1994 mit einem zwölfmonatigen Strafrest unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen.
Das Verfahren gegen Ivan V***** war am 3.November 1992 ausgeschieden worden (3 a des AV-Bogens inhaltlich 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).
In den Entscheidungsgründen dieses - zwischenzeitig insgesamt rechtskräftigen Urteiles über M***** - findet sich die Feststellung, daß Ivan V***** dem Valentin M***** 992,4 Gramm Kokain übergeben hat, welches M***** an Martina R***** weitergab (65/I in 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).
Daraus erhellt, daß dem Zeugen M***** anläßlich seiner Vernehmung als Zeuge im gegenständlichen Verfahren in der Hauptverhandlung am 2. September 1994 gar kein Entschlagungsrecht zustand, weil er wegen des In-Verkehr-Setzens der Suchtgiftmenge von 992,4 Gramm Kokain rechtskräftig verurteilt war und wegen der Übernahme dieser Suchtgiftmenge von Ivan V***** weder je verfolgt worden ist noch in Verfolgung gezogen werden kann, weil sich diese - nicht in einer Tatbeteiligung an einer Suchtgifteinfuhr bestehende - Tatphase in bezug auf das In-Verkehr-Setzen als (bloße) Vorbereitungshandlung darstellt.
Damit mangelt es aber an der Grundvoraussetzung der Entschlagungsmöglichkeit im Sinn der genannten Gesetzesstelle, nämlich der Verfolgungs- und damit Selbstbelastungsgefahr bezogen auf die Übernahme der identen Suchtgiftmenge von Ivan V*****.
Da aber ein ausdrücklicher Verzicht (§ 152 Abs 5 StPO) auf ein gar nicht begründetes Entschlagungsrecht nicht denkbar ist, liegt der angezogene Verfahrensmangel nicht vor.
Zu Unrecht wird weiters unter diesem Nichtigkeitsgrund ein Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsgebot des § 252 StPO durch Verlesung der Aussagen der (entschlagungsberechtigten) Zeugin Martina R***** behauptet. Denn deren Aussage wurde - entgegen der Behauptung in der Beschwerdeschrift - nicht verlesen, sondern lediglich die Urteile ON 105 und 131 aus dem Verfahren 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (382/III); die weiteren Verlesungen ("Band I S 99 bis Ende des Bandes, Band II und Band III zur Gänze") laut HV-Protokoll 386/III und 388/III beziehen sich eindeutig auf das gegenständliche Verfahren, umfaßt doch der Akt 6 e Vr 12.453/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien nur zwei Bände und ist auch aus einem Vergleich der sonst vorgenommenen seitenmäßig zitierten Verlesung eindeutig erkennbar, daß sich die Verlesungen auf Seitenzahlen des nunmehrigen Hauptaktes beziehen. Im übrigen genügt dazu der Hinweis, daß das angefochtene Urteil die Aussage der Zeugin R***** ohnedies nicht verwertet hat.
Letztlich geht auch die Behauptung des Verstoßes gegen das Verlesungsverbot des § 252 StPO, soweit sie die Verlesung der früheren Angaben des Zeugen M***** zu den Fragen, die er in der Hauptverhandlung vom 2.September 1994 unter Hinweis auf sein ihm vermeintlich zukommendes Entschlagungsrecht unbeantwortet ließ, ins Leere, stand dem Zeugen doch - wie bereits ausgeführt - insgesamt kein Entschlagungsrecht zu, sodaß die Verlesung der diesbezüglichen Angaben nach § 252 Abs 1 Z 3 StPO zu Recht vorgenommen wurde.
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Angeklagte die (gegen den Widerspruch der Verteidigung erfolgte) Verlesung eines (nicht adressierten) Schreibens des Angeklagten, das ihm bei seiner Personsdurchsuchung anläßlich der Ausführung aus der Untersuchungshaft in den Räumlichkeiten des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Graz am 2.Oktober 1992 abgenommen worden war (223/II).
Im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers erfolgte seine Personsdurchsuchung anläßlich seiner Ausführung vom gerichtlichen Gefangenhaus zur Polizeibehörde am 12.Oktober 1992 (vgl 223/II) im Sinne der - insoweit zwingenden - Bestimmungen des § 98 Abs 4 StVG iVm § 193 StPO den Vorschriften entsprechend; daß es sich bei diesem - im Akt als "Kassiber" bezeichneten - Schreiben um Verteidigerpost handelt, ist weder aus dem Schriftstück noch aus dem Zusammenhang mit der Aktenlage entnehmen, weswegen ein Verstoß gegen grundrechtliche Vorschriften, die ein faires Verfahren gebieten, insbesondere gegen Art 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in der Verlesung dieses Schriftstückes nicht zu erblicken ist. Schriftstücke, die zur "Ordnung der Gedanken" und zur "Vorbereitung von Besprechungen mit der Verteidigung" dienen sollen, sind durch die Bestimmungen des § 45 Abs 3 und 4 StPO nicht immunisiert, sondern nur die dort genannten Besprechungen und der Briefverkehr mit dem Verteidiger. Durch die Aufnahme eines an sich gesetzlich zulässigen Beweises, nur weil diese gegen den Widerspruch einer Partei erfolgte, wird aber der Nichtigkeitsgrund der Z 4 grundsätzlich nicht hergestellt (13 Os 4/94 = NRsp 1994/253).
Soweit unter diesem Nichtigkeitsgrund neuerlich ein Verstoß gegen die Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften oder sonst durch das Wesen einer (die Strafverfolgung und Verteidigung sichernden) fairen Verfahrens geboten ist, unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des "Abhören der Telefonate vom 5. Oktober 1992" behauptet wird, genügt der Verweis auf die bereits dazu unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 getroffenen Erwägungen. Im übrigen war das bei diesen Telefonaten scheinbar angebahnte neuerliche Suchtgiftgeschäft zwischen dem Angeklagten V***** und dem Zeugen M***** gar nie Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung.
Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) wird zunächst zu Unrecht als Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen reklamiert, daß sich das Schöffengericht mit den Aussagen des Angeklagten über die Umstände der Darlehensgewährung an M***** sowie dessen (erfolglosen) Eintreibungsschritten nicht auseinandergesetzt habe, hat sich doch das angefochtene Urteil - entgegen der Beschwerdebehauptung - ausdrücklich mit der diesbezüglichen Einlassung des Angeklagten - nämlich der Behauptung einer Darlehenszuzählung in der Höhe von 460.000 S an Valentin M***** - befaßt (US 10 f) und mit ausführlicher Begründung dargelegt, warum es den (eine Darlehensgewährung negierenden) Angaben des M***** dennoch folgen zu können glaubte (US 13 f).
Der weitere Einwand, das Erstgericht habe entscheidende Ergebnisse des Beweisverfahrens über die "Lockspitzeltelefonate" am 5.Oktober 1992 unerörtert gelassen, vor allem aber Widersprüche der Aussagen der Zeugen Insp.K*****, Peter Z***** und Valentin M***** mit Stillschweigen übergangen, zeigt abermals keinen formalen Begründungsmangel auf. Denn das Erstgericht war einerseits nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verpflichtet, alle Einzelheiten von Aussagen weitwendig im Detail zu erörtern und jeweils darauf zu untersuchen, inwieweit sie, isoliert betrachtet, für diese oder gegen jene Darstellung sprechen, und andererseits auch nicht in der Lage, sich bei der Würdigung mit allen, insbesondere mit erst nachträglich (in der Nichtigkeitsbeschwerde) ins Treffen geführten Argumenten zu befassen; es hat jedenfalls unter aktengetreuer Wiedergabe der verwerteten Verfahrensergebnisse mit einer den Denkgesetzen entsprechenden Begründung (US 8 f) zum Ausdruck gebracht, aus welchen Erwägungen es den Angaben des (einzigen Tatzeugen) M*****, gestützt durch die übrigen Beweisergebnisse (US 9 und 10) folgte, sodaß (auch) insoweit kein Begründungsmangel vorliegt. Letztlich sei darauf verwiesen, daß mit den Konstatierungen zu den "Lockspitzeltelefonaten", die ohnedies nicht Gegenstand einer Strafverfolgung des Beschwerdeführers wurden, kein Ausspruch über eine entscheidende, das ist eine für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebliche Tatsache releviert wird.
In der Strafbemessungsrüge (Z 11) bemängelt der Beschwerdeführer, daß das Schöffengericht bei Verhängung der Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG weder einen beabsichtigten noch einen tatsächlich erzielten Gewinn festgestellt habe.
Auch dieser Rüge kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht nahm zwar in der Begründung dieses Ausspruches allein auf den Marktwert des weitergegebenen Suchtgiftes Bezug (US 19), wogegen § 12 Abs 5 zweiter Satz SGG auf den Nutzen abstellt, den der Täter durch die strafbare Handlung erzielt hat oder erzielen sollte, bei dem ua auch die Gestehungskosten vom Gesamtwert abzuziehen wären (Foregger/Litzka SGG2 § 12 Erl X).
Indes handelt es sich bei der Bestimmung des § 12 Abs 5 zweiter Satz SGG - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des dritten und vierten Satzes dieser Gesetzesstelle abgesehen - um eine am Nutzen orientierte - im Regelfall anzuwendende - Untergrenze für die Bemessung der Geldstrafe. Da davon ausgegangen werden kann, daß der Marktwert eines Suchtgiftes jeweils über dem Nutzen des dieses Gift Verhandelnden liegt, kann weder von einer Überschreitung der Strafbefugnis (die verhängte Geldstrafe blieb unter der im § 12 Abs 5 erster Satz SGG bestimmten Höchststrafe), noch von einer offenbar unrichtigen Beurteilung von Strafbemessungstatsachen, noch von einem unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung gesprochen werden. Die Prüfung der Höhe der nach § 12 Abs 5 SGG verhängten Strafe ist als Ermessensentscheidung dem Berufungsverfahren vorbehalten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden